Kapitel 17

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Es waren keine vier Stunden, auch keine zehn, welche ich bis zur nächsten Stadt laufen musste, sondern ich lief jetzt schon seit einem ganzen elendem Tag. In der Nacht war ich nicht weitergelaufen, vor allem, weil meine Taschenlampe ziemlich bald schlapp machte. So ein Mist.  Also hatte ich irgendwann, also eher, sobald es mal einen Platz neben der Straße gab, halt gemacht und dort versucht zu schlafen. Das hatte nicht so recht geklappt, weshalb meine Beine und generell mein gesamter Körper sich jetzt immer noch so anfühlte, als würde ich bereits einen Marathon hinter mir haben.
Komischer Weise war Abends viel mehr Verkehr als Tagsüber, da fuhr höchstens jede zweite Stunde mal ein Auto vorbei, während in der Nacht gefühlt ein LKW den nächsten jagte. Das war echt unpassend, aber ich musste da durch.
Frustriert schaute ich in den Himmel, als es auch noch anfing, zu regnen. Aber nein, es war nicht der schöne Regen, der einfach nur auf dem Boden fiel, sondern der, der eiskalt war und einem durch den schneidenen Wind direkt ins Gesicht gepeischt wurde. Einfach nur widerlich.
Grummelnd hielt ich an, um den riesigen Rucksack, ab zu setzten und die Karte dort drinnen zu verstauen. Die beiden waren mein wichtigstes Gut, auch wenn ich bis jetzt nur den Straßen gefolgt war, weil es mit dem Zelt nicht leicht werden würden, diese verdammten Felsen hoch zu klettern.
Müde trottete ich weiter. Die Karte hatte nicht etwa eine Stadt, die vielleicht dreizig Kilometer entfernt lag gezeigt, sondern die nächste musste ungefähr hundert Kilometer entfernt sein. Und wenn ich mich verlaufen hatte, weil ich die Straße, welche bis jetzt nur eine Kreuzung hatte, falsch abgebogen war, dann hatte ich verdammt noch mal total verkackt, denn seit gefühlten Tagen, auch wenn es vielleicht eher Stunden waren, lief ich dann schon in die falsche Richtung.
Der Regen tröpfelte weiter und mir wurde langsam langweilig. Egal, wie unfassbar müde ich doch war, mein Gehirn hatte einfach nichts zu tun. Sonst war ich immer, absolut immer, hundert Prozent ausgelastet, was heute jedoch überhaupt nicht passte. Denn mal ehrlich, es gab nichts schlimmeres, als mit sich selber allein zu sein. Meine Gedanken wanderten im Sekundentakt zu Peter, da half es nicht mal, dass ich versuchte da gegen zu denken, mit irgendwelchen neuen Sachen, die ich entwickeln konnte. Selbst mit meiner Kraft konnte ich gerade gar nichts anfangen, denn ich hatte es mir so überlegt, dass ich versuchen sollte, mir alles auf zu sparen, wie ein Regenbehältnis, was immer weiter aufgefüllt wurde, je länger daraus nichts geschöpft wurde.
Deswegen wälzte ich meine Situation mehrfach im Kopf herum, fühlte mich fast schon wie die Frau aus Oceans 8, welche im Gefängnis so unglaublich lange ihren Einbruch geplant hatte. Doch wenigstens hatte sie damit etwas richtiges geplant, ich hatte kaum was zu tun, denn es gab einfach keinen Ausweg.
Peter hasste mich- ich hasste ihn. Damit solte alles geregelt sein. Schade, dass mein Herz sich daran einfach nicht halten wollte. Richtig unverschämt, wenn man das so sah. Und jedes mal, wenn ich meine verletzten Gefühle bemerkte, bekam ich einen kleinen Aufschub von Wut, was mich endlich dazu anstachelte, eine kurze Strecke zu joggen.
Ich lief. Und lief, und lief.
Der Tag wurde Nacht, aber trotz meiner Müdigkeit wusste ich, dass ich nicht mal ein bisschen schlafen könnte, denn ich hatte einfach zu viel und gleichzeitig nichts neues im Kopf.
Deswegen machte ich jetzt etwas richtig dummes. Nach einem Tag laufen, mit verkrampften Fingern, während der Dunkelheit versuchte ich einfach die Felsen hoch zu klettern.
Es war wirklich unglaublich dumm, aber ich hatte einfach schlichtweg keine Lust mehr.
Die Zeit zog sich hin, mein Atem ging unregelmäßig und vor jedem Zentimeter musste ich mich nur mit einem Arm festhalten, um mit dem anderen blind nach einem neuem Vorsprung zu tasten. Der einzige Vorteil an der Dämmeruung, die sich ziemlich bald in Dunkelheit verwandelte war, dass ich gar nicht sah, wie viel noch vor mir lag, denn das hätte mich wahrscheinlich so sehr entmutigt, dass ich einfach los gelasen hatte und dann läge ich auf der Straße, zum Tode verurteilt, ohne auch nur etwas ansatzweise gutes getan zu haben. So könnte meine Reise auch enden, allerdings wäre es schon etwas peinlich, und der Gedanke, wie Peter über meinen Tod lachen würde gab mir endlich etwas mehr neuen Aufschub.
Tatsächlich war ich ja schon mal aus dem Fenster gesprungen  und dort vemutlich, je nachdem ob ich richtig, oder eher falsch aufgekommen wäre, gestorben. Das war gewesen, nachdem ich Peter alles, jede Wahrheit über mich erzählt hatte und er mir im Gegenzug sein wahres Gesicht offenbart hatte. Verdammt, schon in dem Moment, wo er mir gebeichtet hatte, dass er Spiderman war, hätte ich einfach für immer und ewig verschwinden sollen. Was war bloß mit mir geschehen, dass ich so schwach geworden war, ihm gegenüber?
Achso, stimmt ja, Hydra hatte mich ja beim Fluchtversuch gekidnappt. Danke dafür. Naja, ich würde mich ja rechen. Und diese Strafe würde grausam werden. Jetzt, wo ich schon wusste, wie es sich anfühlte Mörderin zu sein, da konnte ich genauso gut auch böse Leute umbringen. Mein persönlicher Kodex- nie jemanden tödliche Verletzungen zu zu fügen- war irgendwie verschwunden. Natürlich, man sollte nicht töten. Aber was tat mein Vater? Er tötete ebenfalls Personen, wofür er auch noch als großer Held gefeiert wurde. Und davor hatten die Leute ihn nicht nur wegen seines Geldes geliebt, sondern auch weil er die tödlichsten Kriegswaffen  herstellte. Obwohl, ich wollte ja nicht mal, dass die Masse mich mochte. Abgesehen davon, dass ehe niemand einem dunkelhaarig und -häutigen Teenager Mädchen glauben würde, für das Gute zu kämpfen. Allerdings, das hatte ich bis jetzt ja auch noch nicht getan.

No tomorrow without a YESTERDAYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt