12. Die Bierglasbucht

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Die Heidbrinks waren nun schon seit zwei Wochen unsere Gäste, was auch bedeutete, dass wir nur noch vier Wochen für die Bucketlist übrig hatten

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Die Heidbrinks waren nun schon seit zwei Wochen unsere Gäste, was auch bedeutete, dass wir nur noch vier Wochen für die Bucketlist übrig hatten. Heute war ein weiterer, unerträglich heißer Sommertag. Und wo verbrachte man den am besten? Am Strand natürlich. Jedenfalls war das unser Plan, doch als Frieda und ich den Strand betraten, blieben wir erschrocken stehen. Jemand hatte hier mal wieder seinen Müll abgeladen, etwa einmal pro Monat kam es vor. „Das passiert öfter, manche Idioten begreifen einfach nicht, dass Müll nicht in die Natur gehört.", seufzte ich und begann ein paar Verpackungen aufzusammeln. „Und das lasst ihr einfach so zu?", fragte Frieda und reichte mir zerdrückte Getränkedosen. „Naja, es ist nicht unser Grundstück und außerdem haben wir keine Ahnung, wer hier am Werk ist.". Sie schaute fassungslos auf den gesammelten Berg aus Müll. „Als wenn eine saubere Umwelt nicht für ein schönes Leben verantwortlich wäre.".

Nachdem wir den Müll aufgesammelt hatten, wollten wir schnellstmöglich ins kühle Meer. Jedenfalls wollte ich das und stand schon im gepunkteten Badeanzug da, während Frieda noch gar nicht angefangen hatte, sich auszuziehen. Ich sah sie unauffällig von der Seite an. Sie haperte mit sich, mit sich und ihrem Körper. Nur langsam glitt das Sommerkleid an ihr herab. Darunter kamen ein hellblauer Bikini und porzellanfarbene, makellose Haut zum Vorschein. Sie war sehr feingliedrig gebaut, das war mir bewusst gewesen, doch ich hatte nicht damit gerechnet, beinahe ihre Rippen zählen zu können. Es stimmte mich nachdenklich. Sie aß doch genug, oder? Ich schüttelte mit dem Kopf über meine eigenen Gedanken. Nur weil jemand dünn war, es hieß ja nicht gleich, dass eine Essstörung oder ähnliches vorlag. Scheiß gesellschaftliche Vorurteile!

„Wer als erster im Wasser ist, hat einen Wunsch frei!", rief ich und rannte bereits los. Frieda versuchte mich einzuholen, doch hatte natürlich keine Chance. „Ey, das war total unfair!", beschwerte sie sich und kam eilig zu mir geschwommen. „Pech gehabt, musst du beim nächsten Mal eben schneller sein!". Ich streckte ihr die Zunge raus. Sie erwiderte die Geste und spritze mich nass. Innerhalb weniger Minuten entstand ein kleiner, kindischer Wasserkrieg, der erst endete, als wir uns beide prustend ergaben. „Und, wie lautet dein Wunsch?", fragte sie und hielt mich noch immer an den Schultern fest. „Ich will dich entführen.". Sie lachte. „Das machst du doch schon die ganze Zeit!". „Weil's mir eben so gut gefällt!", erwiderte ich lächelnd und forderte sie mit einer Handbewegung zum Folgen auf.

Wir schwammen ein paar Meter, bis wir an einer kleinen Bucht ankamen, die nur vom Wasser aus erreichbar war. Die Bierglasbucht, auf den Namen hatte ich sie getauft. Es gab nur einen winzigen Sandfleck, der Rest bestand aus Steinen und eben Glasscherben, die im Sonnenlicht schimmerten. „Das hier ist die Bierglasbucht, fast niemand weiß von ihrer Existenz.", sagte ich. Wir tapsten vorsichtig über die größeren Steine und Felsen, die aus dem Wasser ragten, um zu dem Sandfleck zu gelangen. „Die Bierglasbucht?", hakte Frieda nach und schaute sich neugierig um. „Ja, ich habe sie so benannt. Vor vielen Jahren, nicht weit von hier entfernt, ist ein Frachter auf einer Sandbank aufgelaufen. Er ist umgekippt und die ganzen Bierflaschen, mit denen er beladen war, sind ins Meer gefallen. Die Flaschen wurden in die Bucht gespült, sind an den Felsen zerschellt und die Scherben wurden mit der Zeit geschliffen.". Sie hob ein paar der grünen Glasscherben auf, um sie genauer betrachten zu können. „Die sehen fast aus wie Jade.", bewundert streckte sie mir ihre vollen Hände entgegen. „Mit viel Fantasie und aus der Ferne, ja.". Ich setzte mich in den Sand und beobachtete Frieda dabei, wie sie eine Scherbe nach der anderen aufhob und die Einzigartigkeit jeder einzelnen bestaunte. Natürlich sah sie dabei total süß aus, ungefähr so glückliche wie ein Kind im Spielzeugladen.

Nach der kleinen Entdeckungstour machten wir es uns zurück am Strand auf einer Decke im Sand gemütlich und ließen unsere Körper von der Sonne bescheinen. Frieda lag auf dem Bauch dicht neben mir. Ich drehte mich auf die Seite und streckte vorsichtig meine Hand aus. Als meine Finger ihren Rücken berührten, zuckte sie kaum wahrnehmbar zusammen. Wahrscheinlich befand sie sich im Halbschlaf, erschöpft von den heutigen Erlebnissen. Behutsam begann ich, Buchstaben auf ihre weiche Haut zu malen. Es war ein Satz, bestehend aus drei bedeutungsvollen Wörtern. Zumindest noch für die ältere Generation.

„War es etwas wichtiges?", flüsterte Frieda verschlafen und drehte ihren Kopf zu mir. „Nein, nur belangloses Gekritzel.", antwortete ich. Nur ich liebe dich. „Dann ist ja gut, ich hab fast nichts mitbekommen.". Sie legte sich wieder bequem hin und schloss die Augen. Ich schaute sie mir noch eine ganze Weile an. Auf ihrer Nase hatten sich weitere Sommersprossen gebildet, ihre Wangen waren von der frischen Luft gerötet. In ihren feuchten Haaren hatten sich ein paar Sandkörner verirrt.

Ich dachte an meine bisherigen Beziehungen, die letzten Flirts. Alle hatten hauptsächlich aus körperlicher Nähe bestanden, aber niemals aus dieser seelischen Verbundenheit. „Voreinander blank ziehen" im Sinne von „Ich mach mich nackig" und nicht „Ich erzähl dir von meinen tiefsten Gedanken". Schade, irgendwie.

𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐮̈𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐢𝐬𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt