Ein Schrei durchbrach die Stille, die am Set herrschte. Außer das Dröhnen der Rotoren des Helikopters hatte man nichts gehört, denn alle hatten sich auf das Geschehen konzentriert, das nun ein erschreckendes Ende genommen hatte.
Alle Anwesenden hatten sofort begriffen, dass der Schrei von Biggi ausgegangen war, die den Halt auf der Kufe verloren hatte und in die Tiefe gestürzt war. Zu diesem Zeitpunkt war der Helikopter zwar ungefähr nur vier Meter über dem Boden geschwebt, hatte allerdings eine rasende Geschwindigkeit an den Tag gelegt und Biggi war mit voller Wucht auf dem harten Asphalt gelandet. Dort lag sie nun und bewegte sich nicht mehr.
Einen Bruchteil einer Sekunde lang passierte nichts, als würde die Zeit still stehen. Alle, die Zeugen des Unfalls gewesen waren, konnten es nicht fassen. Es herrschte absolutes Entsetzen und Fassungslosigkeit machte sich breit.
Die erste, die reagierte, war schließlich Karin. Gerade noch hatte sie sich die Hände vor den Mund geschlagen, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Doch dafür war sie einfach zu geschockt. "Biggi!", schrie die blonde Schauspielerin entsetzt. Es hörte sich schon beinahe hysterisch an und daraufhin rannte Karin los.
Auch Peter und Michael, die abseits standen, setzten sich in Bewegung. Fast frei weg sprangen sie über die Absperrung, die aufgestellt worden war und auch Thomas konnte nicht einfach nur stehen bleiben und zusehen, also folgte er seinen Kollegen. Vera ließ er achtlos stehen. Sie war die einzige, die sich nicht sonderlich dafür interessierte, ob Biggi etwas passiert war oder nicht.
"Rufen sie einen Krankenwagen!", wies der Regisseur einen seiner Mitarbeiter an und machte sich nun ebenfalls auf den Weg zum Ort des Geschehens.
Karin war die erste, die bei Biggi ankam und sich sofort auf den Boden neben ihre Freundin kniete. Der Anblick war erschreckend. Biggis Kleidung war aufgrund der Reibung über den Boden teilweise zerrissen und darunter kamen unzählige Schürfwunden zum Vorschein. Sowieso sah Karin einfach viel zu viel Blut, weshalb sie es nicht vermeiden konnte, aufzuschluchzen. In den Augen der Blondine sammelten sich augenblicklich Tränen, sie dachte das schlimmste.
Doch dann bewegte sich Biggi plötzlich leicht und dabei gab sie einen gequälten Laut von sich. Nach ihrer kurzen Bewusstlosigkeit, kam sie nun langsam wieder zu sich.
"Biggi, hey!", sprach Karin sie an und versuchte, die Panik in ihrer Stimme zu verbergen. Doch das gelang ihr nur mäßig. Inzwischen waren auch alle anderen dazugekommen, die jedoch erstmal Abstand hielten.
"Biggilein, hörst du mich?", fragte Karin nun und versuchte, ihre Freundin ein wenig auf den Rücken zu drehen. Gerade lag sie auf der Seite und ein wenig zusammengekauert da, es ähnelte ein wenig der Haltung eines Embryos. Gelandet war Biggi jedoch beim unmittelbaren Aufprall auf dem Rücken und dort hatte sie auch die meisten Schmerzen, wie sie nun wahr nahm. Außerdem dröhnte ihr Kopf beinahe unerträglich.
Biggi versuchte, sich irgendwie anders zu positionieren, doch jede kleinste Bewegung schmerzte höllisch. "Aua!", schluchzte sie leise und die Tränen waren nicht mehr zu halten. Biggi hörte das Stimmgewirr der anderen und nahm die Umrisse von ein paar Personen schemenhaft wahr. Aber sie war sich nur vollkommen sicher, dass Karin bei ihr war. Die anderen erkannte sie im Augenblick noch nicht, aber das war gerade auch vollkommen egal. Sie wusste nur, dass ihr gesamter Körper unbeschreiblich schmerzte.
"Au!", entfuhr es Biggi erneut und Karin legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. "Es wird alles gut!", versicherte sie ihrer Freundin. "Gleich kommt Hilfe!", fügte sie hinzu, da sie inzwischen auch mitbekommen hatte, dass man bereits den Rettungsdienst gerufen hatte. Doch Biggi begann nur noch lauter zu schluchzen und schließlich auch zu weinen.
"Shh, Shh, wir kümmern uns um dich.", meinte Karin, der aber ebenfalls die Tränen unaufhaltsam über die Wangen liefen. Thomas konnte das nicht länger mit ansehen, weshalb er nun ebenfalls um Biggi herum ging und sich neben Karin nieder ließ. Er griff nach ihrer Hand.
"Karin hat recht, wir sind bei dir!", beteuerte nun auch er der verletzten Schauspielerin, die ihn nun erkannte. Und seine Berührung und seine Stimme lösten nur noch mehr Schmerzen aus, allerdings seelische. "Geh.. weg!", wimmerte Biggi deshalb entkräftet. Sie sprach so leise, dass keiner um sie herum so wirklich verstand. Das sah Biggi an den fragenden Blicken, die sowohl Karin als auch Thomas aufgesetzt hatten.
Deshalb nahm Biggi all ihre Kräfte zusammen und entriss Thomas ihre Hand. Das verursachte zwar nochmal stärkere körperliche Schmerzen, aber die waren im Gegensatz zu den seelischen Schmerzen, die seine Berührung ausgelöst hatten, auf eine absurde Weise erträglicher. Biggi litt dennoch unheimlich.
"Geh.. weg!", wiederholte Biggi nun etwas lauter und so deutlich es ging. Thomas sah sie entsetzt an und auch Karin konnte Biggis Reaktion nicht nachvollziehen, aber sie sah ihrer Freundin an, dass Thomas' Nähe für sie ganz und gar nicht annehmbar war. Das wurde durch die Worte, die Biggi dann aussprach, auch nochmal deutlicher. "Du sollst.. verschwinden!", schluchzte Biggi. "Du bist an.. an allem schuld! Ich.. hasse.. dich!"
Auch wenn es sie sehr anstrengte, sprach Biggi nun lauter und deutlicher und jeder um sie herum hörte sie deshalb reden. Trotzdem war ihre Stimme seltsam verzerrt, was andeutete, wie schlecht es ihr ging. Alle Augen waren nun auf Thomas gerichtet, weshalb er seine Hand nun wirklich zurück zog.
"Ich.. ich hasse dich und.. ich will dich nie wieder.. sehen! Hau.. ab! Verschwinde endlich!" Thomas war unfähig, sich zu rühren. Er konnte den Blick nicht von Biggi abwenden, die so schwer verletzt am Boden kauerte und ihn trotzdem mit ihren Augen fixierte, die mit einem Tränenschleier versehen waren.
Biggis Gesicht war voller Schürfwunden und Blut, ihr Blick traf ihn kalt. Thomas bekam Gänsehaut. Immer wieder hallten Biggis Worte in seinem Kopf nach. 'Ich hasse dich! Ich will dich nie wieder sehen! Du bist schuld!'
Als ihn plötzlich jemand an der Schulter berührte, zuckte Thomas zusammen. Es war Karin. "Geh!", sagte nun auch sie. "Egal, was auch immer sie damit meint, sie will dich hier nicht haben. Du regst sie auf und das ist gerade nicht gut. Also geh bitte!"
Thomas konnte daraufhin nichts anderes tun, als sich dem Willen von Biggi und auch Karin zu beugen. Also stand er auf und ging wieder ein paar Schritte zurück. Biggi gänzlich zurück lassen konnte er nicht.
Besorgt beobachtete er die junge Frau, die noch immer dort auf dem Asphalt lag. Sie zitterte inzwischen am ganzen Körper. Nun kam noch der Arzt dazu, der den Mitarbeitern für medizinische Fragen am Set zur Seite stand. Er war immer dabei und half dabei, die Serie so realistisch wie möglich zu gestalten und gerade war er so ziemlich der einzige, der Biggi wirklich helfen konnte. Dass er jetzt erst kam, lag daran, dass der Mitarbeiter der nach ihm hatte suchen sollen ihn nicht gefunden hatte.
Der Mediziner kniete sich wie Karin neben Biggi hin, wobei die blonde Schauspielerin ihm bereitwillig Platz machte. Denn er konnte definitiv mehr ausrichten als sie und jeder andere hier, vor allem da er nicht so unter Schock stand wie Biggis Kollegen. So ein bisschen Erste Hilfe beherrschte jeder von ihnen, aber zustande gebracht hätten sie alle im Augenblick wohl nichts. Deshalb war es gut, dass ein Arzt anwesend war. Er konnte sich um Biggi kümmern, bis der Rettungsdienst eintraf. Hans-Jürgen hatte den Helikopter inzwischen gelandet und war ebenfalls an die Unfallstelle heran getreten. Auch er als Pilot hätte Biggis Sturz nicht verhindern können, aber dennoch plagten ihm die Schuldgefühle, obwohl er nichts falsch gemacht hatte.
Der Arzt verschaffte sich einen ersten Überblick über die Situation. "Kannst du mir sagen, wo es am meisten schmerzt?", fragte der Arzt, der Biggi bereits seit Beginn der Serie kannte und deshalb auch relativ gut. "Überall!", erwiderte Biggi schluchzend und der Arzt führte schnell ein paar kurze Untersuchungen durch. "Ist dir schlecht?", fragte der Mediziner weiter und Biggi nickte nur leicht. Ihr war sogar so schlecht, dass sie das Gefühl hatte, sich gleich übergeben zu müssen. Trotzdem drückte der Arzt an verschiedenen Körperstellen herum, um irgendwelche Wirbelsäulenverletzungen ausschließen zu können. Denn von den Zeugen, hatte er erfahren, dass Biggi auf dem Rücken aufgekommen war und als er an den Beinen an kam, schienen sich seine bösesten Befürchtungen zu bewahrheiten.
"Spürst du das?", fragte er Biggi wie schon ein paar Mal zuvor und immer hatte sie vor Schmerzen aufgeschrien. Doch nun passierte rein gar nichts.
Der Arzt versuchte es noch einmal. "Spürst du das?", fragte er Biggi nochmals. "Was soll ich spüren?", wollte Biggi wissen, die merkte, das irgendwas nicht stimmte. Auch die anderen um sie herum kapierten, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Allen kam es vor, als könnte das eine neue Folge für die Serie sein, doch das gerade war echt. Es geschah wirklich und das war das schreckliche daran.
"Okay, wir warten jetzt am besten auf den Krankenwagen.", meinte der Arzt, ohne Biggi ihre Frage zu beantworten. Alle Anwesenden waren entsetzt, über die Tatsache, dass Biggi ihre Beine nicht mehr spürte und was das bedeutete, wussten sie alle.
Ob das nun irreparabel war oder nicht, das konnte man nur im Krankenhaus herausfinden.
![](https://img.wattpad.com/cover/290755012-288-k807826.jpg)
DU LIEST GERADE
Fürs echte Leben gibt's nun mal kein Drehbuch
FanficWie wäre es gewesen, wenn die Charaktere der Serie lediglich Schauspieler gewesen wären? Wie wäre es da hinter der Kamera abgelaufen? Und was wäre passiert, wenn sich zwei von ihnen ineinander verlieben, obwohl sie wissen welche Konsequenzen dies na...