Anfang der letzten Ferienwoche war Isas Geburtstag. Sie hatte uns und Ole auf eine Runde Cocktails in die Strandbar eingeladen, in der Maja arbeitete. Entspannte Musik lief im Hintergrund, die Bar war überraschend leer. Draußen stürmte es gewaltig und graue Wolken verdeckten den Himmel. Ein Unwetter stand bevor.
„Du verstehst dich gut mit dieser Mila, oder? Ihr verbringt viel Zeit zusammen.", sprach meine Mutter plötzlich und schaute für ein paar Sekunden von ihrem Handy auf. Nur noch wir saßen an einem der Tische. Lotte zupfte ein paar Meter weiter an einer der künstlichen Palmen herum. „Ihr Name ist Maja.", nervös rührte ich in meinem Eistee herum. Worauf wollte sie hinaus? „Die ganze Familie, wenn man das ohne Vater überhaupt so nennen kann, erscheint mir etwas ... durch geknallt, beinahe unzivilisiert.", redete sie weiter und nickte mit dem Kopf in Richtung der Mielands. Isa und Ole unterhielten sich angeregt mit Maja, die hinter der Theke stand und Getränke mixte. Sie lachten laut, gestikulierten wild und schnitten Grimassen. Maja bemerkte meinen Blick und grinste mich an. Ich lächelte zurück und schenkte dann wieder meiner Mutter Aufmerksamkeit, die mich skeptisch beäugte und an ihrem Cosmopolitan nippte. „Verstehe mich nicht falsch Frieda, aber ihr habt doch nicht etwa bewusstseinserweiternde Substanzen eingenommen, oder? Deine Pupillen sind geweitet, deine Wangen sind rosig und du wirkst aufgedreht- So kenne ich dich ja gar nicht!". Ich wusste nicht, was ich schlimmer finden sollte; Dass sie mir Drogenkonsum unterstellte, oder, dass sie mich anscheinend noch nie in einer heiteren Stimmung erlebt hatte. „Ich bin einfach nur glücklich, Mama.", antwortete ich. Und verliebt.
„Soll das ein Vorwurf sein? Ich gebe jeden Tag mein Bestes, Karriere und zwei anstrengende Kinder unter einen Hut zu bringen. Und das ist der Dank?! Diese Bauerntrampel haben einen schlechten Einfluss auf dich!". Meine Mutter zückte einen Taschenspiegel und zog ihren Lippenstift nach. Sie seufzte theatralisch und redete weiter: „Sein Bestes geben ist in dieser Welt manchmal einfach nicht genug. Apropos, wie ist dein Notendurchschnitt dieses Jahr? Ich hatte noch keine Zeit, dein Zeugnis durchzusehen.". Ich senkte meinen Blick. „ 1,6.". Ohne sie anzusehen wusste ich ganz genau, dass sie ihre Augenbraue wieder so komisch nach oben zog. „Da ist noch eindeutig Luft nach oben, das weißt du. Unsere ganze Familie hat ihr Abitur mit 1,0 bestanden. Du willst uns doch nicht enttäuschen...". Ich schnappte mir mein leeres Glas und stand auf. „Vielleicht ist einfach mal Zeit für Veränderungen. Du willst doch nicht krampfhaft an der Vergangenheit festhalten, oder? Davon kriegt man ganz böse Falten!". Siegessicher, aber auf wackeligen Beinen, marschierte ich zur Bar. Noch nie hatte ich meinen Eltern widersprochen, doch irgendwann war ja bekanntlich immer das erste Mal.
Ich setzte mich auf einen der Barhocker. Meine Mutter und Lotte waren gegangen und auch Isa und Ole schienen sich zu verabschieden. „Na schöne Frau, was darfs sein? Sex on the beach wohlmöglich?", fragte Maja und zwinkerte mir zu. Wir waren nun fast alleine in der Bar. Sie musterte mich einen Moment. „Alles klar, Baby?". Ich schüttelte mit dem Kopf und begann mit der Muscheldeko auf dem Tresen herumzuspielen. „Du hattest Stress mit deiner Mutter, hm? Mach dir nichts draus, das Einzige, was euch vielleicht verbindet, ist dieselbe Blutgruppe.", sie schob mir einen Teller entgegen. Darauf lag ein Keks mit einem zermatschten Smiley aus Zuckerguss. „Der lächelt ja nicht mal.", bemerkte ich. Sie grinste verschwörerisch. „Aber du tust es. Mission erfüllt.".
Nach dem Ende ihrer Schicht hatten wir beide noch nicht nach Hause gewollt, deswegen knutschten wir in ihrem Partybus. Irgendwo an der Küste mit Blick aufs unruhige Meer. Regen prasselte lautstark auf uns ein, der Wind schaukelte das Auto ein wenig hin und her. Aus der Ferne war Donnergrollen zu hören. Plötzlich hörte Maja auf mich zu küssen „Lass uns im Regen tanzen!". Ich schaute sie verwirrt an. „Aber dann werden wir doch total nass.". Sie rollte mit den Augen, öffnete die Schiebetür und sprang hinaus. Innerhalb kürzester Zeit war sie komplett durchnässt. Glücklich drehte sie sich im Kreis, mit dem Gesicht zum Himmel gewandt. „Komm raus Friedachen, du bist doch nicht aus Zucker! Obwohl du süß genug wärst.", sie gab mir einen Kuss und zog mich dann hinaus in den strömenden Regen. Zusammen hüpften wir um den Van herum, erfanden einen ganz eigenen Tanz und versuchten Tropfen mit der Zunge zu fangen. Bei ihr konnte ich alles Negative vergessen. Egal wie schlecht mein Tag war, sie brachte mich immer zum Lächeln. So jemanden sollte man behalten.
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𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐮̈𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐢𝐬𝐭
General FictionOder was bleibt, wenn der Sommer endet? Über Maja, die Sonnenschein in menschlicher Form gleicht, und Frieda, die mistendes genauso geheimnisvoll wie das Meer ist. Gemeinsam erleben sie zahlreiche, unvergessliche Marmeladenglasmomente und Postkarte...