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POV Stefan (Kai's Vater)
Als Kai bewusstlos auf die Küchenfließen sackte, realisierte ich erst unsere aussichtslose Lage. Ich hielt noch immer meinen jüngeren Sohn in den Armen und sah verloren in sein versteinertes Gesicht. Ich wusste, wir würden nie wieder so als Familie auf unserer Chouch sitzen. Aber wahrhaben wollte ich immer noch nicht, dass meine Frau und mein Sohn tot waren. Der Mann hinter mir packte mich grob am Hemdkragen und zog mich auf die Beine. Durch die plötzliche Bewegung rutschte Philip von meinem Schoß und landete mit einem dumpfen Poltern ebenfalls auf dem Boden. Der schwarz Gekleidete hinter mir gab seinen beiden Begleitern ein Zeichen und der stärkere der beiden hob Kai vom Boden auf und warf ihn sich mit Leichtigkeit über die Schulter. Der Knauf des Messers in meinem Rücken brachte mich dazu nach vorne zu stolpern und mich in Bewegung zu setzten. Wir traten in den Gang und verließen durch die aufgebrochene Haustür den Schauplatz des furchtbaren Verbrechens. In unserer Einfahrt parkten ein schwarzer Audi und ein etwas unförmiger weißer Van. Aus dem großen Kastenwagen kamen uns fünf weitere breit gebaute Männer entgegen und teilten sich auf um dem offensichtlichen Boss Spalier zu stehen. Einer der fünf trat aus der Reihe und hielt die Autotür auf, die er, nachdem ihr Anführer eingestiegen war wieder schloss. Ich wurde aus meinen Beobachtungen gerissen, indem mich eine starke Hand auf die Ladefläche des Vans schob wo sie mich schließlich zu Boden drückte und mir Befahl still sitzen zu bleiben. Kurz darauf ließ ein weiterer Mann meinen Sohn von seiner Schulter rutschen. Dieser wäre ein weiteres mal hart auf dem Boden aufgeschlagen, hätte ich ihn nicht aufgefangen. Ich zog den immer noch bewusstlosen Jungen in meine Arme und versuchte ihm nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen.

Die Kolonne kam zum stehen und sofort wurden die Flügeltüren aufgerissen und drei der Untergebenen stürmten herein. Kai wurde aus meinen Armen gerissen und verschwand aus meinem Blickfeld, während ich von den beiden verbliebenen an den Armen auf die Beine gezogen wurde. Eingekeilt und unfähig zu entkommen fügte ich mich meinem Schicksal und lies mich in ein kleines Gebäude ohne Fenster ziehen. Innen angekommen mussten sich meine Augen erst einmal an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen. Damit ich überhaupt etwas sah blinzelte ich ein paar mal und fand mich vor einer langen, steinernen Treppe wieder, die schier endlos in die Erde zu führen schien. Einer der maskierten Männer schob mich vorwärts und langsam und noch immer etwas unsicher auf den Beinen machte ich mich an den Abstieg. Nach gefühlten Ewigkeiten sah ich einen fahlen Lichtstrahl am Ende der Treppe. Unten angekommen stieß ich einen erleichterten Seufzer aus und sah mich um. Zu beiden Seiten des schmalen Ganges waren in regelmäßigen Abständen kleine Zellen in den massiven Fells geschlagen worden, deren Vorderseiten Gitterstäbe bildeten. Zu meinem Entsetzen waren diese aber keinesfalls unbewohnt. Stattdessen kauerten die verschiedensten Wesen darin und fristeten ihr Dasein. Lange Zeit, die armen Wesen zu mustern blieb mir nicht, denn ich wurde weiter gedrängt und schließlich unsanft in eines der Verließe gestoßen. Während einer der Wärter meine Zelle verschloss, bemerkte ich verzweifelt, das ich meinen Sohn nirgends entdecken konnte. Mit zitternder Stimme wagte ich es den Mann auf der anderen Seite der eisernen Gitterstäbe anzusprechen und zu fragen wo sie Kai hingebracht hatten. ,,Das hat dich nicht zu interessieren, Balg," fuhr dieser mich rau an. Ich gab mich geschlagen, denn ich würde sowieso nicht mehr erfahren. Ich konnte nur beten dass es meinem Sohn gut ging und er nicht allzu sehr leiden musste.

POV Kai
Langsam kam ich wieder zu mir und schlug meine Augen auf. Mich umgaben massive Felswände und ich wusste weder wo ich mich befand, noch ob mein Vater auch hier war oder ob er überhaupt noch lebte. Ich versuchte mich aufzusetzen, zuckte aber sofort wieder zurück und lies mich langsam auf den Rücken sinken. Wie ich da so lag, versuchte ich mich zu erinnern wie ich hier hergekommen war oder was vorher passiert war. Ich schloss meine Augen und versuchte das Geschehene Revue passieren zu lassen. Gedankenfetzen zogen vor meinem inneren Auge vorbei und die Bruchstücke meiner Erinnerungen trieben mir die Tränen in die Augen. Verzweifelt schlug ich die Augen auf, in der Hoffnung, dass das ganze nur ein Böser Traum war. Aber sicher sein konnte ich mir nicht.

Hallende Schritte rissen mich aus meinem Gedankenchaos zurück in die Realität und ich lauschte den schweren Schritten, bis sie dicht vor mir jäh verklangen. Ich wagte es nicht meinen Blick zu heben, in der Hoffnung, dass dieser jemand von mir ablassen würde. Das Geräusch eines Schlüssels, der wenig später das Schloss meiner Zelle öffnete, zerstörte meine Hoffnungen so schnell wie sie aufgekommen waren. Ich kauerte mich gegen den nackten Fels und hoffte damit verschmelzen zu können um meinem bevorstehenden Schicksal zu entgehen. Der Mann kam mir immer näher und packte mich schließlich grob am Handgelenk und zog mich auf die Beine. Diese jedoch gaben unter mir nach und ich landete unsanft auf den Knien. Der vermummte fackelte nicht lange, packte mich an der Hüfte und warf mich über seine Schulter. Er verließ mit mir im Schlepptau meine Zelle und trug mich tiefer in den Untergrund, bis wir vor einer Tür ankamen, die sofort aufschwang und ein weiters verzweigtes Tunnelsystem erahnen lies. Ich gab es auf mir den Weg, den wir gegangen waren einzuprägen, da ich mich in diesem Labyrinth garantiert nicht mehr zurechtfinden würde. Nach einer Weile blieben wir stehen und der Mann klopfte laut an die vor uns befindliche Tür, die wenig später mit einem leisen quietschen geöffnet wurde. Der schwarz gekleidete begrüßte seinen Kumpanen und ließ mich kurz darauf von seiner Schulter auf den kalten Boden gleiten, wo ich mich mit einem schmerzerfüllten Zischen versuchte aufzusetzen.

Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt