Kapitel 19

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Licht, elektrisches Licht, war wunderbar, genauso wie die gerade Straße, auf welcher ich mich befand. Mitterweile war es Abend geworden, aber ich betrachtete voller Bewundern die Belechtung, welches das Haus schmückte. Es war einfach wunderschön.
Allerdings ging ich einfach mal davon aus, dass ich hier nicht unterkommen konnte. Es sah wie ein Haus der typischen amerikanischen Familie aus: Mann und Frau mit zwei Kindern. Die Tochter tanzte und der Sohn spielte Football mit seinem Vater im Garten. Un d meine weiteren Vermutungen wurden sofort vom Gebell eines Hundes, der gegen die Haustür sprang bestätigte. Ich wollte mit meinem Aussehen ja nicht ihre heile Welt kaputt machen.
Dann würde ich wohl weiter, ins Zentrum der Stadt gehen und erstmal der Straße folgen. Ein Auto fuhr an mir vorbei und parkte auf dem Hof. Tja, bevor ich noch eine Welle Mitleid oder Hass für mein schreckliches Aussehen abbekam verschwand ich jetzt mal lieber.
Die Häuser verdichteten sich. Es war eine friedliche Kleinstadt, kurz vor den endlosen Weiten der Berge. Im Zentrum  konnte ich von hier aus schon den Turm der Kirche sehen, außen rum befanden sich nur eine ruhige Wohngegend, in der bloß noch Geräusche aus den Häusern drangen. Das bedeutete dann wohl, dass es irgendein Tag in der Woche sein musste.
Da ich keinen Plan hatte, ging ich erstmal weiter, am besten suchte ich einen Supermarkt oder etwas anderes, wo man was günstiges zu essen bekam, und dann würde es für mich wieder zurück in den Schutz der Berge gehen.
Ich kam an einem Kino vorbei, eine Gaststätte, beides hatte geschlossen. Dann musste es wohl ein Montag oder Mittwoch sein. Zumindest hatte das Restaurant, oder eher der Pub, an den beiden Tagen nur geschlossen.
Irgendwann hatte ich das Zentrum der Stadt erreicht. Den Marktplatz mit der Kirche. Staunend drehte ich mich einmal um die eigene Achse und rannte fast in jemanden rein. Zwei Nonnen, die gerade ihren Korb mit Prospekten zusammen packten, um wahrscheinlich zurück in ihr Kloster zu gehen.
Verlegen grüßte ich und hoffte, dass die Laternen und sonstige Beleuchtungen nicht so hell waren, dass man alles von mir sehen konnte. Allerdings ging ich einfach mal davon aus, dass sie es sehr wohl konnten, denn ich sah sofort das Mitleid und die Bestürzung im Gesicht der beiden älteren Frauen. Mist. Jetzt würden die beiden sich wohl Gedanken um mich machen.
Anscheinend waren sie aber überhaut nicht introvertiert, sondern nahmen eher kein Blatt vor den Mund. ,,Bei Gott, was ist denn mit dir passiert, Schätzchen? Du siehst ja schrecklich aus", rief die eine, während ich unwohl an meinen Klamotten rum zupfte. Danke auch. Das hatte ich jetzt gebraucht. Bevor ich irgendwas sagen konnte murmelte die andere etwas dünnere Frau:,, Also wirklich. Bekommst du denn keine Klamotten? So viel von wegen gütig sein. Liebes, erzähl uns, was ist passiert?" ,,Oder bist du vo  zu Hause abgehauen?", rief die andere schon wieder gefühlt über den gesamten Platz.
Die kurze Pause des Entsetztens nutzte ich, um dzwischen zu grätschen. Hoffnung, auf ein warmes Bett und eine gute Mahlzeit keimte in mir auf:,, Aber nein, ich bin von zu Hause raus geworfen worden. Meine Mutter hatte einen neuen  Freund, der mich nicht ausstehen konnte und jetzt bin ich den gesamten Weg nach hier gelaufen. Mein Vater wohnt irgendwo hier in der Nähe, da bin ich mir ganz sicher. Aber entschuldigt mich, gibt es hier irgendwo einen Supermarkt? Ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen."
Manchmal musste man die Leute auch schamlos ausnutzen. Genau wie jetzt, wo die beiden Frauen einen kurzen Blick wechselten, bevor die eine, welche so laut sprach rief:,, Aber Kindchen. Glaubst du an Gott? Denn es kann nur eine göttliche Fügung sein, dass wir heute ein Gästezimmer frei haben. Natürlich darfst du bei uns übernachten. Ich bin Schwester Mary und das ist Schwester Hubertus. Wie heißt du, meine Liebe?"
,,Mein Name ist Bella. Es ist so gütig von euch, dass ich bei euch unter kommen kann. Und natürlich glaube ich an Gott", sagte ich, drückte sogar noch eine Träne der Erleichterung heraus, die ich hastig weg wischte. Natürlich glaubte ich an Gott, war allerdings evangelisch, aber das war hier ja nicht von Bedeutung. Ja, ich nutzte die beiden Nonnen aus, aber es tat ihn ganz sicher nicht weh, für eine Nacht jemanden was zu essen zu geben und mich im warmen schlafen zu lassen.
Schwester Hubertus klatschte in ihre Hände:,, Fein, dann folge uns. Allerdings musst du schweigen. Wir sind kein Schweigekloster, aber heute ist ein Tag der Trauer. Gestern ist eine unserer lieben Schwestern, Gott segne sie, gestorben. Wir sind nur hier, weil wir die Botschaft der Kirche verteilen wollen"
Ich nickte, auch wenn ich irgendwie bezweifelte, dass die beiden Schwestern es wirklich schaffen würden zu schweigen, denn sie schienen mir wie sehr, sehr gesellige Leute. Aber so gut waren meine Menschenkentnisse nicht, dass hatte sich ja schon bewahrheitet, als ich nun ja, Peter geküsst hatte. Das war eine Sünde. Ich hätte mich niemals zu etwas so hirnrissigen verleiten lassen sollen.
Aber so weit war ich ja, also richtete ich meine Konzentration auf den Ort, durch den die beiden Schwestern mich zielstrebig führten, während sie mir von ihrem schrecklichen Tag berichteten, der daraus bestanden hatte, sich von einigen Personen doof anmachen zu lassen und im Regen zu stehen. Doch das machten sie gerne, wie sie mir im Anschluss sofort beteurerten, worauf ich bloß nickte.
Das Haus der Nonnen lag im Prinzip gegenüber von einem , so wie es aussah, altem Industriegebiet, wo jetzt alles nur noch vor sich hin rostete. Bis wir vor der Tür standen und eintraten hätte ich nicht mal geglaubt, dass das ein Kloste sein sollte, aber von Innen sah es ganz  anders aus. Und genau als wir die Türschwelle übertraten schwiegen die beiden Schwestern auch.

No tomorrow without a YESTERDAYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt