POV Kai
Ich hatte die Frage ausgesprochen, vor dessen Antwort ich eine Heidenangst hatte. Hatte sie gestellt und stand jetzt einem mehr als verblüfften Keno gegenüber. Er stand einfach da und starrte mich an. Es schien mir eine Ewigkeit vergangen zu sein, als sein Gesicht endlich eine Regung zeigt und sich zuerst sein rechter Mundwinkel und schließlich sein linker nach oben zogen und er mich anstrahlte als wäre ich das achte Weltwunder. Erleichtert seufzte ich, denn seine Reaktion verriet mir, dass er zumindest nicht vollkommen abgeneigt war und mich mit etwas Glück sogar als seinen Gefährten akzeptieren würde. Was denkst du denn bloß. Die beiden warten schon so lange auf diese Frage. Glaubst du wirklich, dass er jetzt noch verneinen würde, vor allem, nachdem du ihm immer wieder kleine Häppchen vorgeworfen hast, sodass er gar nicht anders kann, als jetzt die Welt von dir zu wollen. Da hatte er allerdings recht und trotzdem war ich mir in diesem Moment so unsicher, wie noch nie. Innerlich führten gerade die beiden möglichen Ausgänge, die ich mir ausmalte, Krieg gegeneinander. Auf der einen Seite stand die Angst, was geschehen würde, wenn er mich nicht akzeptieren würde und auf der entgegengesetzten stand die Vorstellung einer glücklichen Zukunft. Konnte ich mir überhaupt erlauben auf so etwas wie eine Zukunft für uns beide zu hoffen? Meine Zweifel befeuerten weiterhin die Angst, am Ende allein und verlassen dazustehen und trieb mich weiter in den Zwiespalt. Ich war hin und her gerissen. Mach dir nicht immer so viele Gedanken. Hör auf dir sämtliche Szenarien auszumalen. Am Ende wird es sowieso anders kommen. Du kannst nicht alles kalkulieren. Das Leben läuft einfach nicht so auch wenn du das immer noch nicht kapieren willst. Du kannst weder die Entscheidungen der anderen beeinflussen, noch kannst du etwas an ihnen ändern. Nimm es hin wie es kommt. Du machst dich nur selbst kaputt damit. Das tut dir nicht gut. Lass dich doch, wenn auch nur ein einziges Mal, auf das Leben ein und sie zu, wie alles seinen Lauf nimmt, auch ohne dass du dir ständig den Kopf darüber zerbrichst. Du hast weder die Macht das Schicksal umzuschreiben, noch den Willen der Mondgöttin zu ändern. Silver hatte schon recht, daran gab es keine Zweifel, aber es war trotzdem schwer, ja fast unmöglich für mich so etwas umzusetzen. Nicht weil ich nicht wollte. Aber ich hatte Angst irgendwann die Kontrolle zu verlieren, wenn ich nicht nachdachte, Szenerien von möglichen Ausgängen in meinem Kopf abspielte oder alles und jeden zu hinterfragte. Ich hatte definitiv ein gewaltiges Vertrauensproblem. Aber bei Keno war es anders. Von Anfang an hatte ich nicht das Bedürfnis sein Tun, geschweige denn ihn zu hinterfragen. Mein Verstand hatte scheinbar in Momenten, die ich mit ihm teilte auf Autopilot geschalten, ohne dass ich es gemerkt hatte. Er gab mir Sicherheit, ohne dafür auch nur die geringste Gegenleistung zu erwarten. Und das, das machte mir irgendwie Angst, auch wenn ich Dankbarkeit empfinden sollte. Nicht dass ich das nicht tat. Allerdings beunruhigte mich der Einfluss, den er auf mich und meine Gedanken und Gefühle hatte. Ich wollte nicht abhängig von ihm sein, war jedoch auf dem besten Weg dorthin und wenn es einmal soweit war, war es verdammt schwer den Rückzug anzutreten und sich die Selbstständigkeit wieder zurückzuerobern. Das entsprach zwar absolut nicht der Natur eines Omegas, und das wusste ich nur zu gut, aber ich wusste was die Abhängigkeit mit einem anstellen konnte. Ich würde es auf keinen Fall noch einmal dazu kommen lassen. Ganz sicher nicht. Eine Hand, die in meinem Blickfeld auftauchte, riss mich jäh aus meinen Grübeleien, zurück ins hier und jetzt. ,,Hey. Erde an Kai. Bist du noch auf diesem Planeten oder schwirrst du irgendwo in den Weiten des Raums herum?" Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich wohl wie weggetreten da stand und vor mich hinstarrte. ,,Nein. Soweit ich weiß habe ich noch keinen neuen Planeten entdeckt und ihn nach mir benannt. Entschuldige hast du irgendwas gesagt", fragte ich leicht verlegen. Keno sah mich mit großen Augen an und ich wusste nicht, was er jetzt von mir wollte. ,,Ich habe bestimmt zehn Minuten versucht zu dir durchzudringen. Was geht dir denn durch dein hübsches Köpfchen, dass du so in deinen Gedanken versunken bist", meinte er tadelnd und strich mir sanft über den Kopf. Diese liebevolle Geste ließ den Rotton auf meinen Wangen ein klein wenig dunkler werden und ich sah beschämt zu Boden. Ich wollte gerade nichts mehr als im Boden zu versinken, Keno jedoch hob mit dem Zeigefinger leicht mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. ,,Egal was dir durch den Kopf geht, du kannst mit mir darüber reden. Wenn nicht, dann kannst du mich gerne als deinen Boxsack missbrauchen und deinen Frust rauslassen. Und um auf deine Frage zurückzukommen. Ich werde dich natürlich akzeptieren. Ich hatte ehr Angst, dass du mich nicht akzeptierst, aber da hab ich mir wohl um sonst Sorgen gemacht", erklärte er und nahm mir damit einen großen Teil der Gedanken, die mich grübeln ließen. Zudem hatte er mir in Aussicht gestellt, dass ich ihn so richtig fertig machen durfte, wenn es mir danach war und diese Gelegenheit würde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Dankbar ließ ich mich in seine geöffneten Arme sinken und genoss die Wärme und Geborgenheit seiner starken Arme. Seit wann genau bist du so kuschelbedürftig? Halt die Klappe. Gerade genoss ich die Nähe einfach und ließ mich in dem Strudel der glücklichen Gefühle treiben. In dem Moment wurde mir klar, dass ich mein Zuhause gefunden hatte. In ihm. In meinem Mate. In seiner Umarmung. Keno strich mir erneut sanft durch die zerzausten Haare und gab mir das Gefühl akzeptiert und gewollt zu sein. Lass mich bitte nie wieder los. Ich wusste dass er diesen stummen Wunsch nicht hören konnte doch trotzdem wiederholte ich ihn immer und immer wieder in Gedanken. ,,Lass uns frühstücken", flüsterte Keno gegen meinen Scheitel und jagte mir einen wohligen Schauer über den Rücken. Brummelnd kuschelte ich mich noch etwas dichter an ihn, denn ich wollte diese Umarmung nicht unterbrechen, nicht einmal für den leckeren Kuchen. ,,Da ist aber jemand kuschelbedürftig. Soll ich dich vielleicht tragen", meinte er grinsend und hauchte mir einen leichten Kuss auf die Stirn, ehe er mich freigab und mich sanft zum Küchentisch schob.POV Keno
Was war nur los mit ihm? Ich kannte ihn als aufgeweckten Wolf, der auch wenn es nicht seiner Natur entsprach, öfters Streit aber keineswegs zwingend die Nähe anderer suchte. Aber in letzter Zeit war er immer sehr anhänglich gewesen, ob es wohl daran lag, dass er seinen Mate in mir gefunden hatte und diese Nähe und Bindung einfach nicht gewöhnt war? Vielleicht lag es auch einfach an den veränderten Pheromonen, die ich oder auch er unbewusst ausstießen. Ich konnte mir in keinem Fall sicher sein und beließ es einfach dabei, mich über seine Nähe zu freuen. Wer weiß wie lange dieser Zustand noch anhalten würde. Spätestens wenn er mein Angebot einlösen und mir richtig in den Arsch treten würde, wäre diese Phase ganz sicher vorbei. Warum hast du ihm das überhaupt angeboten. Du weißt ganz genau, dass wir danach in der Ecke sitzen und winselnd unsere Wunden lecken werden. Er wird sich wohl kaum zurückhalten. Wie kommt das denn rüber, wenn der Alpha des Rudels von einem Omega in seine Schranken gewiesen wird. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass wir keine Zuschauer haben, sonst sind wir unseren Rang schneller los, als wir seinen Namen sagen können. Beruhig dich mal. Ich habe ihm das angeboten, weil ich das Gefühl habe dass er sich ordentlich unterschätz und zurückgedrängt fühlt. Ich möchte ihm einfach die Chance geben, die Vorurteile der anderen auszuschlagen. Denn, auch wenn ich ihr Alpha bin, werden sie es nicht akzeptieren, dass ich ihn mir gleichgestellt sehe. Er wird sich beweisen müssen und dem Rudel klar machen, dass er mir alle mal gewachsen und eine würdige Luna ist. Und dazu brauchen wir nun mal Zeugen, die das ganze bestätigen können. Auch wenn das sehr an deinem Ego kratzt, du willst doch auch dass sie ihn akzeptieren und als vollwertiges Mitglied ansehen. Lev grummelte kurz beleidigt, schien die Situation aber so hinzunehmen. ,,Der Kuchen ist wirklich lecker. Ich kann Isabelle das nicht verübeln", meinte Kai grinsend und riss mich aus der Diskussion mit Lev. ,,Das freut mich ungemein aber Isabelle wird trotzdem ihren Anschiss kassieren. Sie hätte ja wenigstens um Erlaubnis bitten können." Dass er sie verteidigte ärgerte mich schon ein bisschen, schließlich ging es ja um seinen Geburtstagskuchen. ,,Was hätte das denn geändert? Du hättest es ihr so und so nicht erlaubt, oder nicht? Ich finde du solltest das mit der Abreibung sein lassen", merkte er an und da war durchaus etwas dran. ,,Warum verteidigst du sie eigentlich? Du kennst sie doch nicht einmal und außerdem hat sie dich verletzt und deinen Kuchen angerührt?" Ich war mehr als verwirrt. Er zuckte nur mit den Schultern und sah mich grinsend an. Die beiden hecken bestimmt etwas aus. Vielleicht eine Verschwörung gegen uns? Jetzt übertreibst du aber gewaltig. Kai stand auf, um den Tisch abzuräumen und grinste mich böse an, bevor er sich umdrehte und die dreckigen Teller in die Spülmaschine stellte. Jetzt war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob er nicht doch etwas im Schilde führte. Ich habs dir gesagt. Aber du willst ja nicht auf mich hören. Ich stand ebenfalls auf, trat hinter Kai und schlang meine Arme um ihn. ,,Was hast du vor", fragte ich etwas verunsichert. Er legte den Kopf in den Nacken und grinste mich von unten herab an. ,,Ich weiß gar nicht was du meinst", meinte er verschmitzt. ,,Du machst mir Angst, weißt du das. Hast du dich mit Isabelle verbündet um mich in die Pfanne zu hauen", sprach ich meinen Verdacht aus und Kai's Grinsen wurde nur noch breiter. ,,Wie soll ich mich denn mit ihr verbünden. Ich kenn sie ja nicht einmal und außerdem, wie du gesagt hast, müsste ich sie ja hassen, nachdem was sie mir angetan hat", gab er mir zu verstehen und wand sich aus meiner Umarmung, um schließlich um die nächste Ecke zu verschwinden. Er ließ mich somit ziemlich verdutz in der Küche stehen und langsam bezweifelte ich, ob es eine gute Idee war, ihm zu erlauben mich herauszufordern. Aber ich würde garantiert keinen Rückzieher mehr machen. Ich war einfach nicht der Typ, der sich erstens vor einem Kampf drückte und zweitens ein Versprechen gegenüber einer wichtigen Person brach. Ich würde noch früh genug herausfinden, was ich mir mit dem wilden Omega alles eingebrockt hatte. Eins stand fest. Er hatte mein Herz jetzt schon gestohlen.
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Schatten der Vergangenheit
LobisomemEin normaler 17 jähriger Junge oder doch nicht? Dieser Junge war ein Omega. Aber an sich ist daran ja noch nichts unnormal. Auf den ersten Blick sah er auch aus wie ein typischer Omega: etwas kleiner als gleichaltrige und schmächtig. Man sieht ihm s...