24.

6 0 0
                                    

POV Keno
Kaum hatte Kai Gas gegeben war er schon mit halsbrecherischen Tempo hinter der nächsten Kurve verschwunden und mein Puls schoss in die Höhe. Man musste ihm allerdings lassen, dass er sein Bike erstaunlich gut unter Kontrolle hatte. Immer noch war ich einigermaßen verblüfft, dass er einen Führerschein hatte und dann auch noch so eine große Maschine fuhr. Wenn er dieses Tempo beibehielt, würde ich mit einiger Verspätung ankommen und jetzt verstand ich auch warum er die Adresse hatte haben wollen. Wahrscheinlich war er seit geraumer Zeit nicht gefahren und irgendwo konnte ich nachvollziehen, dass er heute alles aus der Maschine rausholen wollte.

Als ich knappe zwei Stunden später auf den kleinen Parkplatz fuhr, hatte Kai seinen Helm bereits abgezogen und sein Gesicht zierte ein Grinsen, welches meine Knie weich werden ließ. Ziemlich sicher hatte er mich noch nie so angesehen und ein wenig enttäuscht musste ich feststellen, dass ich nicht einmal der Grund für seine Hochstimmung war. Kurzerhand ging ich an ihm vorbei, um meinen Gesichtsausdruck zu verbergen und schloss die Tür des unterirdischen Labyrinths auf. Kai schwang sein Bein über den Sitz, hängte den Helm an den Lenker und kam auf mich zu, während er den Reißverschluss der Lederjacke aufzog und sich durch die Haare wuschelte, die vom Helm ziemlich zerzaust worden waren. Ein weiteres Mal musste ich mich abwenden, um meine Emotionen, die mir zweifelsohne glasklar ins Gesicht geschrieben standen, zu verbergen. In seiner Schutzkleidung sah er unfassbar heiß aus, was meine Gedanken in eine völlig unangebrachte Richtung lenkte und meine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellte. Am liebsten würde ich einen Arm um seine Taille schlingen, ihn an mich ziehen und küssen bis er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Diese Vorstellung war meiner wachsenden Erektion absolut nicht zuträglich. Mit einer kurzen Geste ließ ich Kai den Vortritt, was im Nachhinein gesehen eine miese Idee war, denn nun bewegte sich sein Hintern in meinem Blickfeld und ich musste kurz die Augen schließen. Du bist ganz schön am Arsch. Lev kicherte schadenfroh, aber gerade war mein Verstand nicht in der Lage den provozierenden Seitenhieb als solchen zu erkennen. Am Fuß der Treppe angekommen blieb ich stehen, gleich hinter Kai, der in die erste Zelle starrte, die Hände zu Fäusten geballt. Mit Hass war zu rechnen gewesen aber für das was jetzt in Kai's Blick stand war Hass gar kein Ausdruck. Gerade wollte ich auf keinen Fall in der Haut seines Vaters stecken, welcher unter diesem Blick förmlich zusammenschrumpfte. Zögerlich trat ich einen weitern Schritt auf Kai zu und legt meine Hand auf seine Schulter, was hoffentlich einen beruhigenden Effekt hatte. Sein lodernder Blick irrte keine Sekunde von dem Mann hinter den Gitterstäben ab und ich war mir ziemlich sicher, wären diese nicht gewesen, hätte er sein Leben schon längst ausgehaucht. Trügerische Ruhe legte sich über die Gesichtszüge des Omegas und der Beta in der Zelle ließ erleichtert die angespannten Schultern sacken. Offensichtlich kannte er seinen Sohn kein bisschen, denn dann hätte er diese Veränderung als Warnung betrachtet und nicht als das Trugbild der Sicherheit, das es keinesfalls war. Wenn überhaupt, war Kai gerade noch gefährlicher geworden. Sein Blick zuckte zu mir und mit einer kurzen Geste, bat er mich ihm zu folgen. Sobald wir außer Hör- und Sichtweite waren blieb er stehen und fragte flüsternd: ,,Kannst du ihn da rausholen? Ich würde gerne ein Gespräch unter vier Augen mit ihm führen, vorzugsweise an einen Stuhl gefesselt." Mit jedem Wort waren meine Augenbrauen höher gewandert und verblüfft blickte ich ihn an, nickte dann aber, als er mich abwartend musterte. ,,Gib mir ein paar Minuten. Ich werde zwei meiner Männer bitten deinen Vater in einen anderen Raum zu bringen." Kurz hatte ich Bedenken, ob Kai diesem Vorschlag zustimmen würde aber er nickte nur und verschwand tiefer in den unterirdischen Gängen. Ich beeilte mich ihn einzuholen, um ihn nicht zu verlieren, zog im Laufen das Handy aus meiner Tasche und tätigte einen Anruf. Erst als Kai stehen blieb und eine Tür aufzog, realisierte ich wohin ich ihm gefolgt war. Festen Schrittes trat er in die Mitte des Raumes, ließ seinen Blick schweifen, um dann zielstrebig auf die Wand mit den verschiedensten Messern, Wurfdolchen und Stichwaffen zuzugehen und sich einen einfachen zweischneidigen Dolch mit Blutrille von der Wand nahm. Unwillkürlich musste ich anerkennen, dass er eine gute Wahl getroffen hatte. ,,Darf ich den kurz ausleihen?" ,,Na klar. Du kannst ihn auch behalten wenn du willst", erwiderte ich, unsicher ob ich nicht einen Fehler beging. Mein Handy klingelte und als ich das kurze Gespräch beendet hatte, wandte ich mich Kai zu: ,,Bist du soweit? Möchtest du dass ich dich begleite?" Kurz war ich mir sicher keine Antwort zu bekommen, wurde allerdings ein weiteres Mal eines besseren belehrt, als Kai seine Jacke absteifte und nickte. ,,Ja! Falls ich die Beherrschung verlieren sollte musst du mich zurückhalten. Ich will dass er leidet." Kurzerhand schnappte ich mir eine Glock samt Schulterholster und folgte Kai nach draußen. Dort blieb er stehen und schien auf irgend etwas zu warten, bis ich begriff, dass er ja gar nicht wissen konnte, wo sich sein Vater befand. Also trat ich neben ihn, sah kurz aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber und setzte mich in Bewegung. Kai ging neben mir her und kaum waren wir vor einer weiteren Tür angekommen, griff er entschlossen nach der Klinke und betrat den Raum. Hinter mir zog ich die Tür wieder ins Schloss und betrachtete die Szene vor mir. In seiner schwarzen Lederhose, dem schwarzen enganliegenden Pullover und dem lodern seiner Augen sah er aus wie der fleischgewordene Tod und unwillkürlich stellten sich die feinen Härchen in meinem Nacken auf. Der Blickkontakt der beiden war intensiv und Kai's Vater war der erste, der den Blick niederschlug und kaum merklich zitterte. Kurz landete der Blick des Omegas auf mir und ich gab ihm mit einer schnellen Geste zu verstehen, dass ich mich zurückhalten und nur eingreifen würde, wenn die Situation zu eskalieren drohte.

Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt