In der Mitte der Sommerferien fand das Piratenfest statt. Also dieses Wochenende. Der Dorfkern und der Hafen waren mit Wimpelketten geschmückt worden, die Fress- und Spieldbuden waren bereits aufgebaut, die Akkordeonspieler hatten fleißig geübt- alles war startklar für heute Abend. Das Einzige, was noch fehlte, waren unsere Kostüme, denn es gehörte zur Tradition mit dazu. Vor mehreren Jahrhunderten, so erzählte man sich es jedenfalls, waren die ersten Siedler auf diesem Grund Piraten gewesen, die anschließend unser Dorf gegründet hatten. Und deswegen feierten wir einmal im Jahr das Piratenfest, zu Ehren unserer Vorfahren. Vielleicht war die ganze Geschichte aber auch einfach nur erfunden, so genau wusste das keiner.
Ich stand mit Frieda auf unserem chaotischen Dachboden. Staub kitzelte in der Nase, die Luft war abgestanden. Das einzige Licht fiel von draußen durch ein paar Dachluken. Den meisten Platz nahmen zugedeckte Kunstwerke aus aller Welt ein, die meine Mutter von ihren vielen Reisen mitgebracht hatte. Sie war mein Vorbild, in dieser Hinsicht. Nicht, was ihren Geschmack bei Männern anging.
Endlich fand ich unter dem ganzen Gerümpel die alte Holztruhe. Total verstaubt und verrostet, wie jedes Jahr. Ich wischte sie mit einem der Laken sauber und öffnete sie knarrend. In ihr befanden sich allerhand Kostüme und Requisiten aus den Schauspielerzeiten meiner Mutter. Von mittelalterlichen Gewändern, über Kochmützen und Degen, bis hin zu Polizeiuniformen und barocken Kleidern- Es gab kein Kostüm, was man nicht anhand dieses Sammelsuriums irgendwie zusammenstellen könnte. „Auf Los geht's los!", rief ich freudig und wir begannen die Truhe nach geeigneten Teilen zu durchwühlen.
Wenig später hatte jede von uns einen kompletten Look zusammengestellt. Frieda stand vor dem großen goldenen Spiegel, der schon ziemlich mitgenommen aussah und von ein paar Rissen durchzogen wurde. Sie betrachtete sich kritisch in dem hellblauen, weit schwingendem Rock, den sie sich ausgesucht hatte. „Warte, ich helfe dir!", sagte ich, als ich bemerkte, dass sie Schwierigkeiten mit der Schnürung hatte. Ich trat hinter sie und begann den die Bänder vom Rock festzuziehen, der ihr am Bund natürlich eigentlich viel zu groß war. „Danke.".
Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. „Gefällt er dir?", fragte ich und richtete noch ihre BH-Träger, die sich verdreht hatten. Meine Hände strichen über ihre nackten Schultern. „Ja, sehr. Ich mag die Farbe.", antwortete sie. Ich trat noch näher an sie heran, platzierte meine Hände vorsichtig an ihrer schmalen Taille und flüsterte direkt in ihr Ohr: „Und gefällst du dir?". Sie bekam eine Gänsehaut. „Mehr als noch vor einer Woche.". „Da eine Steigerung hinzubekommen, war ja auch nicht besonders schwer.", gab ich zu und musste lachen, als sie mich empört anschaute. „Tut mir leid, tut mir echt leid, okay?". Frieda sah mich immer noch gespielt beleidigt durch den Spiegel an. Sie konnte eine ganz schöne Schnute ziehen. Zur Wiedergutmachung verteilte ich ein paar Küsse auf ihrem Hals, bis sie lächeln musste. „Ich kann auch noch weiter nach unten gehen...", murmelte ich. Sie hielt die Luft an. Meine Hände packten ihre Hüften, besser gesagt ihre Hüftknochen. „Vergiss nicht Luft zu holen, Baby. Ich werd dir später noch genug den Atem rauben.". Ihre Wangen röteten sich und ich ließ von ihr ab, um die viktorianisch angehauchte Bluse zu holen. Zufrieden grinste ich in mich hinein. Was heute Abend passieren würde, stand nicht mehr in den Sternen.
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𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐮̈𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐢𝐬𝐭
Genel KurguOder was bleibt, wenn der Sommer endet? Über Maja, die Sonnenschein in menschlicher Form gleicht, und Frieda, die mistendes genauso geheimnisvoll wie das Meer ist. Gemeinsam erleben sie zahlreiche, unvergessliche Marmeladenglasmomente und Postkarte...