Kapitel 21

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Als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, fuhr Biggi so schnell wie möglich nach Hause. Dort angekommen begann sie sofort, die Sachen von Thomas zu packen und sie in den Flur zu stellen. Sie hätte sie an sich auch einfach wegschmeißen können, doch als alles gepackt war, hatte Biggi lediglich nur noch die Kraft sich aufs Sofa zu schleppen. Dort igelte sie sich weinend in eine Decke ein. Sie wusste nicht, was jetzt als nächstes zu tun war. Das sie Thomas nicht zurück nehmen würde, auch wenn er angekrochen kommen würde, das hatte sie bereits vorhin im Krankenhaus beschlossen.
Doch wie sollte er seine Sachen holen? Biggi wollte das Zeug nur noch aus der Wohnung haben und während sie überlegte, wie sie das schaffen konnte, hörte sie plötzlich, wie ein Schlüssel ins Schloss der Wohnungstür gesteckt und herum gedreht wurde. Das konnte nur Thomas sein, der seit ein paar Wochen ebenfalls einen Schlüssel für diese Wohnung hier besaß.
Inzwischen war es ein paar Stunden her, dass Biggi im Krankenhaus gewesen war und auch die Tränen waren inzwischen versiegt. Da war nur noch eines und zwar diese unglaubliche Wut.
Sie hörte, wie die Wohnungstür geöffnet und gleich wieder geschlossen wurde. Dann waren da Schritte, die im Flur jedoch plötzlich inne hielten. Daraufhin hörte Biggi Thomas seufzen. Wahrscheinlich hatte er die gepackten Taschen mit seinen Sachen entdeckt und Biggi war kurz davor, aufzuspringen und ihn raus zu werfen. Doch sie setzte sich lediglich auf und nahm ihre Tasse Tee in die Hand, denn trotz Kuscheldecke und warmen Klamotten, war ihr eiskalt.
Die Teetasse wärmte Biggis erfrorene Hände wenigstens ein wenig und als sie hörte, dass die Schritte sich weitet ihren Weg durch den Flur bahnten, erstarrte Biggi augenblicklich. Nur wenige Sekunden später tauchte Thomas im Wohnzimmer auf. Er war im Türrahmen stehen geblieben und Biggi spürte seinen Blick auf ihr, doch sie würdigte ihm keinen einzigen. "Hallo.", sagte Thomas nach ein paar Augenblicken des unangenehmen Schweigens, doch Biggi starrte einfach nur weiterhin geradeaus auf die Wand.
Thomas sah sie nur im Augenwinkel und sie konnte so viel aus seiner Mimik ablesen. Er fühlte sich schuldig und war unsicher, sie hingegen verdammt sauer. Das sah Thomas ihr auch an und er dachte zunächst, dass es nur daran liegen würde, das er sich seit Tagen nicht gemeldet hatte und auch nicht mehr hierher zurück gekommen war. Daran, dass Biggi schon mehr wissen könnte, dachte Thomas in diesem Augenblick gar nicht. Und es hatte ihm ziemliche Überwindung gekostet, überhaupt hier aufzutauchen, da er selbst noch vollkommen durcheinander war.
Die Ereignisse der letzten vier Tage, hatten alles verändert und er war nun hier, um Biggi aufzuklären. Das war er ihr schuldig, denn das schlechte Gewissen plagte ihn unaufhörlich. "Es tut mir leid, dass ich.." Noch bevor Thomas den Satz zu Ende bringen konnte, fing Biggi plötzlich doch an zu sprechen. Aber auch ohne Thomas auch nur ein einziges Mal anzuschauen.
"Wo warst du?", fragte Biggi. Ihre Stimme klang eiskalt und emotionslos. "Ich würde dir gerne alles erklären, wenn..", setzte Thomas an, doch erneut fiel sie ihm ins Wort. "Ich will wissen, wo du warst!", fauchte die Schauspielerin wütend und Thomas zuckte zusammen. "Lass es mich erklären, okay? Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber ich bin nicht hier um mit dir zu streiten.", stellte Thomas klar und ging ein paar Schritte auf die Couch zu. Es war offensichtlich, dass er sich neben Biggi setzen wollte. Doch das wusste die Schauspielerin zu verhindern.
"Denk nicht mal dran!", knurrte sie und Thomas blieb stehen. "Sag mir sofort, wo du warst!", verlangte Biggi erneut und Thomas schluckte. Er hatte sich eigentlich schon einen Plan gemacht gehabt, wie er Biggi das alles beibringen wollte, doch sein Kopf war plötzlich wie leer gefegt. Wie sie da so saß und so verletzt und wütend wirkte, tat ihm alles so unfassbar leid. Doch es gab kein zurück mehr, denn Vera hatte ihm klar und deutlich gesagt, was sie vor hatte.
Das Baby war von ihm, das spürte er einfach. Es musste entstanden sein, als er und sie vor ein paar Monaten doch noch einmal miteinander geschlafen hatten. Es war damals einfach so passiert und als Thomas vor ein paar Tagen im Krankenhaus angekommen war, hatte Vera gerade in den Wehen gelegen. Sie hatte sich nach Thomas' Nähe gesehnt und Angst gehabt, die Geburt ohne seine Hilfe niemals durchstehen zu können. Also war Thomas ihr beigestanden und nach ein paar Stunden hatte Vera schließlich ein kleines Mädchen auf die Welt gebracht.
Und als Thomas sie das erste Mal im Arm gehalten und ihr in die Augen gesehen hatte, hatten bei ihm keinerlei Zweifel mehr an seiner Vaterschaft bestanden. Wie Biggi hatte er zunächst geglaubt, dieses Kind wäre nicht sein leibliches. Doch für ihn war dieses kleine Wesen seine Tochter, es konnte einfach nicht anders sein.
Nur hatte Vera ihm gleich offenbart, dass sie mit der Kleinen zurück nach Deutschland ziehen würde und Thomas vor die Wahl gestellt. Entweder er würde mitkommen oder nicht und wenn nicht, dann würde Vera ihn auch nicht als Vater anerkennen lassen. Und als Thomas Vera mit diesem kleinen Würmchen im Arm gesehen hatte, war ihm bewusst geworden, dass er sie, beziehungsweise seine neugeborene Tochter nicht einfach im Stich lassen konnte. Für sie musste er der Ehe mit Vera noch eine Chance geben und das musste er Biggi jetzt irgendwie erklären, obwohl auch er sich bereits auf einen Neuanfang mit ihr gefreut hatte. Schließlich liebte er sie.
"Ich.. ich war.." Thomas stammelte nur vor sich hin und Biggi platzte der Kragen. "Okay, komm spar es dir!", rief sie sauer. "Ich weiß schon längst wo du warst!", offenbarte Biggi ihm anschließend. "Ich war im Krankenhaus bei Vera.", sagte Thomas ruhig, doch Biggi wurde nur noch wütender.
"Wie gesagt, ich weiß wo du warst!", wiederholte sie noch einmal. "Ich war nämlich auch dort, im Krankenhaus und zwar heute Mittag!" Thomas sah Biggi erschrocken an. "Du.. du warst dort?", fragte er nochmal nach, um sicher zu sein, dass er sich nicht verhört hatte. Und das hatte er nicht. "Ja, ich war dort!", blaffte Biggi ihn an und stellte ihre Tasse energisch auf dem Tisch ab. Dadurch schwappte sie ein wenig über, doch das war Biggi mehr als nur egal. Nun stand sie Thomas gegenüber und sah ihm direkt in die Augen. Ihr Blick durchbohrte den Schauspieler regelrecht und er konnte es nicht ertragen, ihr ins Gesicht zu sehen. Ihre Augen schienen, als würden sie vor Wut und Enttäuschung glühen. Und jetzt erkannte er, dass sie geweint haben musste, denn ihr Gesicht war um die Augen verdächtig rot und ein wenig angeschwollen. Daraufhin senkte er erneut den Kopf.
"Ich war dort, weil ich dich nicht erreichen konnte!", schrie Biggi weiter. "Ich war dort, nachdem ich vor eurem Haus gestanden habe und eine eurer Nachbarinnen mir erzählt hat, dass Vera schwanger ist und wahrscheinlich gerade entbindet! Das musste ich von einer wildfremden Person erfahren, Thomas! Dass die noch Ehefrau meines.. was auch immer du für mich bist oder warst, ein Kind erwartet!" Die Stimme der jungen Schauspielerin bebte vor Zorn.
"Ich habe es doch auch erst erfahren, als ich in der Nacht als dieser Arzt mich angerufen hat, in der Klinik angekommen bin!", versuchte Thomas sich zu rechtfertigen, doch das interessierte Biggi wenig. "Du hättest dich melden können!", stellte sie lautstark klar. "Und stattdessen lässt du mich tagelang mit meiner Ungewissheit hier sitzen und drückst mich jedes Mal weg, beziehungsweise schaltest dein Handy aus! Ich dachte Vera oder vielleicht dir sei etwas passiert, ich hab mir sogar Sorgen gemacht!", platzte es aus Biggi heraus.
Thomas wollte etwas dazu sagen, doch Biggi redete einfach weiter. Oder eher gesagt schrie sie so laut, dass es vermutlich die gesamte Nachbarschaft mitbekam. Allerdings interessierte das Biggi im Moment überhaupt nicht. Sie wollte ihrem Schmerz und ihrer Wut den Raum geben, der notwendig war. Ansonsten würde sie schweigen, denn nach wie vor konnte sie mit niemandem darüber sprechen, da noch immer niemand in ihrem engeren Umfeld voll alledem wusste. Und im Augenblick konnte sie ihre Wut auf Thomas sowieso nicht zügeln. "Ich habe mir Sorgen gemacht, um dich und deine noch Ehefrau und dabei lag sie schlicht und einfach in den Wehen! Und du bist hin gefahren und hast es nicht einmal für nötig gehalten, mir Bescheid zu sagen! Das muss man sich mal vorstellen!", ging Biggi Thomas weiter an. "Und dann komme ich in dieser Klinik an, informiere mich über Vera und lande auf der Entbindungsstation, wo ich sie und dich mit diesem kleinen Baby in diesem Zimmer durch eine riesige Glasscheibe sehe! Und sehe dann auch noch, wie du sie küsst, als wärt ihr eine kleine heile Familie! Ich hab gedacht, ich muss kotzen und das hätte ich auch beinahe getan!"
Biggi musste Luft holen, ehe sie weiter schreien konnte. "Mir kam es hoch, als ich dich gesehen habe! Weil du mir kurz davor noch immer wieder versichert hast, du würdest für sie nichts mehr empfinden und das du sie ja nach allem was passiert ist nie wieder sehen willst! Aber deine Blicke, die haben was anderes gesagt! Wie du dieses Kind angesehen hast.. da war mir schon klar, worauf das alles hinauslaufen würde! Obwohl du dir ja noch nicht mal sicher sein kannst, dass dieses Kind deins ist! Beziehungsweise kann es gar nicht deins sein, immerhin hast du mir ja erzählt, bei euch wäre schon Monate bevor das mit uns angefangen hat nichts mehr gelaufen!"
Eigentlich hatte Biggi gehofft, Thomas damit die Augen öffnen zu können. Doch an seinem Blick erkannte sie etwas, das ihr weitere Erkenntnis gab. "Es sei denn, du hast was das angeht, auch gelogen.", sagte Biggi ernüchtert und es war kaum mehr als ein Flüstern, was nun den Weg über ihre Lippen fand.
"Ich habe dich nicht belogen!", stellte Thomas sofort klar. "Okay.. Vielleicht habe ich dir nicht gesagt, dass Vera und ich vor ein paar Monaten nochmal miteinander geschlafen haben. Aber das war, bevor das mit uns so ernst wurde und bevor ich gemerkt habe, dass ich dich liebe! Und das tue ich wirklich!", beteuerte der Schauspieler. "Aber.. Dieses Kind, das ist wirklich von mir. Das spüre ich einfach und wenn ich es jetzt nicht nochmal mit Vera versuche, dann wird sie mir den Kontakt zu meinem Kind verbieten! Verstehst du?! Sie wird zurück nach Deutschland gehen und ich werde mein Kind nie wieder sehen! Und das könnte ich nicht ertragen!"
Biggi schnaubte verächtlich. "Aber mich zu verletzen, das kannst du ertragen ja?", fragte die junge Frau mit bebender Stimme. "Mich monatelang den Glauben zu lassen, dass wir beide eine Zukunft hätten und dass das mit uns was besonderes ist, um mich dann einfach zu verlassen.. Das ist für dich also das kleinere Übel, hab ich das richtig verstanden?!" Zwar hatte Thomas noch nicht explizit gesagt, dass er sich von Biggi trennen wollte. Doch es war offensichtlich, dass er genau deshalb gekommen war.  
Thomas seufzte. "Nein, aber.." Biggi hielt es nicht mehr länger aus. Vor Wut holte sie aus und verpasste Thomas eine schallende Ohrfeige. "Du bist das Allerletzte!", schrie sie fassungslos. Thomas hielt sich die Wange und schwieg erstmal. "Und von wegen du hast mich nicht angelogen!", schluchzte Biggi und konnte ihre Tränen nicht mehr länger zurück halten. Es waren Tränen der Wut und der Verachtung Thomas gegenüber, der es nicht wagte, ihr ins Wort zu fallen. Denn fertig war Biggi bestimmt noch nicht.
"Du hast mich belogen, als du sagtest du willst von Vera unter keinen Umständen je wieder etwas wissen! Und erst vor vier Tagen, als du durch meine Wohnungstür verschwunden bist, hast du mich übrigens auch angelogen! Du hast gesagt, du würdest dich melden und später wiederkommen! Du hast gesagt, dass du mich lieben würdest! Aber wie sehr kannst du mich lieben, wenn du mich tagelang in Unklarheit lässt und vor Vera kuschst, als wärst du ein kleiner hilfloser Schuljunge?!", ging die Schauspielerin Thomas weiter an.
Und dieser wusste keine Antwort auf ihre vielen Fragen und Vorwürfe. Verteidigen konnte er sich auch nicht mehr und egal, was er jetzt noch sagen würde, es würde alles falsch sein. Thomas wusste zwar, dass nichts zu sagen genauso fatal war, aber er entschied sich letztendlich dafür, sein Schweigen zu bewahren.
Biggi starrte ihn an und wartete auf eine Reaktion, doch die kam nicht. Und daraufhin platzte ihr endgültig der Kragen. "Weißt du was, Thomas?! Verschwinde!", schrie Biggi. "Verschwinde! Raus hier!", befahl sie ihm noch einmal, als er sich nicht vom Fleck bewegte. Biggi schubste ihn daraufhin Richtung Wohnzimmertür und den Flur entlang. Thomas ließ es geschehen. An der Wohnungstür angekommen, öffnete Biggi diese und stieß Thomas hinaus in den Flur. Obwohl Biggi eher klein und zierlich war, hatte sie doch eine enorme Kraft. Thomas konnte sich gerade noch so abfangen, denn er hatte so stark getaumelt, dass er beinahe hingefallen wäre.
Und gerade als Biggi die Tür wieder schließen wollte, erblickte sie Thomas' Sachen, die nach wie vor im Flur standen. Vor Wut packte sie eine der Taschen und warf sie Thomas hinterher, der gerade noch aus dem Weg springen konnte. Das wiederholte Biggi mit all den Sachen, die sie vorhin zusammen gepackt hatte.
"Mein Wohnungsschlüssel!", forderte Biggi schließlich, als sie im Türrahmen stand und Thomas vor ihr zwischen all seinen Sachen. "Biggi, bitte lass uns nicht so auseinander gehen!", bat Thomas sie inständig, doch gleichzeitig sah er den Hass ihm gegenüber in ihren Augen.
"Gib mir meinen Wohnungsschlüssel und dann schau, dass du mir aus den Augen gehst! Ansonsten garantiere ich für gar nichts mehr!", drohte die Schauspielerin ihm und Thomas sah ein, dass er keine Chance hatte, nochmal ein Gespräch mit ihr zu führen. Es war eskaliert und er war schuld. Er allein. Also holte er den Schlüssel hervor, den Biggi ihm sofort aus der Hand riss, nur um daraufhin in der Wohnung zu verschwinden.
Die Tür knallte sie hinter sich zu und gleich darauf hörte Thomas Biggi laut schluchzen und weinen. Doch er entschied sich zu gehen, denn ausrichten oder gar ändern konnte er jetzt sowieso nichts mehr.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt