Bis der Krankenwagen eintraf, kümmerten sich der Arzt und Karin um Biggi. Auch Peter blieb bei ihr, während die anderen alle weg geschickt wurden. Peter holte eine Decke, mit der sie Biggi zudecken konnten, da sie noch immer stark zitterte. Immer wieder drohte sie das Bewusstsein zu verlieren, doch das ließen ihre drei Helfer nicht zu. Und trotz aller Beherrschung, die Biggi versuchte zu bewahren, konnte sie nicht aufhören zu weinen und übergeben musste sie sich schließlich auch. Das Atmen fiel ihr zunehmend schwerer.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Rettungsdienst endlich eintraf. Der Arzt brachte die Rettungskräfte auf den neuesten Stand und äußerte auch den Verdacht auf eine Paraplegie, also den Verdacht einer Querschnittslähmung und auch eine starke Gehirnerschütterung, sowie Prellungen und wahrscheinlich auch Brüche hatte sich Biggi zugezogen. Das Personal des Rettungswagens versorgte sie gleich mit Schmerzmitteln und nachdem sie sich einen Überblick über ihren Zustand verschafft hatten, brachten sie sie sofort in den Krankenwagen.
Kurz darauf entfernte sich der Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn. Alle blickten ihm nach und selbstverständlich waren die Dreharbeiten für heute beendet. Thomas blieb auch dann noch stehen, als der Krankenwagen außer Sichtweite war. Am liebsten wäre er hinterher gefahren, doch Biggi hatte deutlich gemacht, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte. Nie wieder.
Im Krankenhaus wurde Biggi sofort gründlich untersucht und das Ärzteteam konnte Entwarnung geben. Sie hatte zwar eine wirklich starke Gehirnerschütterung erlitten, viele Schürfwunden und eine Platzwunde am Kopf und sich ein paar Rippen geprellt und die Schulter ausgekugelt, aber gebrochen war nichts. Eine Querschnittslähmung lag laut den Experten auch nicht vor. Biggi hatte sich beim Aufprall wohl ein paar Nerven geklemmt und das verursachte die Lähmungserscheinungen in den Beinen.
Die Schauspielerin verbrachte einige Tage in der Klinik und tatsächlich kehrte das Gefühl in ihren Beinen ganz langsam, aber sicher, zurück. Die Schmerzmittel, die man ihr verabreichte, nahmen ihr wenigstens das körperliche Leid. Doch gegen die psychischen Schmerzen konnten sie rein gar nichts ausrichten, bis auf die starken Schlafmittel, die sie jeden Abend bekam. Diese ließen sie wenigstens bis zum nächsten Morgen durch schlafen, ohne dass sie über alles was geschehen war nachdenken musste. Das tat sie tagsüber zu genüge und es tat jedes mal aufs Neue unheimlich weh.
Die Presse hatte zum Glück nichts mitbekommen und das sollte auch weiterhin so bleiben. Besuchen durften sie lediglich Karin, Peter und ihre Familie. Der Krankenhausalltag bestand für Biggi somit aus Visite, herumliegen und Tabletten schlucken. Die Besuche waren dabei immer ihr Tages-Highlight, auch wenn sie die ersten Tage nur mit Rollstuhl mit in die Cafeteria oder nur mal kurz raus konnte.
Karin hatte sie genau einmal auf die Sache mit Thomas angesprochen und als Biggi ihr deutlich gemacht hatte, dass sie nicht darüber reden wollte, hatte sie sich auch daran gehalten. Stattdessen hatte Karin versucht, Biggi den Krankenhausaufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Als Biggi schließlich entlassen werden konnte, hatte Karin ihr zugesichert, sie abzuholen. Auch Biggis Wohnungsproblem hatte sich inzwischen endlich geklärt, da der Vermieter sie angerufen und gesagt hatte, dass die Interessenten nun doch abgesprungen waren. Deshalb konnte Biggi doch in ihrer Wohnung bleiben.
Aber erstmal musste sie nun ihre Taschen packen, um die Klinik endlich verlassen zu können. Sie war gerade fertig geworden, als es klopfte und Karin ins Zimmer kam. Als sie Biggi vor dem Fenster stehen sah, lächelte sie. "Es ist schön, dich wieder auf zwei Beinen stehen zu sehen.", meinte die Blondine und Biggi drehte sich zu ihr herum. "Ich finds auch um einiges besser, als im Rollstuhl sitzen zu müssen.", antwortete sie und die zwei Frauen umarmten sich zur Begrüßung. Karin war noch ganz vorsichtig, um Biggi nicht weh zu tun. Sie beide wussten, wie knapp es gewesen war. Wäre Biggi nur ein ganz kleines bisschen anders aufgeschlagen, hätte ihr Rückenmark wohl wirklich irreparable Schäden davon getragen. Sie hatte also einen riesen großen Schutzengel bei sich gehabt.
"Können wir dann gehen?", erkundigte sich Karin und Biggi nickte. "Nichts lieber als das.", antwortete die Schauspielerin und kurz darauf verließen sie gemeinsam das Krankenhaus. Die Folge wurde nun doch, wie eigentlich geplant, nun erstmal wieder nach hinten verschoben. Ob sie dann tatsächlich nochmal gedreht werden würde, würde man dann sehen. Biggi würde jedoch nicht Teil davon sein, denn ihre Zeit bei der Serie neigte sich dem Ende zu.
Thomas hatte seine letzten Szenen bereits abgedreht und wenn Biggi wieder ans Set kommen würde, dann würde er schon nicht mehr dort sein. Das war für Biggi wenigstens ein kleiner Trost, denn bis sie das alles vergessen konnte, würde es dauern. Wobei man hier eher von verarbeiten reden konnte, denn vergessen würde sie die letzten Monate wohl nie wieder ganz. Vor allem, da sie nun gezeichnet war, denn ein paar Narben würden ihr gewiss bleiben.
Karin fuhr Biggi auf direktem Wege nach Hause und half ihr, das Gepäck in ihre Wohnung zu bringen. "Kann ich sonst noch etwas für dich tun?", fragte Karin, was Biggi jedoch verneinte. "Du hast schon genug getan, ich danke dir für die Hilfe." Und nachdem sie sich noch einmal umarmt hatten, ließ Karin Biggi allein. Zugegebenermaßen ungern, denn sie hätte gerne mit Biggi geredet, über alles was passiert war. Denn Biggi ging es definitiv nicht gut, aber zwingen konnte Karin sie auch nicht, weshalb sie sich auf den Heimweg machte.
Biggi blieb schließlich noch ein paar Tage zu Hause, denn ganz fit war sie nach wie vor nicht. Die Zeit verbrachte sie mit Text lernen und schlafen, außerdem organisierte sie für sich ein paar Wochen Kururlaub. Sie musste einfach mal weg hier, nach allem was passiert war und versuchen abzuschalten. Als es ihr wieder gut genug ging, konnten auch die Dreharbeiten mit ihr weitergehen. Es dauerte nicht mehr lange, da war ihr letzter Drehtag auch schon gekommen und auch wenn sie am Set leider keine richtige Party für Biggi organisieren hatten können, gab es für sie dennoch ein paar Geschenke und Kuchen gab es auch. Es war also wie eine kleine Abschiedsfeier.
Alle waren traurig, dass nun auch Biggi ging. Eine von den Schauspielern der ersten Stunde, von denen nun eigentlich nur noch Peter und Max übrig geblieben waren. Gabi war die erste gewesen, die gegangen war. Ralf hatte kurz darauf aufgehört und Thomas und Michael waren nun ebenfalls weg. Thomas war inzwischen mit Vera auch schon umgezogen, wie geplant zurück nach Deutschland.
Nach dem Dreh saßen alle noch ein wenig beisammen und sprachen über alte Zeiten. Vor allem Peter und Karin fiel der Abschied von Biggi schwer, obwohl es keiner für immer war, denn in einigen Monaten war Biggi ja nochmal für eine Folge eingeplant. Dennoch würde es komisch sein, sich nicht mehr täglich am Set zu sehen.
Und auch Biggi kamen nun kurz Zweifel, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, nach der fünften Staffel ihren Vertrag nicht mehr zu verlängern. Aber nach den Strapazen der letzten Wochen, brauchte sie nun wirklich ein wenig Abstand zu allem.
Karin war schließlich diejenige, die Biggi zu ihrem Auto begleitete, nachdem sie sich von allen anderen mehrfach verabschiedet hatte. Es war bereits spät geworden und die Nacht war hereingebrochen.
"Du bist dir wirklich sicher, dass du nicht doch bleiben willst? Noch sind die Folgen nicht ausgestrahlt, es kann also noch so abgeändert werden, dass deine Rolle bleibt und du auch.", meinte Karin nachdenklich. "Es ist besser so.", antwortete Biggi, die jedoch genau wie Karin mit den Tränen kämpfte. Aber sie wusste, dass es wirklich die beste Lösung war. Für alle. So viel war geschehen. Schönes, aber auch viele schlimme Dinge, die Biggi jetzt erstmal verarbeiten musste. Und das konnte sie nur, wenn sie die Serie jetzt verließ und Abstand zu allem gewann. Nur so konnte sie sich Gedanken darüber machen, wie es für sie weitergehen sollte.
Jetzt, da sie mit Thomas doch nicht zusammen sein konnte, musste sie ihr Leben neu planen. Der Plan von vor ein paar Wochen war schließlich hinfällig und was sie nun tun sollte, wusste Biggi nach wie vor nicht. Es war wohl wirklich gut, wenn sie jetzt einfach ein paar Wochen weg fuhr, um sich selbst neu zu ordnen und zu sortieren. Ohne den Druck, am nächsten Tag wieder vor der Kamera stehen zu müssen. Noch heute Nacht würde sie an die Ostsee fahren, in ein wunderschönes Kurhotel. Die Koffer waren gepackt und vielleicht würden ihr das Meer und die Luftveränderung ja eine ganz neue Perspektive und komplett neue Möglichkeiten offenbaren. Daran versuchte Biggi jedenfalls zu glauben, sie musste einfach hoffen.
"Du wirst mir fehlen!", gab Karin schließlich zu und die beiden Frauen fielen sich weinend in die Arme. "Du mir auch! Sehr sogar!", erwiderte Biggi. "Ihr werdet mir alle fehlen!" Eine Weile lagen sich die beiden noch in den Armen, bis sie sich schließlich loslassen mussten.
"Ich halte dich ja nur auf, du musst fahren.", meinte Karin und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen. "Das sollte ich wohl mal, ja.", stimmte Biggi ihr zu. "Aber ich bin ja nicht aus der Welt!", stellte sie anschließend klar. "Ich komme ja in ein paar Monaten nochmal zum Drehen und ich werde euch immer mal wieder besuchen und wir werden telefonieren und uns treffen! Den Kontakt verlieren wir also auf keinen Fall!", fügte Biggi hinzu und das tröstete die beiden ein wenig.
"Wenn was ist, dann melde dich und fahr vorsichtig. Sag Bescheid, wenn du angekommen bist und auch, wenn du wieder hier in Österreich bist.", sagte Karin eindringlich. "Das werde ich!", versprach Biggi ihr und ein letztes Mal umarmten sich die beiden, bevor Biggi in ihr Auto stieg.
Kurz darauf fuhr sie los, ohne nochmal zurück zu blicken. "Es ist besser so.", sagte sie zu sich selbst und beschleunigte daraufhin das Auto.
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ENDE------------------------------------------------------------------
Ihr Lieben,
mit dem Hauptteil der Geschichte war es das nun. Es folgt noch ein Epilog und anschließend kann ich auch diese Geschichte als fertiggestellt ansehen. Meine zweite Fanfiktion zu "Medicopter 117", die ich tatsächlich bis zum Schluss hier veröffentlicht habe.
Wobei... ganz beendet ist sie ja offiziell noch nicht, denn wie bereits erwähnt, existiert von "Fürs echte Leben gibt's nun mal kein Drehbuch" ein zweiter Teil und ein dritter Teil ist bereits in Arbeit.
Es hat mich übrigens sehr gefreut und motiviert, dass zu den letzten Kapiteln so tolle Rückmeldung von euch kam! Ich danke euch von Herzen!
Und da tatsächlich Interesse besteht, kommt der zweite Teil in Kürze hier online. Seid gespannt!:)Liebe Grüße Feline
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Fürs echte Leben gibt's nun mal kein Drehbuch
Fiksi PenggemarWie wäre es gewesen, wenn die Charaktere der Serie lediglich Schauspieler gewesen wären? Wie wäre es da hinter der Kamera abgelaufen? Und was wäre passiert, wenn sich zwei von ihnen ineinander verlieben, obwohl sie wissen welche Konsequenzen dies na...