Kapitel 10

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Schlaftrunken öffnete ich meine Augen und wollte mich gerade seufzend in meinem Bett umdrehen, als ich mich wieder daran erinnerte, welcher Tag heute war. Plötzlich war ich gar nicht mehr müde und sprang enthusiastisch auf, nur um gleich wieder stöhnend in mein Bett zu fallen. Meine Beine taten von unserem nächtlichen Training weh, das wir jede Nacht durchgeführt hatten. Außerdem hatte ich seitdem kaum Schlaf bekommen und war mehrmals beinahe in der Schule eingeschlafen. Doch das war jetzt alles egal. Denn heute war mein Hausarrest endlich vorbei. Und heute würden wir endgültig gegen die Grünwalder Ritter spielen. So schnell ich konnte, zog ich meine Trainingsklamotten an und schwang mich auf mein Fahrrad, um den Weg zum Fußballplatz einzuschlagen. Meine gute Laune blies meinen Muskelkater in Windeseile weg und ich trat fest in die Pedale. Als ich auf unserem Spielfeld eintraf, warteten die anderen bereits auf mich und grinsten mich mindestens genauso glücklich mit ihren riesigen Augenringen an. Ich schaute mich auf dem Fußballplatz, der mitten in Grünwald lag, um. Er war ganz gewöhnlich und erschien mir gegenüber dem Teufelstopf beinahe langweilig und eintönig. Wir wollten uns gerade auf die kleine Tribüne neben dem Feld setzen, als uns eine selbstbewusste Stimme herumfahren ließ: „Seid ihr bereit? Oder gebt ihr schon auf?“ Der Anführer der Grünwalder Ritter war mindestens einen Kopf größer als wir und blickte nun verachtend auf uns herab. Doch Leon stellte sich ihm mutig gegenüber: „Das ich nicht lache. Die wilden Kerle kneifen nicht. Und sie verlieren nie. Stellt euch auf eure Positionen.“ Er sah uns mit einem wilden Lächeln an und wir stellten uns auf, während Raban und Vanessa unsere Auswechselspieler wurden. Dann begann das Spiel. Nerv bekam den Ball zuerst und dribbelte ihn über das ganze Spielfeld. Dann passte er zu Leon, der ohne zu Zögern zu Joschka abspielte. Und die siebte Kavallerie drosch den Ball direkt ins Netz. Wir jubelten und unser Anführer stellte sich triumphierend vor den Mannschaftskapitän der gegnerischen Mannschaft: „Das war die Eins!“ Erneut begaben wir uns auf unsere Plätze. Dieses Mal gehörte die Kugel den Grünwalder Rittern. Gekonnt dribbelten sie uns aus und lupften das Leder über unsere Köpfe. Bei Markus angekommen, schossen sie es genauso leichtfertig in unser Tor, wie wir es zuvor bei ihnen getan hatten. „Das nächste Tor gehört uns.“, grinste Maxi und schien mit diesen aufmunternden Worten mein Herz zu wärmen. Nun besaßen wir den Ball wieder. Ich schnappte ihn mir und dribbelte einen unserer Gegner aus, dessen Beine sich daraufhin zu verknoten schienen, weshalb der Länge nach hinschlug und auf dem Kunstrasen liegen blieb. Anschließend lupfte ich den Ball zu Leon, der ihn direkt weiter zu seinem Bruder schoss. Marlon rannte auf das Tor zu und wollte zu „Tippkick“ schießen. Doch einer unserer Gegner fing den Schuss ab und bewegte sich nun auf unser Tor zu. Ich wollte ihm das Leder stehlen, doch dieses Mal verknotete er meine Beine, sodass ich stolperte und hinfiel. Eine Hand streckte sich zu mir hinunter und ich sah in Maxis dunkelbraune Augen: „Ist alles gut?“ Für einen Moment starrte ich „Tippkick“ nur an und drohte in ihnen zu versinken, doch schließlich riss ich meinen Blick los: „Ja, aber nur, solange du wild bist.“ Ich nahm seine kräftige Hand und zog mich an ihr hinauf, bevor ich mich den anderen näherte. Doch die versuchten die Grünwalder Ritter vergeblich zu verteidigen. Und so landete der Ball das zweite Mal in unserem Netz. Enttäuscht seufzte ich und stellte mich auf meine Position. Wieder gehörte der Ball uns. Doch dieses Mal klauten unsere Gegner das Leder direkt. Mit Leichtigkeit zogen sie an uns vorbei und spielten auf das Tor. Markus wehrte den Ball ab, doch ein zweiter Grünwalder Ritter schoss erneut. Das war das dritte Tor. Auch das vierte Tor ließ nicht lange auf sich warten und so humpelten wir in der Halbzeit vom Feld. Plötzlich konnten wir alle unseren Muskelkater wieder spüren. Gähnend saßen wir auf der Tribüne und versuchten uns gegenseitig wachzuhalten. Joschka, der zweitjüngste von uns allen, packte der Schlaf nun endgültig. Sanft hob und senkte sich seine Brust und bei dem Anblick des friedlich schlafenden Jungen beschlossen wir, Raban gegen ihn einzuwechseln. Vanessa sprang für den sonst so gesprächigen Nerv ein, der jetzt nur schweigend mit trüben Augen ins Nichts starrte. Einige Minuten später begann die zweite Halbzeit und wir stellten uns mit schmerzverzerrten Gesichtern auf unsere Plätze. „Ich mach‘ dich fertig.“, zischte Vanessa ihrem Gegenüber so feindselig zu, dass es mir beinahe Angst machte. Doch selbst aus der funkensprühenden Überzeugung des Mädchens wurde nach ein paar Toren trostlose Müdigkeit. Die zweite Halbzeit endete schließlich und wir stapften geschlagen vom Feld. Die Grünwalder Ritter hatten uns besiegt. Leon verließ das Spielfeld mit schnellen Schritten. „Wo willst du hin?“, rief ihm Vanessa nach, „Verflixt, willst du schon wieder kneifen, Leon?“ Doch der Junge schlug den Weg zur Tribüne ein, auf der Joschka und Nerv saßen: „Kacke verdammte, wo bleibt ihr denn?“ Wir tauschten erleichterte Blicke und folgten unserem Anführer. Bei ihm angekommen, bildeten wir einen Kreis uns riefen unseren Schlachtruf, so laut wir konnten. Auf dem Spielfeld hörten wir das Jubeln der Grünwalder Ritter. „Das klingt nach einer Revanche.“, grinste Leon und ich erwiderte grinsend: „Ja, aber dann schießen wir sie auf den Mond.“ Maxi sah mich mit leuchtenden Augen an: „Und danach direkt in die Hölle!“

~Meine Beine, meine Seele~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt