Kapitel 4

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Derweil rannte Biggi an allen Mitarbeitern vorbei, denen sie im Haus begegnete und bahnte sich ihren Weg zum Hangar. Der Aufenthaltsraum befand sich nämlich im oberen Teil der Basis, wo sie drehten. Die Fragen, ob alles in Ordnung sei, ignorierte die Schauspielerin. Nichts war in Ordnung, rein gar nichts und sie wollte einfach nur alleine sein und weinen können ohne dabei von unzähligen Augenpaaren beobachtet zu werden. Ihr fiel genau ein Ort ein, wo sie vielleicht die Chance hatte, durchzuatmen. Ein bisschen von Gebäude entfernt lief ein Fluss, die Salzach, direkt durch das Grundstück.
Biggi rannte weiter, bis sie das Ufer erreicht hatte und ließ sich dort nieder. Sie zog die Beine an den Körper, umklammerte sie mit ihren Armen und ließ den Kopf auf ihre Knie sinken. Die ganzen Erinnerungen die hoch kamen und die Aktion von Vera waren gerade einfach zu viel für die sonst so taff wirkende Biggi.
Derweil machten sich ihre Kollegen auf die Suche nach ihr. Leider hatten fast alle am Set den Aufruhr mitbekommen und so auch der Regisseur, der natürlich eine Erklärung verlangte.
Gabriele gelang es eine Ausrede zu erfinden und konnte ihn erstmal beschwichtigen, danach suchte aber auch sie gleich weiter nach Biggi.
Die Schauspieler hatten sich aufgeteilt und Thomas war schon bis zum äußersten Rand des Geländes gegangen, als er eigentlich schon umkehren wollte. Doch dann hörte er nicht weit entfernt von sich ein Schluchzen, das unverkennbar von Biggi stammte.
Thomas folgte diesem Geräusch und fand Biggi kurz darauf. Sie saß an der Salzach, zusammengekauert und weinte bitterlich. Thomas plagten sofort noch mehr Schuldgefühle. An diesen Tränen war seine Frau Vera schuld und genau deshalb wollte Thomas Biggi nun irgendwie trösten. Auch wenn er keine Ahnung hatte wie.
Gerade als er sich ihr nähern wollte, wurde er plötzlich an der Schulter berührt. Erschrocken fuhr er herum und erkannte Gabi. "Hast du mich erschreckt!", meinte Thomas vorwurfsvoll. "Sorry.", antwortete seine Kollegin und dann sah sie ihre Freundin ebenfalls etwas weiter weg in der Wiese sitzen.
"Ohje..", seufzte Gabi und wollte bereits zu Biggi gehen, als Thomas sie zurück hielt. "Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mit ihr reden.", offenbarte er Gabriele.
Diese zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. "Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.", meinte sie ehrlich. "Meine Frau ist daran schuld.", stellte Thomas klar. "Ich möchte es nur irgendwie wieder gut machen, mehr nicht."
Als Gabi merkte, dass es Thomas wirklich ernst war, nickte sie. "In Ordnung. Aber wenn was sein sollte, sag Bescheid." Thomas nickte und Gabi ging schweren Herzens davon.
Ihre beste Freundin so leiden zu sehen war nicht einfach und eigentlich wäre sie am liebsten diejenige gewesen, die sie in den Arm nahm. Nur vielleicht hatte Thomas recht und es war besser, dass er sich jetzt um sie kümmerte.
Und länger wollte Thomas Biggi dort definitiv nicht alleine sitzen lassen. Deshalb lief er langsam zu ihr hinüber und überlegte dabei, was er sagen sollte. Bis er bei ihr an kam, wusste er es noch nicht wirklich, aber einen Rückzieher wollte er trotzdem nicht machen.
"Biggi ?", fragte Thomas und die Schauspielerin schreckte auf. "Alles in Ordnung?" Eine blöde Frage, doch etwas anderes war ihm nicht eingefallen. Sie so zu sehen, tat ihm leid.
"Geh weg!", schluchzte Biggi. "Ich will meine Ruhe, ist das etwa zu viel verlangt?!" Kurz überlegte Thomas tatsächlich, sie lieber in Ruhe zu lassen. Aber das konnte er gerade nicht verantworten. Aus diesem Grund setzte Thomas sich neben Biggi in die Wiese. "Hast du mich nicht verstanden?! Ich will keinen hier haben, verschwinde!" Doch der Schauspieler blieb sitzen und sah Biggi von der Seite her an.
Ihr Gesicht war tränenüberströmt und immer wieder kullerten neue Tränen nach. Thomas hatte das Bedürfnis, Biggi in den Arm zu nehmen. Vorsichtig legte er einen Arm um sie und wollte sie an sich ziehen, doch zunächst wehrte sie sich dagegen. Irgendwie wirkte sie plötzlich ängstlich und verstört.
"Lass mich los!", rief sie schluchzend, doch daran dachte ihr Kollege nicht. "Es ist alles gut!", versicherte Thomas ihr und zog Biggi einfach an sich. Der Widerstand wurde weniger, bis sie es schließlich einfach zu ließ und auch keine Kraft mehr hatte sich gegen die Umarmung zu wehren.
"Das sollte.. nie.. nie einer von euch erfahren!", schluchzte Biggi. "Nie!" Der Fernsehbericht und Vera hatten die Schauspielerin vollkommen aus der Fassung gebracht. Thomas wusste, dass diese Beziehung wohl nicht sonderlich harmonisch verlaufen sein musste. Biggis Reaktion sprach Bände.
"Beruhige dich.", flüsterte Thomas ihr zu, während sie ihr Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub und sich aus weinte. "Ganz ruhig." Doch daran, sich zu beruhigen, dachte Biggi zunächst nicht. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen, die in ihr wach gerufen worden waren.
Dementsprechend lange dauerte es, bis sie aufhörte zu weinen. Beziehungsweise tat sie das irgendwann nicht aus freien Stücken, sondern deshalb, weil sie irgendwann nicht mehr konnte. Thomas wich derweil nicht von ihrer Seite und hielt sie im Arm, während er beruhigend auf sie ein redete.
Er wartete ab, bis sich Biggi irgendwann selbst aus seiner Umarmung befreite und diesmal ließ er es auch zu. "Jetzt hast du da nen Fleck.", bemerkte Biggi sofort und deutete auf eine nasse Stelle auf seinem T-Shirt in schulternähe. Dort hatte sie sich aus geweint. "Das ist doch nicht schlimm.", antwortete Thomas und fing an nach Taschentüchern zu suchen. Zum Glück fand er noch eins in der Hosentasche, das reichte er dann an Biggi weiter. Die schluchzte immer noch leise vor sich hin.
"Wenn du darüber reden möchtest, bin ich jederzeit für dich da.", teilte Thomas Biggi mit. "Da gibt's nicht viel zu reden.", erwiderte Biggi. "Ich war jung und naiv, von seiner Musik geblendet und da hab ich anderes eben nicht so wahrgenommen. Von einen Tag auf den anderen hab ich ihn dann, ohne großartig zu überlegen, geheiratet und nach und nach kam dann auch seine andere Seite zum Vorschein.", erklärte Biggi und wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen. Das Taschentuch knüllte sie fest in ihrer rechten Hand zusammen.
"Wenn man verliebt ist, übersieht man manche Dinge ganz gerne mal.", meinte Thomas und für Biggi hörte es sich so an, als würde es aus Erfahrung sprechen. "Leider.", antwortete die Schauspielerin. "Wenn ich gewusst hätte, wie er sich innerhalb von wenigen Monaten verändert, hätte ich doch niemals Ja gesagt!", schluchzte sie anschließend und sofort nahm Manfred sie wieder in den Arm.
"Aber das konntest du nicht.", stellte er klar. "Das kann niemand im Voraus wissen und deshalb hör auf, dir irgendwas vorzuwerfen.", fügte er hinzu. Biggi löste sich von Thomas und zog die Beine wieder eng an den Körper. Es herrschte vorerst schweigen.
"Darf ich fragen, wie lange.. ihr zusammen wart?" Thomas wollte Biggi zum sprechen bringen, denn er glaubte, dass sie das Ganze einfach schon viel zu lange mit sich herum trug ohne ein Wort darüber verloren zu haben.
"Nicht sonderlich lange.", antwortete Biggi. "Noch nicht mal ein halbes Jahr, bevor wir geheiratet haben und die Ehe wurde nach 342 Tagen geschieden." Das verwunderte Thomas.
"So schnell?", fragte er nach. "Härtefall.", erwiderte Biggi mit zittriger Stimme. Krampfhaft versuchte die Schauspielerin neue Tränen zurück zu halten, vergeblich. "Härtefall? Aber das muss ja bedeuten, dass er.." Thomas stoppte sofort, da ihm nun einiges klar wurde und Biggi schluchzte laut auf.
"Oh, scheiße!", entfuhr es ihm und daraufhin nahm er Biggi abermals in den Arm. "Dieses verdammte Arschloch!" Der Schauspieler konnte es nicht fassen, dass ausgerechnet Biggi so etwas hatte durchmachen müssen. Schon öfter hatte Thomas Frauen getroffen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden waren. Aber  hatte auf ihn immer so taff und emanzipiert gewirkt, dass er das nie für möglich gehalten hätte.
'Dafür ist sie Schauspielerin.', dachte er bei sich und wusste, dass sie wohl nur eine Rolle gespielt hatte. Sie wollte nicht bemitleidet werden, sondern die Vergangenheit hinter sich lassen. "Ich hab wirklich gehofft, dass das Thema nie wieder aufkommt!", schluchzte seine Kollegin verzweifelt. "Wenn die Presse weiter forscht und das alles raus findet.. Wie steh ich dann da?! Als Opfer! Als jemand, der schwach ist und sich nicht wehren kann!"
Thomas drückte Biggi ein wenig von sich und nahm ihr Gesicht in seine Hände. "Biggi, jetzt hörst du mir ganz genau zu!", sagte er eindringlich. "Du kannst nichts dafür, was dieser Mensch dir angetan hat! Dafür musst du dich weder schämen, doch rechtfertigen! Wenn sich einer schämen muss dann er, aber doch bestimmt nicht du!", stellte Thomas klar und sah Biggi tief in die Augen. Ihm war nie aufgefallen, wie schön sie eigentlich war. Sogar wenn sie geweint hatte, sah sie einfach umwerfend aus. Vor allem ihre braunen Augen zogen ihn gerade regelrecht in ihren Bann.
Biggi fühlte sich wohl und schmiegte ihre Wange an die warme Handfläche ihres Kollegen und Freundes. Vorsichtig strich dieser ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und die beiden lächelten sich an. Dieser Moment sollte allerdings von Vera zerstört werden, die die beiden entdeckt hatte.
"Was geht denn hier ab?!", schrie die Blondine und zog damit auch die Aufmerksamkeit der Crew und der anderen Schauspieler auf sich. "Oh oh.. gleich brennt die Luft!", meinte Peter, der zusammen mit Gabi, Michael und Ralf in der Nähe des Hangars stand. Sofort waren sie sich einig, dass sie ebenfalls zum Fluss hinüber mussten.
Biggi und Thomas waren derweil aufgestanden. Beide waren ziemlich erschrocken.
"Hier geht gar nichts ab.", antwortete Thomas seiner Frau, die inzwischen bei ihnen angekommen war. "Ach nein?! Und warum sah es gerade so aus, als ob ihr euch gleich abknutschen würdet?!", fragte Vera aufgebracht. "Sag mal spinnst du jetzt völlig?! Ich hab Biggi nur trösten wollen, nachdem du sie ja so bloßgestellt hast!", stellte Thomas klar. "Bloßgestellt?!", wiederholte Vera spöttisch. "Was kann ich dafür, wenn so was in den Nachrichten kommt?! Aber das du ihr das Getue vom armen, traurigen, verletzten Frauchen abnimmst war ja klar!"
Nun ging Biggi dazwischen. "Vera, es stimmt. Er wollte mich nur trösten, mehr nicht.", versuchte die Kurzhaarige es im ruhigen Ton, doch an einer ruhigen Aussprache war Vera nicht interessiert. "Du hältst mal schön die Klappe! Meinst du ich seh nicht, dass du dich ständig an meinen Mann ran machst?!" Biggi konnte es nicht fassen. "Dein Mann und ich sind Freunde!"
Inzwischen standen auch die anderen um sie herum. "Freunde?! Das ich nicht lache, du lügst wie gedruckt!", rief Vera. "Jetzt komm mal wieder runter, ich will nichts von deinem Mann! Aber es würde mich nicht wundern, wenn er dich bald wirklich sitzen lässt! Allerdings nicht wegen mir, sondern weil du eine elendige hysterische Furie bist!", entfuhr es Biggi und daraufhin holte Vera aus, um ihrer Kollegin eine schallende Ohrfeige zu verpassen.
Biggi hielt sich die schmerzende Wange, holte aber dann ebenfalls aus und verpasste Vera eine Schelle.
Daraufhin schubste die Blondine Biggi mit voller Wucht, die deshalb das Gleichgewicht verlor und rückwärts mit einem lauten Plätschern in der Salzach landete.

Fürs echte Leben gibt's nun mal kein DrehbuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt