„Du musst vorsichtig sein, Lotte. Bereits kleine Bewegungen erzielen große Ergebnisse.", wies ich sie an und trat langsamer auf das Pedal der Töpferscheibe. Wir saßen in der hintersten Ecke des Gartens, draußen vor dem kleinen, blaugestrichenem Schuppen, der von Brombeeren überwuchert war. Verena war ins Café der nächsten Stadt gefahren und meine Mutter war am Meditieren, also passte ich auf Lotte auf. Allerdings saß auch Frieda nur wenige Meter entfernt auf der Schaukel unter der Kastanie und schaute immer wieder prüfend zu uns herüber, während sie zeichnete. Ich war mir nicht sicher, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie gerade heimlich eine Skizze von mir anfertigte. Mit Lotte eine Schale zu töpfern klappte nicht sonderlich gut, sie war noch zu jung und ihre Hände viel zu winzig. Deswegen ließ ich sie mit einem einfachen Tonklumpen spielen und ging Richtung Schaukel.
„Machst du einen Deal mit mir?", fragte ich Frieda. Sie zuckte zusammen und klappte ihren Zeichenblock zu. Trotzdem hatte ich einen Blick auf das Bild erhaschen können, es war tatsächlich eine Skizze von mir. „Ich weiß nicht, bist du so eine vertrauenswürdiger Geschäftspartnerin?". Ich nickte bekräftigend. „Allerdings! Du solltest einwilligen.". In ihren Augen blitze Schalk auf, sie schien heute wieder offen für Spielchen zu sein. „So so, sollte ich das?". „Ja, ich töpfere mit dir und du malst im Gegenzug ein Bild von mir.", schlug ich vor. „Ich weiß nicht, ob ich gut genug darin bin.". „Mehr als das.", erwiderte ich und hockte mich vor ihr hin. Meine Finger wanderten langsam über ihren Oberschenkel, bis hin zum Saum ihres kurzen Sommerkleides. Und noch weiter. Sie hielt die Luft an. „Sag ... bitte ... ja.", flüsterte ich.
Unerwartet beugt sich Frieda zu mir vor und ihre Hand griff nach meinem Hals, ganz sanft umschloss sie meine Kehle und zog mich näher heran. Wahrscheinlich spürte sie meinen rasenden Puls ganz deutlich. „Wenn du talentiert im Töpfern bist, worauf warten wir dann noch?". Sie stand auf und ging hinüber zum Schuppen. Ich liebte diese Seite an ihr, die sie leider nur manchmal durchblitzen ließ. Es machte sie so begehrenswert für mich, dass sie mir auf charmante Weise die Stirn bieten konnte. Und ich war verrückt danach, verrückt nach ihr.
Frieda hatte bereits auf dem Hocker vor der Töpferscheibe Platz genommen, während ich einen neuen Klumpen Ton aus dem Schuppen geholt hatte. Ich setzte mich hinter sie, rutschte dicht an sie heran und fädelte meine Arme unter ihren durch. Da sie kleiner als ich war, konnte ich ihr perfekt über die Schulter schauen. Wir befeuchteten unsere Hände mit genügend Wasser und begannen gemeinsam eine Schüssel zu formen. Unsere Finger glitten behutsam über den feuchten Ton und vollbrachten kleine Kunstwerke. Irgendwann hatte ich meinen Kopf auf ihrer Schulter abgelegt. Sie duftete angenehm nach Jasmin, Maiglöckchen und frisch gewaschener Wäsche. Es blieb nicht nur an einer Schüssel, am Ende hatten wir eine kleine Kollektion in einem dezenten Stil entworfen, die wir nach dem Brennen auch noch anmalen würden. Frieda hatte ihrer Kreativität freien Lauf gelassen, ich hatte nur ein wenig ihre Bewegungen gelenkt.
Wir nahmen die verschmierten Schürzen ab und betrachteten zufrieden unsere Kreationen. „Wie wollen wir die Kollektion nennen?", fragte ich. Sie überlegte. „Hmmm, vielleicht Meeresbrise?". „Klingt gut, ich muss gleich noch ein paar Kunstwerke nach Villeby bringen, die meine Mutter neulich getöpfert hat. Mögt ihr mitkommen?". Noch bevor Frieda antworten konnte, kam Lotte zu uns gerannt und rief: „Jaaa! Ich will!". Sie schaute mit den niedlichsten Kulleraugen, die ich je gesehen hatte, zu ihrer Schwester hoch. „Wir gehen mit, oder Fredie?". Sie lächelte gutmütig. „Ja Süße, wir kommen mit.".
DU LIEST GERADE
𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐮̈𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐢𝐬𝐭
General FictionOder was bleibt, wenn der Sommer endet? Über Maja, die Sonnenschein in menschlicher Form gleicht, und Frieda, die mistendes genauso geheimnisvoll wie das Meer ist. Gemeinsam erleben sie zahlreiche, unvergessliche Marmeladenglasmomente und Postkarte...