Kapitel 10

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Es war deutlich sichtbar, dass Lia sich erstmal sammeln musste, oder zumindest  versuchte, sich etwas zusammen zu reißen. So viele Simualtionen, Übungen und doch wusste ich nicht, wie ich dieses Mädchen, was gerade so viel schreckliches durchgemacht hatte beruhigen konnte.
Mit zittrigen Händen, versicherte mir einmal, zweimal, dass alles gut sei, auch wenn wir beide irgendwo wussten, dass es verdammt nochmal nicht stimmte. ,,Hast du irgendwo ein Zimmer gemietet?", erkundigte ich mich vorsichtig, wohl wissend, wie sehr sie es sich jetzt wohl wünschte, alleine zu sein. Aber es wäre total verantwortungslos, jetzt einfach ab zu hauen, um nach einer anderen Mitfahrgelegenheit zu schauen.
,,Ähm.. Ja, ich habe ein Zimmer in einem Bed and Breakfast gemietet. Das liegt hier gleich um die Ecke. Aber, du hast ja gesagt, dass meine Auto angefahren wurde. Hast du zufällig, den Täter noch gefunden?" Mann, was musste man das für einen miesen Tag halten, wenn man nicht nur belästigt , sondern dann auch noch das Auto des Vaters kaputt gemacht wurde. Ich wäre schreiend weg gelaufen.
Da wir uns gerade einer weiteren Straßenlaterne näherten, zog ich anstelle einer Antwort erstmal meine Kappe vom Kopf und strich die verknotete Haarpracht glatt. ,,Naja, also zu aller erst, solltest du vielleicht wissen, dass ich gar kein Junge bin."
Ich hatte Angst gehabt, dass sie sauer wird, mich abweist, doch stattdessen lächelte Lia mich schief und immer noch ein bisschen zittrig an:,, Was du nicht sagst. Irgendwo kann ich tatsächlich verstehen, warum du dich als Junge ausgegeben hast." Bevor betretenes Schweigen eintreten konnte, fügte sie hinzu:,, Allerdings  kann ich nicht verstehen, wie ich dich für einen Jungen halten konnte, du hast ein sehr schönes Gesicht."
Okay, davon, dass ich ihr meine erste Lüge gestand waren wir mal eben natlos dazu übergegangen, dass sie mir Komplimente machte. So hatte ich das Gespräch in meinem Kopf eindeutig nicht geprobt, aber damit hatte ich gerade kein Problem mit, denn es verlief viel besser.
,,Danke. Ähm und ich hab dich auch noch angelogen, als ich gesagt habe, jemand sei in dein Auto gefahren. In Wirklichkeit wollte ich mit der Masche nur herausfinden, ob du jemanden kennst, der aus Utha kommt und micht mitnehmen könnte, weil ich unbedingt eine Mitfahrgelegenheit dahin brauche."
Lia lachte. Sie schaute mich an und blieb einfach stehen, um zu lachen. Das verunsicherte mich noch mehr, auch wenn ich es schaffte ein heiseres, hahaha, heraus zu bringen.
Immer noch lachend meinte Lia zu mir:,, Weißt du.. Es ist einfach komisch. Sowas, das passiert mir einfach nicht. Es gibt kein Leben, was normler war, als meins und irgendwie hatte mich das  immer genervt. Und heute.. Ich bin das erste mal alleine von zu Hause weg, da passiert plötzlich doch etwas. Es ist total verrückt, aber wenn du willst, dann kannst du mich gerne die nächsten Tage begleiten" ,,..So lange ich keine Mörderin bin", beendete ich ihren Satz, jetzt auch mit einem erleichtertem Lächeln. Das lief gut. Sehr gut, um nicht zu sagen, besser als gut.
Ich hatte eine offizielle Einladung, die mich dazu brachte, dass ich in vier Tagen in Utha sein könnte. Das war nicht so schnell, wie wenn ich mit Bus fahren würde, allerdings kostete das auch viel mehr. Wenn ich mich vielleicht etwas an den Spritkosten beteiligte, oder uns ein paar Süßigkeiten besorgte, dann reichte das doch hoffentlich.
,,Wo schläfst du eigentlich?", fragte Lia, als wir ein bisschen ratlos rum standen, nachdem ihr Lachanfall zu Ende war. Da hatte ich tatsächlich schon drüber nachgedacht. Mein Koffer, den ich erstmal, in der Hoffnung, dass keiner ihn entdeckte, unter dem Auto von Maxime liegen ließ, hatte ich in der letzten Stunde noch unter den PickUp von Lias Vater gelegt, nur, um sicher zu stellen, dass Maxime nicht weg fuhr und da dann einfach mitten auf dem Parjkplatz ein Koffer rum lag.
,,Ich weiß es noch nicht so genau. Eben habe ich einen kleinem Park gefunden, vielleicht gibt es da noch eine freie Bank", meinte ich, während ich es doch tatsächlich schaffte, es klingen zu lassen, als wäre ich kein erbärmliches Mädchen, sondern eine erfahrende Obdachlose. Toll.
Lia überlegte keine Sekunde, bevor sie vorschlug:,, Mein Zimmer ist nicht gerade klein, wenn du willst kann ich dich sicherlich nach oben schmuggeln. Eigentlich ist es nicht erlaubt, dass zwei Leute sich ein Ein-Personen-Zimmer teilen, aber wenn wir das richtig anstellen, kommst du sicher rein. Hast du noch irgendwas an Gepäck? Das macht es natürlich um einiges komplizierter"
Naja, das war so eine Sache. Wenn ich da mit meinen Koffer durch die Lobby maschierte würde es vermutlich schon ziemlich geplant aussehen, dass ich dort übernachtete und unsere Geschichte würde auch keiner glauben.
Doch ich hatte schon einen Plan, denn wenn es darum ging, dass ich die Möglichlkeit auf ein warmes, sicheres Bett bekam, dann würde ich mir die auf jeden Fall entgehen lassen. Und das mit allem was ich brauchte.

Eine dreiviertel Stunde später, taumelten Lia und ich durch die Lobby, sahen so aus, als wollten wir uns im Laufen schon an die Klamotten, unter die ich alles gestopft hatte, was wichtig war, aus ziehen. Das einzige, was wir zu hören bekamen war ein genervtes Murmeln von dem Mann in der Lobby, welcher wohl mit jemanden telefonierte, aber dann waren wir bereits im Zimmer, welches nicht, sooo groß war, wie Lia zu erst verlauten ließ.
Doch die Hauptsache war, dass es existierte. Neben dem Bett gab es sogar noch ein kleines Tischchen, auf dem ein Buch lag, was ich kannte. Throne of Glass. Gab es etwas besseres? Ich wusste es nicht, aber Lia versicherte mir, dass dem nicht so war.
Das würde vielleicht eine lange, kommunikative Nacht werden.

No tomorrow without a YESTERDAYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt