Kapitel 19

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Auch drei Tage später blieb Thomas verschwunden. Biggi versuchte ihn ständig auf dem Handy zu erreichen, doch anfangs hatte er sie immer weg gedrückt und inzwischen war das Telefon komplett abgeschaltet. Auch am Set wusste keiner, wo Thomas war. Denn dort tauchte er auch nicht auf, obwohl sie sowieso schon im Verzug waren und einige Folgen dringend abgedreht werden mussten.
Der Regisseur schien sich an seinem Fehlen jedoch nicht zu stören, als wüsste er, was los war. Allerdings rückte er nicht mit der Sprache heraus und schob dies immer wieder auf den Datenschutz und seine Schweigepflicht.
Zu Hause bei Michael, wo Thomas ja alibimäßig unter gekommen war, war der Schauspieler ebenfalls seit der Nacht des mysteriösen Anrufs nicht mehr gewesen und alle machten sich inzwischen Sorgen. Vor allem Biggi, die ja wusste, dass er wegen Vera ins Krankenhaus hatte fahren müssen. Sie hatte Angst, dass etwas schlimmes passiert war, eben auch weil Thomas jegliche Kontaktversuche ab blockte. Und Biggi hoffte inständig, dass nichts schlimmes mit Vera geschehen war. Denn auch wenn die beiden in der Vergangenheit ihre Differenzen hatten, so wünschte sie ihrer ehemaligen Kollegin definitiv nichts schlechtes.
Und da Biggi keine Ruhe fand, beschloss sie am vierten Tag nach Thomas' Verschwinden, nach Drehschluss einmal beim Haus des Ehepaares vorbei zu fahren. Vera wohnte dort schließlich noch. Jedenfalls war das auch Thomas' letzter Stand gewesen, denn seit der Trennung von ihr, war auch er nicht mehr dort gewesen. Auch hatte er seine noch Ehefrau seitdem nicht mehr gesehen.
Her war das jetzt ungefähr fünf oder sechs Monate. Irgendwann hatte Biggi aufgehört zu zählen, weshalb sie es nicht mehr genau wusste. Jedenfalls war das Haus ihr einziger Anhaltspunkt, weshalb sie nach Drehschluss sofort ins Auto stieg und los fuhr. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, sich umzuziehen, weshalb sie in voller Medicopter-Montur und Make-Up hinterm Steuer saß. Allerdings war ihr das vollkommen egal. Sie wollte nur herausfinden, wo Thomas war und weshalb er sich so abschottete.
Wenig später kam Biggi bereits bei ihrem Ziel an. Das Haus wirkte verlassen, trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, zu klingeln. Es öffnete keiner, weshalb sie es insgesamt noch dreimal versuchte. Nur blieb es erfolglos. Die Schauspielerin lief einmal komplett um das Haus herum, aber sah keinen, der ihr bekannt vor kam. Weder Vera, noch Thomas waren da. Obwohl Veras Auto in der Einfahrt stand, war sie wohl nicht zu Hause.
Gerade als Biggi durch ein Fenster in das Haus blickte, wurde sie von jemandem angesprochen. "Was machen sie denn da?!" Biggi fuhr erschrocken herum. Die Stimme gehörte zu einer älteren Dame, die hinter ihr stand. Sie hatte sie nicht kommen hören. "Ich.. also.. ich suche Freunde von mir, die hier wohnen. Ich kann sie nicht erreichen, deshalb wollte ich vor Ort mal nach dem Rechten sehen."
Und das war nicht einmal gelogen, sondern nur ein wenig beschönigt. Denn Biggi und Vera waren ganz bestimmt keine Freundinnen, aber das konnte sie der Frau ja so nicht sagen, die sie offenbar für eine Einbrecherin oder Stalkerin hielt.
"Ich kenn sie doch irgendwo her.", meinte die Frau schließlich. "Sie sind doch diese Pilotin aus dem Fernsehen, oder?" Biggi nickte gezwungenermaßen, denn schließlich war ihr Gesicht inzwischen in ganz Österreich bekannt und da sie den Overall trug, konnte sie es sowieso nicht leugnen. "Ja, genau. Und hier wohnen zwei meiner Kollegen, Thomas und Vera Wächter."
Die Dame wusste allerdings schon genau, wer hier wohnte. Sie kannte die gesamte Nachbarschaft. "Die wohnen tatsächlich hier, aber seit ein paar Tagen ist auch Frau Wächter nicht mehr zu Hause. Wahrscheinlich ist sie in der Klinik zur Entbindung.", meinte die Ältere überzeugt. "Ent.. Entbindung?", wiederholte Biggi stammelnd. "Entbindung, ja.", bestätigte die Frau ihr. "Die Frau Wächter ist doch schwanger, beziehungsweise war sie es noch, als ich sie das letzte Mal vor ein paar Tagen gesehen habe. Vielleicht ist das kleine Würmchen inzwischen ja schon da. Aber.. Wussten sie das nicht?"
Nein, das hatte Biggi nicht gewusst und damit gerechnet hatte sie schon mal gar nicht. Diese Information ließ sie deshalb aus allen Wolken fallen. Nur wollte Biggi das vor der älteren Dame gewiss nicht zugeben, vor allem da sie noch misstrauischer geworden war. "Doch.", antwortete sie deshalb schnell. "Doch, doch! Natürlich weiß ich, dass die beiden ein Kind erwarten. Deshalb bin ich ja auch hier, ich hab mir Sorgen gemacht und wollte nachschauen ob alles in Ordnung ist. Das inzwischen schon so viel Zeit vergangen ist, dass die Geburt schon stattfinden kann, das habe ich ehrlich gesagt gar nicht auf dem Schirm gehabt. Die Arbeit bringt mich im Moment ganz durcheinander, wissen sie.", flunkerte Biggi. "Aber dann mal vielen Dank für ihre Hilfe. Ich werde einfach mal abwarten, bis sie sich melden. Auf Wiedersehen."
Und daraufhin drehte Biggi sich um und verschwand aus dem Sichtfeld der Frau, ohne dass diese noch irgendwas sagen konnte. Die Schauspielerin eilte zurück zu ihrem Auto, schloss es auf und ließ sich niedergeschlagen auf dem Fahrersitz nieder. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Lachen, weil es so absurd war und weinen, weil sie erneut dabei war diesen einen Mann zu verlieren. Denn wenn Vera tatsächlich schwanger war, dann erklärte das Thomas' Verschwinden. Ob das Kind von ihm war, bezweifelte Biggi stark, aber trotzdem gefährdete diese Schwangerschaft die Beziehung zwischen ihnen. Sie kannte Thomas inzwischen gut genug und Vera ebenfalls. Sie würde ihm wahrscheinlich schon glaubhaft gemacht haben, dass das sein Kind war. Obwohl das kaum sein konnte, jedenfalls nicht nach dem, was Biggi wusste.
Und ob die Geschichte der älteren Frau überhaupt ansatzweise stimmte, war auch noch nicht bewiesen. Erst, wenn sie Thomas gefunden hatte, würde sich das alles hoffentlich aufklären. Vielleicht handelte es sich ja um ein Missverständnis. Ein ganz doofes Missverständnis, das sich bald als unwahr herausstellte.
Biggi war durcheinander und geschockt zugleich. Sie musste Thomas irgendwie erreichen und holte deshalb ihr Handy hervor. Doch als sie ihn anrief, stellte sie fest, dass sein Handy immer noch abgeschaltet war. Deshalb entschloss sie sich, ins nahe gelegene Krankenhaus zu fahren. Vielleicht waren Thomas und Vera ja dort.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt