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POV Kai
Als ich aufwachte umfing mich Dunkelheit, sodass ich kurz verwirrt war und mich fragte, ob ich nicht doch noch schlief. Keine Ahnung wo ich hier gelandet war, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich hier schon einmal gewesen bin. Leider wollte mir nur nicht einfallen wo und vor allem woher ich diesen Ort kannte. Es wollte mir partout nicht einfallen. Zweifelnd blickte ich mich um, gab es allerdings nach kurzer Zeit wieder auf, da es einfach zu dunkel war. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf meine verbliebenen Sinne zu verlassen und zu hoffen, dass auch diese mir den Dienst nicht versagten. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich einzig und allein auf mein Gehör. Nach kurzer Zeit nahm ich das Geräusch flachen Atems wahr, konnte jedoch im Moment nicht bestimmen, aus welcher Richtung das leise Geräusch kam. Aber das hieß, dass jemand anderes mit mir hier war und dieser Jemand mir vielleicht auch verraten konnte wo wir uns befanden. Ob die andere Person feindlich gesinnt war, darüber wollte ich mir jetzt keine Gedanken machen, denn ich glaube wir beide hatten gerade größere Probleme. Leise kroch ich in Richtung des kaum noch wahrnehmbaren Geräuschs und meine Finger berührten kurz darauf feuchten Stoff, nahm ich an. Meine Fingerspitzen glitten weiter auf das unbekannte vor mir zu und schlossen sich um eine viel zu kalte Hand, welche sich ebenfalls leicht feucht und glitschig anfühlte. Was war das nur verdammt?! Zitternd tastete ich mich weiter voran von der Hand nach oben Richtung Kopf. Zumindest wo ein Kopf hätte sein sollen, denn oben angekommen war da kein Kopf sondern etwas kaltes, glattes, was absolut nicht die Form eines menschlichen Schädels hatte. Aber wenn da kein Kopf war, woher kamen dann die leisen und flachen Atemzüge? Was war hier los? War das ein schlechter Scherz, oder wie? Alle Alarmglocken in mir schrillten und ich zog die Hand zurück. Ich musste unbedingt einen Weg hier raus finden und zusehen, dass ich hier schnellstmöglich wegkam. Auf allen vieren suchte ich im dunkeln nach einer Wand, die es offensichtlich geben musste, denn es gab ja schließlich auch einen Boden und ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Raum derart riesig war. Nach einiger Zeit jedoch musste ich feststellen, dass ich immer noch keine Wand erreicht hatte, obwohl ich mich stetig geradeaus bewegte. Langsam mussten meine Hände doch eine Wand finden aber da war nichts, sondern nur die leisen, schwachen Atemzüge, die mich zu verfolgen schienen. Vielleicht war es ja ein Tunnel, der mich gefangen hielt. Falls diese Annahme stimmen sollte, dann musste ich mich eigentlich nur nach rechts oder links wenden, um eine der parallel verlaufenden Wände zu berühren. Gesagt getan. Ich wandte mich nach rechts, stieß aber keinesfalls auf eine Wand, wie erwartet, sondern auf eine weitere oder dieselbe kalte, feuchte, glitschige Hand wie vorhin. Erschrocken zuckte ich zurück. Das konnte unmöglich sein. Ich war mindestens zehn Minuten lang von diesem Etwas weggekrochen, wie konnte es immer noch neben mir liegen? Hatte ich mich gar nicht bewegt? War dieses Etwas mir etwa gefolgt? Aber wie konnte es dann anscheinend genauso daliegen wie vorhin? Wo war ich hier? Das konnte nicht real sein. Spielte mein Verstand mir Streiche? Von wem oder was gingen die angestrengten Atemzüge aus? Konnte ich mir selbst und meinen Sinnen noch trauen? Verwirrt und verzweifelt schloss ich für einen kurzen Augenblick meine Lider, in der Hoffnung das Chaos und die Zweifel in meinem Inneren wieder zu beruhigen. Das blieb mir allerdings verwehrt, denn plötzlich stach eine blendende Helligkeit in meinen Augen und ich musste mich unwillkürlich fragen, woher das Licht auf einmal kam. Wer hatte es angeschaltet? Ich blinzelte, um meine Augen an die Helligkeit zu gewöhnen und öffnete sie vorsichtig. Was sich mir offenbarte, ließ mich mit einem erschrockenen Schrei zurücktaumeln und nach Luft schnappen. Vor mir lag tatsächlich ein Mann, allerdings ohne Kopf. Dort wo der Kopf einmal auf dem Rumpf gesessen hatte, war ein Kürbis mit gruseliger Fratze platziert worden. Wer machte sowas? Das war einfach nur entwürdigend, auch wenn der Mann offensichtlich tot war, musste man ihn nicht derart verunstalten. Der Mann lag in seinem eigenen Blut und ich fragte mich unwillkürlich, woher das Blut kam, da er nicht verletzt zu sein schien. Und woher die Atemgeräusche kamen wollte ich gar nicht erst wissen. Ich musste so schnell es ging hier weg. Langsam wandte ich mich ab, in der Hoffnung, jetzt wo eine verborgene Lichtquelle den ungewöhnlichen Raum erhellte, einen Ausgang zu finden. Kaum war ich aufgestanden und hatte den ersten Schritt getan, legte sich eine feuchte, mir nur allzu bekannte Hand auf meine Schulter. Ich wollte mich nicht umdrehen, auch wenn ich wusste wer da hinter mir stand. Aber das konnte unmöglich sein, oder? Allmählich wich die Steifheit aus meinen Gliedern und ich wandte den Kopf herum. Tatsächlich stand der Mann hinter mir, der vor kurzem noch scheinbar leblos auf dem kalten Boden gelegen hatte. Seine knochige Hand krallte sich gar schmerzhaft in meine Schulter und die dreckigen Nägel durchbohrten meine Haut. Ich wagte es mich komplett in seine Richtung zu drehen, um ihn von mir wegschubsen zu können. Ich packte seinen verdrehten Arm, der mich keinesfalls freigegeben hatte und riss in geradezu von meiner Schulter. Sobald ich seinen Griff gelöst hatte, trat ich ihn von mir weg und wich nach hinten. Der Mann, oder was auch immer er war, stolperte rückwärts und sank auf die Knie. Ich dachte schon ich wäre ihn damit losgeworden. Als jedoch sein Kopf nach oben schnellte und mich eines besseren belehrte, erstarrte ich, unfähig mich zu bewegen. Der Kürbis, welcher dem Mann als Kopf gedient hatte, war ziemlich genau in der Mitte auseinander gesprungen und entblößte das drunterliegende, blutverschmierte Gesicht. Derjenige der mich durch den kleinen Spalt heraus gierig musterte, war kein geringerer als mein Vater. Ich wollte mich in Bewegung setzten, wegrennen, so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen aber mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Ich stand wie versteinert da und konnte nur zusehen, wie der Mann immer näher kam. Leise fluchte ich vor mich hin immer noch außer Stande mich zu bewegen. Die immer kleiner gewordene Lücke zwischen uns überbrückte mein gegenüber mit einem Sprung und landete einen Wimpernschlag später auf mir und riss mich mit ihm zu Boden. Er stützte sich mit den knochigen Armen auf beiden Seiten meines Kopfes ab und sah mich an. Plötzlich hob er seine Hand und drückte sie auf meine Brust. Es schien so als wollte er meine Haut durchdringen und der Druck wurde langsam unerträglich und ich bekam keine Luft mehr. Seine Finger hatten sich bereits schmerzhaft in meinen Brustkorb gebohrt und schienen etwas zu suchen. Das wars jetzt. Ganz sicher. Mit einem letzten Kraftaufwand versank die Hand vollends in meiner Brust umklammerte mein Herz und riss es mit einem scheußlichen Geräusch aus meiner Brust. Er warf es zur Seite und stürzte sich auf mich. Ich schrie. Das Gewicht auf mir verschwand, die Bilder verblassten und Arme schlangen sich um mich. Mit aller Kraft versuchte ich mich aus dem Klammergriff zu befreien, schaffte es schließlich und landete unsanft auf dem harten Boden. Tränen brannten in meinen Augen und ich hatte Mühe sie zurückzuhalten. Wo war ich überhaupt? War das ein weiterer Traum? Was war das überhaupt? Es hatte sich so unfassbar real angefühlt. Wer hatte überhaupt seine Arme gerade um mich geschlungen? Ich sah auf und erkannte Keno's Gesicht. Er saß auf dem Bett und musterte mich besorgt. ,,Bist du echt", fragte ich unsicher. Ich erkannte meine Stimme nicht wieder. Sie war nicht mehr als ein flüstern und das verunsicherte mich nur noch umso mehr. Mein gegenüber sah mich entsetz an, stand auf und kam auf mich zu. Was wollte er von mir? Wollte er mir etwa was antun? Panik packte mich und ich wich immer weiter zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spürte. Keno allerdings war stehen geblieben und kniete sich anschließend auf den Boden. Er saß einfach nur da und sah mich traurig an, ehe er seine Stimme hob und leise fragte: ,,Kai, was ist los?" In seiner Stimmens schwang so viel Sorge und Trauer mit, dass es mir kurz den Atem raubte. Diese Frage hatte die letzte Hemmschwelle zerstört und ich gab es auf die Tränen davon abzuhalten, meine Wangen hinunter zu fließen. Leise weinend sank ich gegen die Wand und zog meine Beine an. Keno war aufgestanden und hatte den kleinen flauschigen Wolf vom Bett genommen und kam nun mit diesem in der Hand auf mich zu. Er lies sich neben mir an der Wand nach unten gleiten und saß kurz darauf neben mir, drückte mir das flauschige Tierchen in den Arm und zog mich an sich heran. In diesem Moment war ich unendlich dankbar, dass er keine Fragen stellte, sondern mich einfach im Arm hielt und tröstete.

Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt