Kapitel 18

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Aufgeregt ging ich durch die Straßen Grünwalds. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Die Sonne schien lauwarm auf mich herab und der Himmel war beinahe wolkenlos. Friedlich zwitscherten die Vögel ihre Melodien, während bunte Schmetterlinge fröhlich umherflatterten. Endlich bog ich in die piekfeine alte Allee ein. Schon von weitem konnte ich weiße Luftballons am Tor des Hauses Nummer 1 ausmachen, die sich langsam im warmen Wind bewegten. Ich beschleunigte meine Schritte und joggte schon fast. Mein hellblaues Kleid, zu dem ich passende Ballerinas trug, flog im Wind und meine Haare, die meine Mutter halb hochgesteckt hatte, taten es ihm gleich. Vorfreude und Aufregung kribbelten immer mehr auf meiner Haut und schließlich stand ich vor dem Eingangstor von „Tippkicks“ Zuhause. Ungeduldig drückte ich die Klingel und zwang mich mit aller Kraft still stehenzubleiben. Wie immer summte und brummte das hellgraue Eisentor und erstattete mir Eintritt. Langsam ging ich ein paar Schritte und kurze Zeit später öffnete sich die Haustür der piekfeinen alten Allee Nummer 1. Maxi stand lächelnd im im Türrahmen. Als er mich von oben bis unten betrachtete verstärkte sich sein Lächeln mit jeder Sekunde. „Wow!“, war das einzige, was er herausbrachte. Ich errötete und erwiderte „Tippkicks“ Lächeln. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, den er auch bei seinem Vater in der Bank getragen hatte, und seine Haare waren leicht zurückgegelt. „Willst du mich nicht hereinbitten?“, grinste ich, als Maxi mich weiterhin anstarrte, als wäre er eingefroren. Der Junge schüttelte seinen Kopf, um von seiner Erstarrung loszukommen, trat zur Seite und bedeutete mir mit einer Handbewegung ihm zu folgen.

Ich blickte mich staunend um. Maxi war grinsend aus meinem Blickfeld getreten und nun war ich im Türrahmen der Terrassentür zu einer Statue erstarrt. Obwohl „Tippkicks“ Garten nicht besonders groß war, standen einige runde Tische auf dem Gras und wurden von ebenfalls weißen Tischdecken veredelt. In der Mitte der Tische stand jeweils eine schlichte Deko aus Blumen und Kerzen. Auf den schneeweißen Stühlen, die um die Tische herumstanden, hatten bereits einige Gäste Platz genommen und unterhielten sich angeregt. In den Bäumen, die an den Zaun des Gartens grenzten, hingen Luftballons und Lichterketten. Auf der Terrasse, vor der wir nun standen, erblickte ich eine weiße Hochzeitstorte, die mit bunten Blumen geschmückt war. Auch anderes Gebäck füllte das Buffet neben dem Kuchen. Nerv, der zuvor von einer Gruppe von edel gekleideten Frauen umgeben gewesen war, rannte nun erleichtert zu uns und riss mich aus meiner Starre. Auch er trug einen dunkelgrauen Anzug mit passender Fliege. „Verflixt, ihr habt mir das Leben gerettet.“, keuchte er und deutete dann auf die Damen, die ihn zuvor umzingelt hatten, „Die sind ja schlimmer als Rabans Cousinen!“ Maxi und ich mussten lachen, als wir den verzweifelten Gesichtsausdruck des kleinen Jungens sahen. Doch unser Lachen blieb uns im Halse stecken, denn wir wurden zur Seite gezogen, sodass der Türrahmen der Terrassentür nun frei war. Alle Gäste sahen gespannt in den Flur des Hauses, aus dem Schritte klangen. Aufgeregt und instinktiv griff ich Maxis Hand, woraufhin mich der Junge mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Einige Sekunden später erschien ein langes weißes Kleid, das der Hexe von Bogenhausen gehörte. Sie hielt die Hand von Herrn Maximilian, der einen schwarzen Anzug mit ebenfalls schwarzer Krawatte trug und seiner Frau folgte. Ein Raunen und Jubeln schwappte durch die Menge, als sich das frisch verheiratete Ehepaar küsste. Nur Nerv flüsterte angeekelt: „Ich glaub mir wird schlecht.“ Anschließend nahm Herr Maximilian ein Messer und legte es an die Torte. Die Hand der Hexe von Bogenhausen thronte auf der seinen. Das Messer glitt durch die Torte und das Ehepaar navigierte das Stück lachend auf einen Teller. Ich seufzte. Ich hätte niemals gedacht, dass ich Nervs Mutter und Maxis Vater jemals so glücklich sehen würde. Die Hexe von Bogenhausen strich sich einige Locken, die Teil ihrer Hochsteckfrisur waren, aus dem Gesicht, als Herr Maximilian eine Gabel mit einem Teil des Tortenstückes auf ihren Mund zubewegte. Seine Frau tat es ihm gleich und fütterte ihn ebenfalls mit einem Stück. Erneut jubelten die Gäste, während sich das Ehepaar nur verliebt anschaute, als wollte es die jeweiligen Gedanken austauschen. Damit war das Buffet eröffnet und Nerv war mit Abstand der Erste, der sich ein Gebäck nach den anderen auffüllte und schließlich einen ganzen Berg auf seinem Teller hatte. Maxi und mich zog es zum Schokobrunnen, neben dem verschiedenste Früchte und Holzspieße aufgestapelt waren. „Tippkick“ spießte eine Erdbeere auf und hielt sie unter den Brunnen. Die ummantelte Frucht hielt er mir vor mein Gesicht, woraufhin ich erst zurückwich. Doch dann musste ich aufgrund der Schmetterlinge in meinem Bauch, die mich kitzelten, grinsen und ließ mich von Maxi füttern. Anschließend tat ich das gleiche für ihn, woraufhin wir beide die Frucht genießend kauten und die Schokolade auf unseren Zungen zerfloss. Schließlich testeten wir uns durch alle Früchte durch und konnten kaum genug kriegen.

Nach einiger Zeit unterbrach Nerv uns mit einem Fußball unter dem Arm: „Wollt ihr euch hier etwa so lange die Bäuche vollschlagen, bis ihr selbst als Bälle durchgeht? Los, lasst uns abhauen und kicken.“ Erst mussten wir grinsen, doch Nerv hatte Recht. Leise schlichen wir zum Gartenzaun der piekfeinen alten Allee Nummer 1 und stiegen unbemerkt darüber. Anschließend krochen wir heimlich durch ein Loch, das in einer Reihe von Büschen prangte, und ich war mir sicher, dass „Tippkick“ diesen Weg nicht zum ersten Mal benutzte. Hinter der Blätterbarriere lag eine große freie Grasfläche, die umgeben von Bäumen und Büschen war und an den Waldrand grenzte. Sofort rannten wir los und schossen den Ball vor uns her. Es gab zwar keine Spielregeln, doch nach ein paar Minuten war es unser Ziel geworden das Leder so lange wie möglich zu behalten. Während wir spielten bemerkten wir nicht, dass es auf der Grünfläche einige Pfützen gab, die den Schlamm auf unsere Anziehsachen spritzten und sie verdreckten. Doch selbst wenn wir dies bemerkt hätten, wäre es uns vermutlich egal gewesen. Wir dachten nicht an die Worte unserer Eltern, wenn wir zurückkommen würden. Wir dachten auch nicht an die Blicke der Gäste, die bestimmt mehr als schockiert sein würden. Wir dachten nur ans Fußballspielen. Und selbst als wir später außer Atem unter einem Baum am Rande der Wiese lagen kreisten unsere Gedanken nur darum. Das hieß, Nerv und Maxi befassten sich vermutlich damit. Ich selbst dachte an gar nichts. Ich genoss einfach nur den Augenblick. Ich genoss die Sonnenstrahlen, die auf uns fielen und die Blätter, die tanzende Schatten auf unseren Körpern erzeugten. Aber vor allem gefiel mir „Tippkicks“ Anwesenheit. Er lächelte mich schweigend an und konnte seinen Blick nicht von mir abwenden. Doch das bemerkte ich nicht.

Hey, vielen Dank fürs Lesen des Kapitels. Es tut mir sehr leid, dass so lange kein Kapitel mehr kam, aber ich hatte weder die Zeit noch die Motivation weiterzuschreiben. Ich werde mir Mühe geben wieder mehr zu schreiben. Ich hoffe ihr verzeiht mir. 😂
Frohes neues Jahr! 💕

~Meine Beine, meine Seele~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt