Kapitel 6

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Nicht einmal fünf Minuten später verließ Biggi das Büro. Langsam lief sie den Flur entlang und ihre Kollegen warteten bereits ein paar Ecken weiter. Sie hatten mitbekommen, wie Vera wütend den Flur entlang gekommen war. Thomas war ihr gezwungenermaßen gefolgt und die anderen hatten sich köstlich amüsiert. Da hatten sie ja noch nicht gewusst, dass Biggi vermeintlich dasselbe Schicksal wie Vera bevorstand.
"Da bist du ja!", freute sich Peter und nahm seine Kollegin in den Arm. "Du hättest sehen sollen, wie Vera grad vorbei gerauscht ist. Wie so ne Furie!", meinte der Schauspieler begeistert. "Ja eben, was haben die denn zu ihr gesagt?!", wollte nun Ralf wissen. "Sie ist raus.", antwortete Biggi, die nach wie vor regelrecht unter Schock stand. "Das geschieht ihr recht!", stellte Michael klar.
Biggi befreite sich aus Peters Umarmung und wich zurück. Gabriele war gleich aufgefallen, dass mit ihrer Freundin irgendwas nicht in Ordnung war. Und nun bemerkten auch alle anderen, dass es da noch etwas geben musste, denn Biggi war den Tränen nahe. "Was haben die noch gesagt?", fragte Gabi nun. "Über dich, haben die da irgendwas verlauten lassen?"
Biggi schluchzte auf und Gabi war sofort zur Stelle, um sie in den Arm zu nehmen. "Was ist da drin passiert?", fragte Gabi erneut, als Biggi nicht antwortete. "Mein Vertrag wird.. nicht verlängert!", schluchzte sie schließlich. "Ich bin draußen.. genau wie sie! Die schmeißen mich genauso raus!"
Das schockte die anderen Schauspieler erstmal ordentlich. "Aber.. du hast ja mal überhaupt nichts falsch gemacht!", protestierte Peter und da konnten ihm alle nur zustimmen. "Ich hab mich provozieren lassen und genau das war der Fehler." Biggi fühlte sich auf einmal vollkommen erschöpft und schwach, was sich auch in ihrer Stimme widerspiegelte. "Ich werde mich damit abfinden müssen, dass ich in ein paar Wochen wieder ohne Job da stehe und schauen muss, wo ich bleibe."
Daraufhin packte Gabriele die Wut. "Das wollen wir doch erstmal sehen!", knurrte sie und ließ Biggi los. "Komm mit!", befahl sie ihrer Freundin und gleich darauf wurde Biggi von Gabi mit gezerrt. Die Männer sahen sich verwirrt an und folgten den Frauen einfach.
Zielstrebig lief Gabi durch die Gänge und zerrte Biggi weiterhin mit sich. "Wohin gehen wir?", fragte diese irritiert. "Siehst du gleich!", antwortete Gabi und als sie vor dem Büro des Regisseurs stehen blieben, dämmerte es Biggi.
"Oh nein, Gabi! Vergiss es, ich geh da nicht nochmal rein!", stellte Biggi klar. "Du kannst von mir aus auch draußen bleiben, wie du willst. Aber ich für meinen Teil werde den Herren jetzt mal einen Besuch abstatten!" Und kaum hatte Gabi das gesagt, riss sie auch schon die Tür auf und tatsächlich standen die beiden Herren noch beisammen.
"Frau Kollmann, was fällt ihnen eigentlich ein hier einfach so rein zu platzen?!", fragte der Regisseur empört. Biggi blieb draußen stehen, während die Jungs Gabi ins Innere des Büros folgten. "Was mit einfällt?!", rief die Schauspielerin aufgebracht. "Die Frage könnte ich ihnen auch stellen! Was fällt ihnen ein Frau Schwerin raus zu werfen?! Sie hat überhaupt nichts getan!"
In diesem Moment kam Thomas um die Ecke. Er hatte den Tumult gehört und Vera einfach stehen lassen, die dabei war ihre Sachen zu packen. Seine Kollegen waren ihm gerade einfach wichtiger. "Was ist denn los?", fragte er Biggi, bekam jedoch keine Antwort.
"Das ist immer noch unsere Entscheidung!", stellte der Vorstand klar. "Und sie sollten ihren Ton uns gegenüber zügeln, ansonsten.." Gabi fiel ihm ins Wort. "Ansonsten was?! Wollen sie mich auch raus werfen?! Sie können mir vielleicht vorschreiben, was ich vor der Kamera als Doktor Gabriele Kollmann von mir gebe, aber ansonsten entscheide immer noch ich was ich sage!", stellte Gabi klar. "Und sollten sie Biggi wirklich feuern, kriegen sie meine Kündigung persönlich auf den Tisch geknallt!" Plötzlich mischte sich Peter ein. "Meine auch!", sagte er bestimmt. Michael und Ralf sahen sich an. "Unsere auch!", sagten sie gleichzeitig.
Thomas blickte zu Biggi, die den Tränen nahe war und ging ebenfalls in den Raum. "Ich schließe mich an!", meinte er und das überraschte seine Kollegen zunächst. Aber er meinte das wirklich ernst.
"Ich erinnere sie an ihre Verträge, Herrschaften!", bellte der Vorstand. "Sollten sie vor Ende der vereinbarten Frist das Format verlassen, droht ihnen allen eine Konventionalstrafe!" Doch von der Drohung ließen sich die Schauspieler nicht beeindrucken und machten dem Vorstand klar, dass sie die Serie einstellen konnten, wenn sie alle auf einmal gingen. Sie würden nämlich an die Presse gehen und somit würde wohl kein Schauspieler es je wagen, eine der frei gewordenen Rollen anzunehmen.
Daraufhin hatten sie keine Antwort mehr abgewartet, sondern waren einfach gegangen. Jedoch ging keiner mehr davon aus, dass einer von ihnen seine Stelle verlor, vor allem nicht Biggi. Das würde sich aber erst in den nächsten Wochen zeigen.
Biggi hatte sich bei ihren Kollegen bedankt und war dann in ihre Umkleide gegangen, um den nassen Overall gegen gemütliche Kleidung zu tauschen. Für heute waren die Dreharbeiten beendet und deshalb wollte sie gleich nach Hause fahren. Sie verabschiedete sich von ihren Kollegen und ging dann hinaus auf den Parkplatz.
Dort standen Vera und Thomas bereits an ihrem Auto und diskutierten. Leider musste Biggi an ihnen vorbei laufen und Vera gab einen gehässigen Kommentar von sich. Diesen hatte Biggi aber nicht verstanden und Thomas wies seine Frau sofort zurecht. Vera stieg beleidigt ins Auto und Thomas wandte sich nochmal zu Biggi um. Zögerlich lächelte er und Biggi erwiderte das. Thomas konnte schließlich nichts für seine Frau und mit ihm zu reden hatte wirklich gut getan.
Kurz darauf stieg sie aber in ihren Wagen und fuhr davon. Thomas blickte ihr ein paar Sekunden lang nach. Biggi war in seinen Augen eine wirklich starke und tolle Frau und dazu noch wunderschön. Eigentlich hätte er ein schlechtes Gewissen gegenüber Vera haben müssen und über so etwas nicht nachdenken dürfen, nur konnte er nicht anders. Denn im Gegensatz zu den Gedanken über Vera, machten ihn die Gedanken an Biggi irgendwie glücklich. Sie war so anders als seine Frau, irgendwie so herrlich normal und liebenswert. 'Und diese Augen!', dachte Thomas sehnsüchtig, denn sie gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Auf der Heimfahrt stritt er sich heftig mit Vera und auf einmal verspürte Thomas den Wunsch, irgendwie die Zeit zurück drehen zu können. Ihm wurde nämlich schmerzlich bewusst, dass seine Ehe von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden hatte. Zu Hause ging das Theater dann weiter und Thomas hielt es irgendwann nicht mehr aus. Er zog sich an, schnappte sich die Autoschlüssel und plante eigentlich, zu einem Freund zu fahren. Michael war da die beste Wahl, denn die beiden Schauspieler waren wie ihre Rollen Thomas und Michael mit der Zeit beste Freunde geworden.
Allerdings musste Thomas feststellen, dass Michael nicht Daheim war, nachdem er mehrfach geklingelt hatte. Vielleicht war er mit den anderen noch etwas trinken gegangen, aber darauf hatte Thomas gerade keine Lust mehr. Aufs Trinken ja, aber nicht auf all seine Kollegen, die den Auftritt seiner Frau heute wieder einmal mitbekommen hatten. Nun hatte er extra Alkohol besorgt, um mit Michael reden zu können, aber den würde er jetzt wohl alleine trinken müssen.
Wenigstens musste er Morgen nicht arbeiten, da Wochenende war und das Skript sowieso erstmal geändert werden musste. Am Mittwoch würde es erst weitergehen. Thomas setzte sich wieder ins Auto und überlegte, was er nun tun sollte. Nach Hause wollte er erstmal auf keinen Fall. Vielleicht konnte er hier warten, bis Michael zurück kam, aber solange würde er alleine sein.
Und dann plötzlich fiel ihm Biggi ein, die nach dem Tag heute bestimmt zu Hause saß und nicht zur Ruhe kam. Irgendwie hatte er das Bedürfnis nochmal mit ihr zu sprechen und schließlich beschloss Thomas, seiner Kollegin einen Besuch abzustatten. Er wusste wo sie wohnte, da sie regelmäßig alle miteinander ihre Folgen angesehen hatten und das immer bei wem anders. Das letzte Mal hatte das Treffen bei Biggi stattgefunden und genau dort würde Thomas nun hin fahren.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt