Oder was bleibt, wenn der Sommer endet?
Über Maja, die Sonnenschein in menschlicher Form gleicht, und Frieda, die mistendes genauso geheimnisvoll wie das Meer ist.
Gemeinsam erleben sie zahlreiche, unvergessliche Marmeladenglasmomente und Postkarte...
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Maja bog quietschend mit einem sonnenblumengelben VW T2 um die Ecke, an der Lotte und ich auf sie gewartet hatten. Highway to hell von AC/DC dröhnte viel zu laut aus den knisternden Lautsprechern. Sie grinste glücklich über beide Ohren und sah süß aus, mit der roten, herzförmigen Sonnenbrille. „Hereinspaziert, willkommen im Partybus!", rief sie durch die heruntergekurbelten Fenster und öffnete uns die Schiebetür. Lotte kletterte sofort auf eine der Sitzbänke, während ich noch etwas skeptisch den Oldtimer betrachtete. „Die Zeit läuft Friedachen, also beweg deinen süßen Hintern hier rein!", forderte sie mich erneut auf und hupte mehrmals. Zögerlich stieg ich ein und kaum hatte ich die Tür geschlossen, trat sie schon das Gaspedal durch. Bei Majas Fahrstil kam es mir wortwörtlich so vor, als wäre ich auf dem Weg zur Hölle. „Ich würde ja lieber andere Musik hören, doch diese Kassette klemmt fest, seitdem ich den Wagen hab!". Lachend streckte sie einen Arm aus dem Fenster und jubelte. „Das ist das Gefühl von Freiheit, meine Kinder!".
Wir hielten vor einem kleinen Geschäft nahe der Strandpromenade von Villeby. „Krimskrams & Tüddelüt" stand in geschwungenen Buchstaben auf einer großen, bunten Wimpelkette. Vor dem einzigen Schaufenster standen viele verschieden gemusterte Gummistiefel, in denen Blumen gepflanzt waren. Ich half Maja beim Tragen der Kisten mit Töpferware und staunte, als wir den Laden betraten. Vor den Wänden standen bodenlange Regale, die mit allen möglichen Dingen vollgestopft waren. Von Kerzen, über gehäkelte Mützen und bedruckten Stoffen, bis hin zu merkwürdig aussehenden Skulpturen. Auf dem Boden und auf Tischen standen Kisten und Körbe, vollgefüllt mit Ware. Es duftete nach Vanille und Zuckerwatte, fröhliche Gospelmusik lief im Hintergrund. Hinter dem winzigen Tresen entdeckte ich eine ältere, dunkelhäutige Frau, die sich mit Mühe dahinter gequetscht hatte. „Herzlich willkommen im Krimskrams & Tüddelüt, ein Sammelsurium an Kunsthandwerk! Wie kann ich-.", erst jetzt schaute sie zu uns auf und bemerkte, dass wir keine Neukunden waren. „Maja, wie schön dich zu sehen! Das ist doch bestimmt die neue Lieferung!", fragte sie und setzte sich die Lesebrille auf, die an einer Perlenkette um ihren Hals baumelte. „Schön wieder hier zu sein, Shari!", antwortete sie und hielt ihr freudig eine Kiste hin.
Nachdem wir alle Töpferwaren abgeliefert hatten und Shari uns mit Bonbons eingedeckt hatte, gingen wir zu Fuß zu einem kleinen Café an der nächsten Straßenecke, um nach getaner Arbeit Waffeln zu essen. Wir saßen an einem der pastellfarbenen Tische mit Blick aufs Meer. Es war immer noch ziemlich warm, doch ein gestreifter Sonnenschirm schützte uns vor der prallen Sonne. „Das sind die besten Waffeln in ganz Villeby!", rief Maja und stellte einen Teller mit einem Haufen frisch gebackener Waffeln und Vanilleeis vor uns ab. Sie riss ein Stück ab, bestreute es mit Puderzucker und hielt es mir hin. „Hier, ein Herz für dich.". „Deins oder eins?", hakte ich nach und steckte es mir in den Mund. Boa, es waren echt die köstlichsten Waffeln, die ich je gegessen hatte. „Such's dir aus Baby.", flüsterte sie, nahm eine Serviette vom Tisch und wischte damit einen Rest Puderzucker von meiner Wange. Ich schaute sie dankend an und wurde bestimmt total rot. „Ihr seid zwei tolle Spatzen!", beteiligte sich Lotte plötzlich an unserem Gespräch und matschte weiter in ihrem Eis herum. „Spatzen?", fragte ich verwirrt. Maja lachte. „Ich glaub, sie meint Turteltauben.".
Mir wurde ein wenig übel. Vielleicht weil ich zu viele Waffeln gegessen hatte, vielleicht auch, weil sich Angst in mir breit machte, dass auch andere Menschen die Anziehung zwischen uns bemerkten, denn ich hatte noch überhaupt nicht daran gedacht, mich zu outen. „Lotte, nur weil man sich gut versteht und Puderzucker vom Gesicht wischt, heißt es noch lange nicht, dass da mehr ist.". Nachdem ich das gesagt hatte, schaute ich unsicher zu Maja, doch ihr Blick war stur aufs Meer gerichtet.
Der Traumfänger am Rückspiegel tanzte im Wind. Lotte trug die herzförmige Sonnenbrille und war erschöpft eingenickt. Maja summte leise Melodien und ich saß nachdenklich auf dem Beifahrersitz. Alles war ruhiger, friedlicher geworden und der Himmel verfärbte sich langsam rosa. Ich sah sie an. Die roten Locken, die wie Herbstlaub in der untergehenden Sonne glitzerten. Die meerblauen Augen, die das kindliche Strahlen wohl nie verlieren würden. Ich sah sie an und mir wurde zum ersten mal bewusst, dass sie nie mein sein würde, dass kein märchenhaftes für Immer und Ewig auf uns wartete. Maja war ein Freigeist und niemand, mit dem man eine Familie plante und sich ein Haus am See und drei Katzen kaufen konnte. Es würde sie nicht glücklich machen. Wir waren vielleicht ein leichter Moment im Sommer, aber nicht die Ewigkeit bis zum Winter. Sie war „nur" ein Kapitelmensch und wahrscheinlich der größte Liebeskummer in meinem Leben. Ich hatte Angst vor dem Moment, indem ich sie loslassen musste. Was würde bleiben?
„Friedachen, alles klar bei dir? Du siehst so bedrückt aus.", riss Maja mich aus meinen Gedanken. Ich nickte und ließ meinen Blick aus dem Fenster schweifen. „Ja, alles bestens.". Sie tätschelte meine Schulter und lächelte mich aufmunternd an. „Alles wird gut und wenns noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.".