Kapitel 10

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Thomas hingegen war die ganze Zeit planlos umher gefahren und stand nun in der Einfahrt vor seinem Haus. Noch dachte er nicht daran auszusteigen, denn er wusste, dass dort drin wieder ein Streit mit seiner Frau auf ihn wartete. Vera würde ihn nämlich nicht so einfach davon kommen lassen, ohne zu erfahren, wo er die ganze Nacht gewesen war. Außerdem war der Streit von gestern noch nicht komplett ausgetragen. Dabei hatte Thomas keine Lust mehr zu streiten und auch keine Kraft dazu, um ehrlich zu sein. Er hatte keine Ahnung, was er Vera sagen sollte.
Die Wahrheit konnte er ihr wohl kaum sagen, denn dann würde sie Biggi nochmal attackieren. Sie wusste wo sie wohnte und eigentlich hatte Thomas gehofft, dass Biggi nach Veras Rauswurf endlich Ruhe vor seiner Frau hatte. Ihr zu beichten, dass er Biggi geschlafen hatte, würde alles nur noch schlimmer machen als es ohnehin schon gewesen war. Die ganze Zeit über hatte Vera Biggi unterstellt, sie würde sich für Thomas interessieren und umgekehrt und nun war das was sie vermutet hatte tatsächlich passiert.
Er könnte ihr auch von einem One-Night-Stand mit einer Frau erzählen, ohne einen Namen zu nennen. Es war aber nur eine Frage der Zeit, bis Vera herausfinden würde wer es gewesen war. Und diese Beichte würde so oder so seine Ehe zerstören. 'Sie ist doch schon längst am Ende, da gibt's nichts mehr zu zerstören!', dachte der Schauspieler und diese Erkenntnis war erneut verdammt bitter.
Er entschied sich jedoch trotzdem dagegen, Vera die Wahrheit zu sagen. Ihre Situation war so schon heikel genug und er musste sich erst noch über ein paar Dinge klar werden. Also stieg er aus dem Auto aus und ging ins Haus. Und wie Thomas bereits geahnt hatte wartete Vera dort bereits auf ihn, um den Ehekrach fortführen zu können. Thomas konnte ihr jedoch kaum zuhören, da er laufend an Biggi und die Nacht mit ihr denken musste. Dabei wurde ihm klar, dass sie wirklich mehr für ihn war, als eine Kollegin oder Freundin. Das war die ganze Zeit schon so gewesen.
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Die freien Tage vergingen für den Geschmack der Schauspieler viel zu schnell. Vor allem Biggi und Thomas überlegten mehrfach, ob es klug war, zum Set zu fahren. Die Angst, dem jeweils anderen zu begegnen, war groß und sie mussten sich obendrein so verhalten das niemand Verdacht schöpfte. Eine Herausforderung, der beide sich stellen mussten. Biggi deshalb, weil ihre Karriere als Schauspielerin sowieso schon am seidenen Faden hing und sie nicht mehr negativ auffallen durfte und Thomas hatte sozusagen die divenhaften Allüren seiner Frau wieder gut zu machen.
Für beide war Fehlen deshalb kontraproduktiv, denn so konnten ihre Szenen nicht gedreht werden und das kostete dem Sender Zeit und vor allem nicht selten nochmal extra Geld. Dabei war die Produktion der Serie schon teuer genug und Veras Rauswurf hatte dafür gesorgt, dass einige Szenen hatten verändert werden müssen. Das war bereits geschehen und somit blieb Biggi wenigstens eine unangenehme Situation an diesem Tag erspart, denn sie hatte das ganze Wochenende über mit schlafen, weinen und nachdenken verbracht und somit keinen Text gelernt. Da hätte sie sich heute beim Dreh ordentlich blamiert. Dafür musste sie gleich zu einer Leseprobe, wie sie am Morgen dem Plan auf dem der Tagesablauf stand, entnehmen konnte.
Jeder der Schauspieler bekam an jedem ersten Drehtag der Woche so einen Plan, der individuell auf sie abgestimmt war. Dort war genau vermerkt, wann sie wo an welchem Set zu sein hatten und welche Szenen wann und wie gedreht wurden. Drehten sie außerhalb stand dort sogar, wann Abfahrt war und bis wann sie wieder zurück sein würden. Pausen waren ebenfalls genau eingeplant und die Zeit in der Maske genauso. Um nicht vorher schon jemandem zu begegnen, hatte sich Biggi gleich nach ihrer Ankunft in ihre Garderobe zurück gezogen und ging da bereits erste Passagen der neuen Szenen durch, um gleich bei der Leseprobe wenigstens grob einen Plan zu haben, worum es ging.
Doch jedes Mal, wenn sie den Namen Thomas las, den Namen ihres Kollegen, wurde ihr ganz mulmig und die Konzentration war wieder dahin. Und gefühlt bestand gerade das Skript heute nur aus Dialogen zwischen Biggi und Thomas.
Sich vor der Leseprobe drücken konnte Biggi sich jedoch nicht. Und auch an den zukünftigen Dreharbeiten, sowie der damit verbundenen Zusammenarbeit mit Thomas, führte kein Weg vorbei. Also begab sie sich in den für die Probe vorgesehenen Raum, wo bereits alle Kollegen und zuständigen Teammitglieder auf sie warteten.
"Frau Schwerin, wie schön das sie uns auch mal mit ihrer Anwesenheit beehren.", begrüßte der Regisseur die junge Schauspielerin. "Entschuldigung.", warf Biggi schnell in den Raum und ließ sich auf den ihr zugewiesenen Platz neben Gabi und Peter nieder. Gekennzeichnet war dieser mit einem Namensschild. Alles musste geordnet und nach Plan ablaufen, damit alles reibungslos funktionierte und dazu gehörten auch solche Kleinigkeiten. Leider saß sie Thomas somit genau gegenüber und es machte ihr plötzlich ziemlich viel aus. Um ehrlich zu sein war es kaum auszuhalten, weshalb Biggi während der Sprechprobe stetig auf ihr Blatt starrte. Selbst beim Ablesen machte sie ständig Fehler und das war ihr wirklich noch nie passiert.
"Was ist denn heute los mit dir?", fragte Gabi ihre Freundin flüsternd, als sie gerade beide für eine Szene nicht gebraucht wurden. "Du bist definitiv nicht bei der Sache.", fügte Gabriele hinzu. "Es ist nichts.", antwortete Biggi ebenso im Flüsterton. "Und das soll ich dir glauben? Du hast das doch sonst immer beim ersten Mal drauf und jetzt stammelst du hier so rum? Biggi, was ist los? Ist es immer noch wegen dem Vorfall mit Vera? Wenn ja, dann hör bitte auf dir darüber Gedanken zu machen. Sie hat ihre Strafe bekommen und du hast nichts mehr zu befürchten, also reiß dich zusammen und zeig denen das du deinen Stolz wegen diesem einen Anpfiff noch lange nicht verloren hast. Wir stehen alle hinter dir, schon vergessen?" Biggi schüttelte nur den Kopf und griff dann nach ihrem Wasserglas, um einen Schluck daraus zu nehmen.
Der zweite Durchlauf klappte dann zwar schon besser, aber trotzdem war Biggi froh, als sie endlich aufstehen und hinaus gehen konnte. So hatte Thomas keine Chance sie anzusprechen.
Allerdings war der Drehtag heute noch lange nicht zu Ende und für immer meiden konnte Biggi ihn schlecht, das war ihr klar.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt