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POV Keno
Als wir den alten Bunkerkomplex verlassen hatten, hatte ich meinen Pulli ausgezogen und ihn Kai übergezogen. Inzwischen hatten wir den Garten hinter dem Haus erreicht und Isabelle stob in eine andere Richtung davon um den kleinen Wolf zu holen, während ich Kai zu meinem Auto trug um mich mit ihm auf den Weg ins Rudel-Krankenhaus zu machen. Isabelle würde nachkommen um ein paar Kleidungsstücke und eine warme Decke mitzubringen. Kaum hatte ich das Auto erreicht, riss ich die Tür auf und legte den bewusstlosen Wolf vorsichtig auf der Rückbank ab, ehe ich zur Fahrertür eilte, einstieg und den Wagen startete. Mit deutlich zu hohem Tempo raste ich vom Parkplatz und bog wenig später schon auf den des Krankenhauses. Kai war immer noch nicht zu sich gekommen und meine Sorgen wuchsen von Minute zu Minute. Auf dem Weg hatte ich den Arzt angerufen und ihm die Kurzfassung des Geschehenen berichtet, woraufhin er mich bat sofort zu ihm zu kommen. Ich nahm Kai wieder auf die Arme und folgte seinen Anweisungen, bis ich schließlich in einem von vielen weißen, sterilen Zimmern ankam, wo der Mediziner schon mit zwei weiteren, in weiß gekleideten Ärzten wartete. Kaum hatte ich den Raum betreten, nahm der größte der drei Kai aus meinen Armen um ihn auf einer ebenfalls weißen Bahre abzulegen. Sofort schwirrten die drei um meinen Mate herum, sodass ich nur noch kurze Blicke auf ihn erhaschen konnte. Völlig verloren stand ich immer noch in der Tür und wusste nichts mit mir anzufangen. Nach einigen Minuten löste sich der Rudel-Arzt aus dem Gewimmel und zog mich zur Tür hinaus. Ich verstand die Welt nicht mehr und wollte schon dagegen protestieren, als Isabelle neben mir auftauchte und beschwichtigend eine Hand auf meine Schulter legte. ,,Hör dir wenigstens an was er dir zu sagen hat. Es hat keinen Sinn den Mann weiter bei seiner Arbeit zu behindern", meinte sie leise. Schwer seufzte ich, ehe ich mich geschlagen gab und nickte. Der Arzt sah mich mitfühlend an: ,,Ich würde Sie bitten, Alpha, hier draußen zu warten. Sobald wir fertig sind dürfen Sie sich gerne an seine Seite setzten, aber im Augenblick behindern Sie uns nur. Wenn sein Zustand stabil ist, werde ich Ihnen sofort Bescheid geben." Mit diesen Worten verschwand er wieder, zog die Tür hinter sich zu und lies mich mit meinen vernichtenden Gedanken allein. ,,Komm her und setzt dich. Es geht auch nicht schneller wenn du die Tür anstarrst", meinte die Beta. Das war jetzt auch nicht hilfreich. ,,Ich brauche deine Ratschläge nicht! Du hast keine Ahnung wie sich das anfühlt, dort zu stehen und absolut nichts tun zu können!", brüllte ich. Entkräftet sank ich an der Wand zu Boden, wobei mir Isabelle's besorgter Blick entging. Kurz stand sie noch dort, ließ sich aber dann ebenfalls neben mir zu Boden gleiten und hielt mir den kleinen Wolf vor die Nase. Nach einigem zögern nahm ich ihr das flauschige Tierchen ab, drückte es fest an meine Brust und inhalierte Kai's Duft, der dem Wolf noch immer anhaftete. ,,Es tut mir leid, Isabelle. Das war nicht fair von mir, schließlich kannst du ja nichts dafür. Ich habe nur so furchtbare Angst um ihn", versuchte ich mich zu erklären. Der Versuch war lächerlich aber zu mehr war ich im Moment nicht im Stande, denn ich war den Tränen nahe. Kurz dachte ich, sie würde aufspringen und davoneilen, aber sie tat nichts dergleichen. Stattdessen ließ sie ihren Kopf auf meine Schulter sinken und flüsterte: ,,Ich habe auch Angst um ihn. Das ist vollkommen normal, aber verlier dich nicht in deiner Angst und den Vorwürfen oder Selbstzweifeln, Keno. Er braucht dich und dann musst du für euch beide stark sein." Sie hatte recht.

Ich weiß nicht wie lange wir so auf dem Boden saßen, aber irgendwann ging die Tür auf und die beiden Assistenzärzte kamen heraus. Hinter ihnen erschien der Rudel-Arzt und winkte mich herein. Zögernd sah ich Isabelle an, denn ich war mir nicht sicher, ob ich sie einfach hier sitzen lassen konnte. Aber sie lächelte mir nur aufmunternd zu und sagte: ,,Geh schon zu ihm. Ich werde nach Hause fahren. Die Tasche die ich mitgebracht habe gebe ich vorne ab. Ruf mich an wenn du mich brauchst." Dankbar sah ich noch ein letztes mal zu meiner Beta, betrat schließlich den Raum und schloss die Tür hinter mir. Jetzt wo die Liege nicht mehr umstellt war, sah ich Kai zum ersten Mal, seit ich ihn vor drei Stunden hergebracht hatte. Er sah so friedlich aus, wären da nicht die unzähligen Verbände, Schläuche und Pflaster, die vermutlich jeden Zentimeter seiner blassen Haut bedeckten. Es brach mir das Herz ihn so zu sehen. Glücklicherweise bedeutete mir der Arzt, dass ich mich neben ihn setzten durfte und er ließ sich mir Gegenüber auf einen Hocker fallen. Einige Augenblicke starrten wir auf den kleinen Körper, ehe der Mann sich räusperte um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wiederwillig löste ich den Blick von den geschlossenen Augen und lehnte mich zurück, ohne aber Kai's Hand loszulassen. ,,Er ist wirklich stark. Ich bin mir nicht sicher, wie er das durchgestanden hat, aber er hat meinen Respekt. Geben Sie ihm ein paar Wochen und er ist, zumindest körperlich wieder der Alte. Ihr Mate braucht Sie jetzt, damit er sich wieder vollständig erholen kann." Nickend betrachtete ich den kleinen Wolf und in mir keimte ein vollkommen neues Gefühl auf, dass ich aber für den Moment ignorierte, denn dafür war später noch genug Zeit. Die Worte des Arztes machten mir Hoffnung. Vielleicht war ich doch noch rechtzeitig gekommen? Wir hätten ihn gar nicht alleine in die Stadt gehen lassen sollen. Aber wir können ihn nicht Zuhause einsperren und hoffen, dass er das einfach so hinnimmt. Denn so wie ich ihn kenne wird er das ganz sicher nicht. Dann müssen wir jeden umbringen, der ihm irgendwas böses wollen könnte. Das ist unrealistisch und unmöglich. Woher sollen wir denn wissen wer das sein könnte. Ich kann nicht mein ganzes Rudel oder noch besser die ganze Welt umbringen. Eine Hand an meiner Schulter riss mich aus dem Gedankenchaos. Ich sah auf und direkt in das Gesicht des Arztes, wusste allerdings nicht, was er von mir wollte. ,,Geht es Ihnen gut? Ich habe fast drei Minuten versucht zu Ihnen durchzudringen." ,,Ja, sicher. Was wollten Sie wissen?", fragte ich verwirrt. ,,Ich wollte Sie fragen, ob Sie wissen, was genau passiert ist. Sie haben mir zwar schon berichtet, was ungefähr geschehen ist, aber ich wüsste gern was vorgefallen ist, während sie dort waren. Wissen Sie was passiert ist, bevor Sie kamen? War Ihr Mate vielleicht ansprechbar, während Sie bei ihm waren?", bohrte der Arzt nach. ,,Nein, ich weiß es leider selbst nicht. Ich habe ihn so gefunden und der, der ihm das angetan hat, kann meine Fragen nicht mehr beantworten. Auch war er den ganzen Weg hierher bewusstlos. Ich habe versucht ihn zu wecken aber da war keine Regung.", entgegnete ich. ,,Wie geht es ihm? Ist er schwer verletzt?", fragte ich besorgt. Einen Moment zögerte der Arzt, ehe er antwortete: ,,Den Umständen entsprechend. Aber sein Wolf scheint ihn nicht oder nur sehr langsam zu heilen, ganz im Gegensatz zum letzten Mal. Die körperlichen Verletzungen werden heilen aber ich kann nicht sagen wie es mit den seelischen aussieht. Das muss ihn schwer traumatisiert haben.", erklärte mein Gegenüber. ,,Als ich ihn gefunden habe, war er vollkommen blutverschmiert und halb nackt. Jeder andere wäre sicherlich auch psychisch am Ende, hätte man ihn entführt, festgehalten und verprügelt.", fügte ich hinzu. ,,Ja, sicher. Aber sie oder er haben ihn auch Vergewaltigt.", sprach der Arzt zögernd aus. ,,Was?!" Fassungslos starrte ich den Mann an. ,,Das ist nicht Ihr Ernst oder?", fragte ich nach, in der Hoffnung ich hatte mich verhört. ,,Leider schon. Deswegen braucht er Sie jetzt umso mehr. Ich weiß nicht wie er das verarbeitet oder ob er es überhaupt jemals verarbeiten kann.", entgegnete der Arzt. ,,Ich glaube Sie haben ebenfalls viel zu verarbeiten. Ich würde Sie beide jetzt allein lassen. Falls Sie etwas brauchen sollten, rufen Sie einfach an." Mit diesen Worten wandte er sich zum gehen und versicherte nochmals dass ich jederzeit nach ihm rufen lassen konnte und auch, dass alle Stunde jemand nach Kai sehen würde. Dann fiel die Türe endgültig hinter dem Mann zu und ich war allein mit meinen Gedanken. Völlig versunken betrachtete ich Kai und machte mir immer mehr Vorwürfe.

Ich musste eingeschlafen sein, denn ich wachte langsam auf, weil kleine Finger Kreise in meinem Haar zogen. Allmählich realisierte ich wo ich war und fuhr hoch, denn die Hand konnte eigentlich nur Kai gehören. Ich sah zu seinem Gesicht hoch aber er hatte die Augen geschlossen. Hatte ich mir das alles nur eingebildet. Aber es hatte sich so real angefühlt. ,,Kai?", fragte ich unsicher in die Stille hinein. Sein eines Lied hob sich eine Winzigkeit und er blinzelte angestrengt. Meine Hand wanderte wie automatisch zu seiner Wange und streichelte vorsichtig darüber. ,,Wie gehts dir?", stellte ich die Frage, vor deren Antwort ich furchtbare Angst hatte. ,,Ich will hier raus. Ich hasse Krankenhäuser.", hauchte er und brachte mich zum grinsen. ,,Wenn du wirklich hier raus willst dann werde ich den Arzt überzeugen aber du solltest dich trotzdem noch ein bisschen ausruhen. Versuch doch noch ein bisschen zu schlafen, was meinst du? Isabelle hat dir deinen kleinen Wolf mitgebracht." Kaum hatte ich das Plüschtierchen vom Fußende genommen und neben ihn gesetzt, zog er es in seine Arme und schien es gar nicht mehr loslassen zu wollen. ,,Ich hoffe du willst mich nicht ersetzten.", meinte ich gespielt entsetzt. Die einzige Antwort darauf war ein leichtes Kopfschütteln. Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass das keine gute Idee war. Du hörst aber nie auf mich. Gekonnt ignorierte ich Lev's Beschwerde und fragte stattdessen leise, ob ich mich zu ihm legen sollte. Auch dieses Mal kam nur ein angedeutetes Nicken als Antwort. Langsam rutschte Kai an den Rand des Bettes, sodass ich mich neben ihm ausstrecken konnte. Ich drehte mich auf den Rücken und Kai schien das als Einladung aufzunehmen, wieder näher zu rutschen, sich an mich zu kuscheln und den Kopf auf meiner Brust abzulegen. Den kleinen Wolf hatte er immer noch im Arm und drückte ihn nur noch enger an sich. Kaum hatte er es sich bequem gemacht, war er auch schon eingeschlafen. Vorsichtig schlang ich einen Arm um ihn und zog die Decke wieder höher, denn es war ziemlich kalt hier. Ich schloss meine Augen und beschloss, dass ein wenig schlaf auch nicht schaden konnte. Nach nur wenigen Augenblicken kamen meine Gedanken schließlich auch zur Ruhe und machten platz für den erlösenden Schlaf.

Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt