24. Lass uns träumen

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„Nicht gucken!", ermahnte mich Frieda erneut, als sie mich die knarzende Treppe zum Dachboden hinaufführte

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„Nicht gucken!", ermahnte mich Frieda erneut, als sie mich die knarzende Treppe zum Dachboden hinaufführte. Sie hatte eine Überraschung für mich geplant und mir deswegen die Augen verbunden. Vorsichtig kletterte ich durch die Luke und ließ mich von ihr auf etwas Weiches bugsieren. Der Regen prasselte in einer angenehmen Lautstärke aufs Dach, es gewitterte in der Ferne. „Und jetzt, Augen auf.", sie nahm mir das Tuch ab und ich schaute mich staunend um. Ich saß auf einer Matratze, die mit Decken und Kissen beladen war, mitten auf dem Dachboden, der nur von Kerzen erleuchtet wurde. Frieda hatte eins der weißen Lacken als Leinwand vor uns aufgehängt. Darauf flimmerte ein Video von mir als Kind, in dem ich einen Elefanten im Zoo fütterte. Meine Mutter hatte mich damals hochheben müssen, da ich sonst gar nicht an das Tier herangekommen wäre. Das musste ungefähr dreizehn Jahre her sein. Ich schluckte schwer.

Ein Video, in dem ich Pinguine nachahmte, folgte. Frieda legte einen Arm um mich und ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter. „Ich weiß noch, dass ich an dem Fasching danach als Pinguin gegangen bin. Das war mein bestes Kostüm.", ich lachte und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie strich mir behutsam über den Rücken. „Deine Mutter, die mir hierbei übrigens sehr geholfen hat, hatte eine ganze Kiste voll mit unentwickelten Aufnahmen. Ich habe sie digitalisieren lassen.". Ich umarmte sie so stürmisch, dass wir auf die Matratze kippten und ich auf ihr lag. „Danke, Danke, Danke!", überglücklich verteilte ich Küsse auf ihrem Gesicht. „Eine bessere Überraschung hättest du mir gar nicht machen können!". Erst grinste sie mich vergnügt an, doch dann wurde ihr Gesichtsausdruck von Schwermut geplagt. „Es ist mein Abschiedsgeschenk an dich und gleichzeitig der letzte Punkt auf der Bucketlist.". Ich holte tief Luft und hob eine der Decken an. Sie kuschelte sich an mich. „Das macht es umso besonderer.". Gemeinsam sahen wir das Material an.

Kurz danach löste sich Frieda von mir. „Eigentlich war das noch gar nicht alles.", sie zog einen Zeichenblock und Stifte hervor. „Ein Töpferkurs gegen ein Bild, das war der Deal.". Ich musste lächeln und dachte an jenen vergangenen Sommertag, während ich aufstand und eine Platte mit alten französischen Liedern auf das verstaubte Grammophon in der Ecke legte. „Ja, ich kann mich erinnern. Allerdings würde ich gerne noch etwas hinzufügen.". Ich setzte mich mit dem Rücken zu ihr gedreht auf einen Hocker vor die Leinwand, auf der sich mein Schatten abbildete. Ihre Augen verfolgten jeder meiner Bewegungen gespannt. Langsam öffnete ich die Schleife meines Wickelkleides und ließ es zu Boden fallen. Sie schnappte kaum hörbar nach Luft. Ich drehte mich zu ihr, bauschte meine Haare noch mal auf und warf mich in eine laszive Pose. Ihre Blicke wanderten an mir auf und ab, sie biss sich auf die Lippe. „Für ein perfektes Bild werde ich den restlichen Abend brauchen.". Ich schmunzelte über diese kleine Lüge. „Das habe ich mir schon gedacht. Keine Sorge, ich werde mich nicht von der Stelle rühren.".

Es war spät geworden. Wir hatten den gesamten Abend in ungestörter Zweisamkeit verbracht. Die Kerzen waren ausgebrannt, zwei leere Rotweingläser standen auf dem Boden. Wir lagen auf der Matratze, die meisten Kissen und Decken hatten wir beiseite geschoben. Nur noch ein Seidenlaken bedeckte unsere Körper, es fühlte sich gut auf der nackten Haut an. Unsere Finger waren verschränkt, wir lauschten dem Regen. „Sag mir, was für immer ist.", flüsterte Frieda. Sie hatte ihren Kopf zu mir gedreht. Ich musterte ihr hübsches Gesicht für einen Moment. Ihre Augen glänzten im Mondlicht, das durch ein winziges Dachfenster direkt auf uns fiel. Wie gerne ich jeden Abend neben ihr einschlafen würde. „Eine Illusion.", meine Hand tastete nach ihrer Wange. „Ich mag Illusionen.". Natürlich, sie war eine Träumerin. Ich beugte mich weiter zu ihr und wisperte: „Ich weiß. Lass uns gemeinsam davon träumen.". Zaghaft trafen unsere Lippen aufeinander. Sinnliches Schweigen kehrte ein, indem wir beide unseren Gedanken nachhingen und wieder dem Regen lauschten.

„Maja?", hauchte Frieda in die Nacht hinein. „Hmm.". Beinahe war ich eingenickt. „Ich wollte dir schon die ganze Zeit etwas sagen, nämlich-.". Ich unterbrach sie leise: „Sprich es nicht laut aus, bitte.". „Aber ich-.", mein Finger versiegelte ihren Mund. Manche Dinge sollten lieber unausgesprochen bleiben. Zum Schutz für alle Beteiligten. „Ich dich auch Friedachen, ich dich auch.".

𝐖𝐚𝐬 𝐟𝐮̈𝐫 𝐢𝐦𝐦𝐞𝐫 𝐢𝐬𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt