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POV Keno
Seine Kleidung über meinen Arm gelegt, sah ich über meine Schulter zurück und versuchte mir vorzustellen, was gerade in seinem Inneren vorgehen mochte. Meine eigenen Gedanken, waren so in Aufruhr, dass ich das Geschehene gar nicht richtig einzuordnen vermochte, wobei ich mir sicher war, dass Wut gerade das verheerendste Gefühl war. Wut vor allem auf die Männer und Kai's Vater, die solche Grausamkeiten über ihn gebracht hatten. Wut auch auf mich selbst weil ich nicht die erstbeste Gelegenheit genutzt hatte, um diesem ohnehin verwirkten Leben ein Ende zu setzten. Im Nachhinein fragte ich mich, wie ich so blind hatte sein können. Gedankenverloren begann ich die mittlerweile getrockneten Blutspitzer von dem Leder zu schrubben, was deutlich besser klappte, als anfangs angenommen. Den Pulli steckte ich kurzerhand in die Waschmaschine. Die Dusche lief immer noch, aber als ich den Raum betrat, saß Kai auf dem Boden, den Rücken an die Fließen hinter sich gelehnt und hatte die Knie an die Brust gezogen. Im Vorbeigehen schnappte ich mir eines der gefalteten Badetücher, die auf dem Schrank lagen, drehte die Dusche ab und ging neben Kai in die Hocke. Vorsichtig wickelte ich das Handtuch um seine Schultern und zog ihn auf die Beine, wobei er leicht schwankte. ,,Fühlst du dich in der Lage nach Hause zu fahren", fragte ich besorgt, er könnte sich überschätzen. Statt auf meine Frage zu antworten, stellte er eine Gegenfrage: ,,Was passiert mit seinem Körper?" In der ersten Sekunde, wusste ich nicht worauf er hinaus wollte, bis mir in den Sinn kam, dass wir ja eine Leiche zurückgelassen hatten. Darauf hatte ich keinen einzigen Gedanken verwandt und erst jetzt, als Kai es erwähnte, dachte ich darüber nach. ,,Wahrscheinlich werden meine Männer sich dieses Problems annehmen", grübelte ich, wobei ich mir vornahm, mich sofort darum zu kümmern. Der Omega neben mir gab einen missbilligenden Laut von sich, blieb stehen und sah mich an, das Handtuch weiterhin um sich gewickelt. ,,Ich will ihn brennen sehen und sichergehen, dass er wirklich fort ist und das einzige das übrig bleibt seine Asche ist." Er spie es mit einer unerschütterlichen Überzeugung aus und ich wusste, dass nichts und auch wirklich gar nichts ihn davon abhalten würde, jede verbliebene Spur des einstigen Lebens auszulöschen, so als hätte der Beta nie existiert. Das einzige Hinterbliebene Zeugnis seiner Existenz stand neben mir und ich war mir sicher, dass Kai jegliche Verbindung leugnen würde, sollte doch jemand die richtigen Schlüsse ziehen. Das Handtuch landete neben mir auf dem Boden und sobald er in seine Unterhose und Hose geschlüpft war, schnappte er sich seine Stiefel und die Motorradhose und sah mich auffordernd an. Ich im Gegenzug sah ihm amüsiert dabei zu, wie er sich der Tür zuwandte, seine Haare immer noch tropfnass. ,,Bleib stehen!", forderte ich ihn grinsend auf, während ich das Handtuch vom Boden klaubte und seinem verwirrten Blick begegnete, als ich auf ihn zuging. Bei ihm angekommen, begann ich seine Haare trocken zu rubbeln, wobei er mich ein wenig so ansah, wie ein nasser Welpe. ,,Willst du wirklich barfuß und mit nacktem Oberkörper eine Leiche verbrennen?", fragte ich und bemerkte, wie er leicht verlegen an sich heruntersah. ,,Ähm... Ich konnte meinen Pulli nicht finden", gab er kleinlaut von sich, was mich nur noch mehr zum schmunzeln brachte. ,,Den hab ich in die Wäsche geschmissen, weil ich die Blutflecken nicht rausbekommen habe. Aber ich kann dir gerne einen von meinen geben", bot ich an, erneut darauf aus, Kai in meinen Shirts zu sehen. ,,Ich hol dir einen, während du deine Schuhe anziehst und dann helfe ich dir." Kaum war ich zur Tür hinaus, kam mir Kai hinterher, der sich in aller Eile die Schuhe angezogen hatte und jetzt nur noch die Lederhose in der Hand hatte. Nur die gleichmäßigen Schritte hinter mir verrieten, dass Kai mir weiterhin folgte. Fix hatten wir ein Langärmliges Shirt aufgetrieben, was allerdings, wie meine ganzen geliehenen Shirts zu groß war und sich um seine Oberschenkel bauschte. Auch die Ärmel musste er einige Zentimeter nach oben krempeln, da seine Hände regelrecht darunter verschwanden. Zuhause mochte das gemütlich sein aber gerade war es alles andere als praktisch. Kaum hatte ich dir Tür hinter mir wieder ins Schloss gezogen, da war Kai schon etliche Schritte vorausgeeilt und sah über seine Schulter zurück. In seinem Blick lag eine drängende Aufforderung und sofort beeilte ich mich zu ihm aufzuschließen, da er sich schon wieder in Bewegung gesetzt hatte. Erneut verblüffte mich sein ausgezeichneter Orientierungsinn, der ihn mit untrüglicher Sicherheit zu der Tür führte, hinter der wir den leblosen Körper des Betas zurückgelassen hatten. Nicht das winzigste Zögern verlangsamte Kai's Bewegungen und er trat durch die Tür als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun. In diesem Moment erinnerte er mich ungemein an einen Gerichtsmediziner der seiner gewohnten Tätigkeit nachging und für den die Leiche, welche immer noch in der selben zusammengesunkenen Haltung an der Wand lehnte, nur ein weiterer Fall war. Eine weitere Nummer. ,,Wo können wir denn eine Leiche verbrennen, ohne sofort die Polizei auf den Plan zu rufen?'' Die Frage war an mich gerichtet gewesen. Ich allerdings wartete gespannt auf eine Antwort, bis ich realisierte, dass niemand hinter mir stand, der die Frage hätte beantworten können. Fieberhaft arbeitete mein Verstand. Das war tatsächlich ein Problem, denn außerhalb des Bunkers boten weder Bäume noch etwas ähnliches Schutz vor Neugierigen Blicken. Erneut unterbrach Kai's leise Stimme meine Gedanken. ,,Gibts hier unten einen Kamin oder einen Brennofen?" Auf diese Idee wäre ich nicht mal gekommen aber Kai dachte offenbar schon wie ein Mörder. Scherzhaft meinte ich: ,,Deine wievielte Leiche ist das denn, dass du auf solche Ideen kommst." Vollkommen ernst blickte er aus seiner Hockposition zu mir hoch. ,,Die siebte." Augenblicklich verblasste mein Grinsen während Kai's Geständnis in meinem Kopf sein übriges Tat. Nie im Leben war mein Mate ein Serienmörder. Dieser Gedanke war zu absurd um ihn so ernst zu nehmen wie es solch eine Aussage erfordert hätte. Auch sein Erscheinungsbild und sein gebaren ließen sich nicht mit meiner Vorstellung von einem Mörder vereinbaren. Andererseits war ich mehrfach Zeuge geworden, wie Kai mit seinen Fäusten umging und dabei keinesfalls zimperlich war. Hatte ich die ganze Zeit ein vollkommen falsches Bild von ihm gehabt, oder war ich einfach nur blind gewesen und hatte die offensichtlichen Zeichen ignoriert. Man sieht ja bekanntlich immer nur das was man sehen möchte. Die Hände in die Hüften gestemmt sah der Omega mich an und wartete immer noch auf eine Antwort. Ich beeilte mich ihm mitzuteilen, dass es im Heizungsraum einen alten Holzofen gab, der normalerweise zum erhitzen des Wassers diente. Seit dem dies allerdings durch ein moderneres System ersetzt worden war, wurde der Ofen nicht mehr genutzt. ,,Zeigst du mir wo?" Sein Ton klang distanziert aber ich konnte nichts gegen das aufsteigende Gefühl der Beklemmung machen, welches mir die Kehle zuschnürte. Kai hatte offenbar die Veränderung in meiner Körpersprache richtig gedeutet und fügt etwas leiser hinzu: ,,Ich werde dich nicht umbringen, falls du das denken solltest." Voll ins schwarze getroffen. Mühsam versuchte ich den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken. Meine Stimme blieb kratzig und klang so gar nicht nach meiner eigenen. ,,Komm mit." Diese Zwei Wörter hörten sich an, als hätte ich seit Jahren nicht gesprochen.

Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt