18. Wunschlos Glücklich

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Das Piratenfest war immer noch im vollen Gange, allerdings hatte die jüngere Generation übernommen

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Das Piratenfest war immer noch im vollen Gange, allerdings hatte die jüngere Generation übernommen. Senioren und Familien mit ihren Kindern waren schon längst Zuhause. Musik wummerte aus großen Boxen, Fackeln erleuchteten den Strand und Getränke wurden am laufenden Band nach geschenkt. Irgendjemand machte Zuckerwatte, irgendwo wurde Gras geraucht und aus weiter Ferne hörte man noch einen einsamen Akkordeonspieler. Frieda und ich bewegten uns eng umschlugen auf der Tanzfläche. Auch, wenn ich sie dazu mit einer riesengroßen Zuckerwatte hatte bestechen müssen.

Um Mitternacht standen wir an einer der Feuertonne, die am Strand verteilt waren. Das brennende Holz knisterte, der Sternenhimmel war klar und die Musik ging langsam Richtung Schmusesongs. Endlich. Unsere Kostüme saßen nicht mehr richtig, die Stiefel hatten wir irgendwann ausgezogen. Wir tanzten barfuß im Sand. Ich hatte meine Arme um Friedas Hals geschlungen, ihre Hände ruhten an meinen Hüften. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast, so nah waren wir uns. Ich wartete sehnlichst auf den richtigen Moment. Apocalypse von Cigarettes After Sex wurde gespielt. Es war so weit. Jetzt oder nie. Ich schaute ihr erst in die Augen, dann auf ihre Lippen und wieder in die Augen. Wir bewegten uns langsam im Takt. Vorsichtig beugte ich mich noch weiter vor und legte meinen Kopf leicht schief. Normalerweise war ich vor einem Kuss überhaupt nicht aufgeregt, aber hier war es anders. Nur noch ein  paar Zentimeter fehlten, mein Atem beschleunigte sich.

„You're lips, my lips, apocalypse"

Und ich küsste sie. Ganz sanft, kaum spürbar. Sie hatte die Augen geschlossen. Unsere Lippen trafen sich erneut, noch mal, immer wieder- es war kein Ende in Sicht. Die Küsse schmeckten wunderbar süß, nach rosa Zuckerwatte. Wir wurden inniger, verlangten mehr, bis wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit keuchend von einander lösten. „Du, Maja?", flüsterte Frieda direkt in mein Ohr. „Hmmm?", ich war noch ganz beseelt. „Das war mein geheimer Wunsch, ein Kuss mit dir.". Ich lächelte zufrieden und zog sie an der Taille dichter zu mir heran. „Es wird nicht bei einem bleiben.". Und das blieb es auch nicht.

Wir liefen barfuß auf dem Gras, schwankten leicht hin und her. Mit der geplanten Nüchternheit hatte es nicht so ganz geklappt. Es war irgendwann morgens. Die unklarer Zeit zwischen Nacht und Tag, das Morgengrauen. Die Sonne war erst dabei langsam aufzugehen, die Vögel waren gerade dabei zu erwachen. Es herrschte verschlafene Stille in der Natur. Freunde von mir hatten uns an dem Kiesweg abgesetzt, der zur Pension führte, doch wir waren irgendwie vom Weg abgekommen und standen nun mitten auf einer endlos erscheinenden Wiese. „Also hier sind wir definitiv nicht richtig.", nuschelte Frieda. Ihre braunen Haare waren zerzaust, an ihrem blassen Hals prangte ein Knutschfleck. Sie trug nur noch ein Unterhemd und den weißen Unterrock. Auch ich hatte irgendwann im laufe der Nacht die Hälfte meines Kostüms verloren, war nur noch mit dem Dreispitz und der schulterfreien Bluse bekleidet, die vielleicht gerade so als Minikleid durchging. Insgesamt sahen wir wahrscheinlich ziemlich fertig aus. „Ich hab echt keine Ahnung, wo wir gerade sind.", gab ich zu. Sie schaute mich verwirrt an. „Aber du wohnst doch hier!". Ich seufzte. „Ja, aber es gibt tausend Wiesen! Woher soll ich wissen, auf welcher wir sind? Die haben doch alle das gleiche blöde Gras!".

Frustriert setzte ich mich neben sie auf den Boden, als ich plötzlich auf verschwommene, gelbe Punkte am Horizont aufmerksam wurde. „Ich weiß doch, wo wir sind!", rief ich. Ein ersehnter Energieschub durchflutete mich. „Zuhause?", fragte Frieda hoffnungsvoll. Ich rappelte mich auf. „Nein, noch viel besser! Komm mit!". Sie schaute mich erst gequält an, nahm dann aber meine Hand.

Meine Vermutung bestätigte sich: Ein Meer aus Sonnenblumen bereitete sich vor uns aus. Mit letzter Kraft führte ich uns kreuz und quer durch das riesige Feld, bis wir an einem Fleckchen Gras, ungefähr in der Mitte, ankamen. Wir legten uns einfach auf den Boden, der deutlich weicher war, als er aussah. Frieda kuschelte sich an mich und ich begann über ihren Kopf zu streicheln. Obwohl wir der Natur ausgesetzt waren, fühlte ich mich so geborgen, wie lange nicht mehr. Alltagsprobleme, Geld, Zeit- das war gerade alles total egal. Nur wir zählten in diesem Moment. Irgendwann schliefen wir ein, Arm in Arm, in mitten des Sonnenblumenfeldes, irgendwo auf dem Boden. Und wir waren so richtig wunschlos glücklich.

𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐮̈𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐢𝐬𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt