Confession

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"Die Geschworenen haben sich zur Beratung zurückgezogen und ein einstimmiges Urteil gefällt.", fängt der ältere Mann an und schaut von seinen Unterlagen, welche er vor sich liegen hat, auf.
"Hiermit erkläre ich den Angeklagten für schuldig der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung in besonders schweren Fällen und verurteile Herr Kim zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, ohne Bewährung."

Das war es. Kaum trifft der keine Holzhammer auf den Tisch, fällt mir eine so große Last von der Seele, dass ich mich kraftlos auf den Stuhl hinter mir fallen lasse. Jeder Muskel in meinem Körper schmerzt, jetzt wo endlich diese Anspannung von ihm abfällt. Endlich ist es vorbei!

"Hey...Jimin.", höre ich die Stimme meines Vaters und sehe den Mann an, der vor mir in die Knie geht und mir wohlwollend die Hand auf die Schulter legt.
"Du hast es geschafft, es ist vorbei! Du musst nicht mehr weinen.", versichert er mir mit ruhiger Stimme und einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen. Seine Hand legt sich auf meine Wange, wo er mit seinem Daumen behutsam die Tränen wegwischt, von denen ich nicht mal bemerkt habe, dass sie meine Augen verlassen haben.

Schwer schluchzend falle ich meinem Vater um den Hals. Sanft streicheln seine Hände meinen Rücken auf und ab, während er mir beruhigend ins Ohr flüstert. Ich lasse meine Tränen einfach laufen, aber dieses mal...sind es Freudentränen.

~~

Da wir doch viel früher zuhause waren, als ich erwartet habe, habe ich Dad gebeten mich auf dem Weg ins Büro an der Schule abzusetzen. Zwar bin ich für den Unterricht zu spät, was mich ehrlich nicht sonderlich stört, aber das Tanzen will ich mir nicht entgehen lassen. Es ist meine letzte Möglichkeit vor Morgen nochmal zu üben und es hilft mir immer dabei den Kopf frei zu kriegen. Jetzt, wo ich mich so viel leichter fühle, glaube ich tut mir das nochmal richtig gut.

Die beiden wollten zwar lieber, dass ich zuhause bleibe und mich ausruhe, der Prozess hatte mich doch ganz schön fertig gemacht.
Aber mit ein bisschen 'Bitte Bitte', ein bisschen 'Wimpern klimpern' und meiner ungeschlagenen Schmollschnute hab ich sie weich geklopft. Man muss eben nur wissen wie. Das einzige Thema wo selbst das nicht hilft ist der Hund den Tae und ich seit Jahren haben wollen aber einfach nicht kriegen.


Vorsichtig betrete ich, mit meiner Sporttasche über der Schulter, die Halle aus welcher bereits die Musik dringt. Während Seoyoung Noona mit der ganzen Gruppe zusammen eine Choreographie einübt, ist mein bester Freund etwas abseits für sich und bereitet sich weiter auf Morgen vor. Kurz beobachte ich ihn dabei, er ist wirklich richtig gut, bis er mich erblickt und einen Moment wie angewurzelt stehen bleibt. Freudestrahlend stoppt er seine Musik und kommt auf mich zu gehüpft.

"Jiminiee~", ruft er laut meinen Namen, so dass es bis an die Ohren von Kookie dringt. Dieser dreht sich sofort um, bringt damit die ganze Choreo durcheinander und sorgt dafür, dass einige ineinander rennen. Mit ein paar tiefen Verbeugungen entschuldigt der Jüngere sich bei den anderen Schülern, was ich nur kichernd beobachte.
Sofort springt Hobi mir um den Hals und drückt mich an sich, als könnte ich mich jede Sekunde in Luft auflösen.

"Geht es dir gut? Ist alles gut ausgegangen?! Es ist so schön dich zu sehen!", fängt er gleich an mich auszufragen, weshalb ich ihn nur liebevoll anlächelt und ihm leicht über den Rücken streichle.
"Ja mir gehts viel besser. Es ist alles gut ausgegangen und ich freu mich auch dich zu sehen~", beantworte ich alle seine Fragen in der passenden Reihenfolge.
"Den Rest erzähl ich dir später wenn wir allein sind, okay?", füge ich hinzu, da ich ihm nicht hier und jetzt jedes Detail erzählen will.

Hobi löst sich etwas aus unserer Umarmung um mich mit so einem bedauerlichen Blick anzusehen, der mich stutzen lässt.
"Du solltest da vielleicht was wissen...naja...", fing er an, wurde aber von dem Jüngeren unterbrochen der nun auch bei uns ankommt und mich besorgt mustert.
"Hyung! Wie geht es dir? War es schlimm vor Gericht?", stellt er seine Fragen, wobei mir schmerzlich bewusst wurde, dass er weiß wo ich Heute war. Entsetzt sehe ich Hobi an, der schützend die Hände hebt.

"Ich hab nichts verraten, aber sie haben Taehyung-ah jede Pause malträtiert mit ihren Fragen. Der Arme sah gar nicht gut aus als er in der Mittagspause eingeknickt ist und gesagt hat, dass du einen Gerichtstermin hast.", erklärt er mir was passiert ist.
"Ja das stimmt...", bestätigt Kookie schuldbewusst. "Er hat aber nicht verraten weswegen du da warst. Wir hätten trotzdem nicht so neugierig sein sollen. Entschuldige.", fügt er noch mit immer leiser werdender Stimme hinzu und lässt demütig den Kopf hängen.

Wenn ich Kookie so sehe kann ich gar nicht wirklich böse mit ihm sein. Irgendwie kann ich ja verstehen, dass sie sich sicher Sorgen gemacht haben wegen der ganzen heimlich tuerrei. Lächelnd wuschle ich dem Jüngeren durch die schwarzen Haare.
"Schon okay...ich hätte viel früher was sagen sollen.", sehe ich endlich ein. Kookie ist genau so mein Freund wie Hobi, ich hätte mich ihm anvertrauen sollen.
"Wie wärs? Wenn wir das Vortanzen Morgen Abend gerockt haben, schmeißen wir ne riesen Übernachtungsparty bei Hobi?", schlage ich breit grinsend vor. Natürlich kommt diese Idee super bei den beiden an.

"Es macht auch viel mehr Spaß am Wochenende, nicht so wie Dienstag. Wir mussten viel zu früh ins Bett." Nickend bestätige ich die Aussage meines besten Freundes, bemerkt aber gleichzeitig den ernsten, fast wütenden Blick des Jüngeren. Mit einer hochgezogenen Augenbraue und in die Hüften gestemmten Händen sieht er uns abwechselnd an.
"Ihr hattet eine Übernachtungsparty? OHNE mich?!", fragt er so empört, als wäre es das schlimmste Verbrechen das wir hätten begehen können. Sofort fingen wir an zu lachen und zogen Kookie in einen Gruppenkuschler.
Was würde ich nur ohne meine Freunde tun.

"Ach ja, Jiminie.", fängt Hobi erneut an, nachdem wir uns wieder losgelassen haben. Fragend sehe ich ihn an.
"Yoongi hat diese Neuigkeit nicht so gut aufgefasst. Ich glaube er war ganz schön sauer, dass er, als dein Freund, nichts davon wusste.", lässt er mich wissen und tauscht dabei einen kurzen Blick mit Kookie aus, der ihm da leider zustimmt.
Ich schätze wohl Yoongi schulde ich auch noch eine Erklärung. Naja, reden wollte ich ja sowieso noch mit ihm. Auch wenn ich noch keinen Schimmer habe wie, wann oder wo ich das anstellen will.

~~

Es ist 18Uhr und der Kurs damit für Heute wieder vorbei, die anderen begeben sich schon alle zu den Umkleiden, alle außer mir.
"Jiminie, willst du nicht nach Hause gehen?", höre ich die fragende Stimme Seoyoung Noonas und drehe mich zu ihr um. Mit einem Lächeln auf den Lippen kommt sie auf mich zu.

"Einmal will ich es noch durch gehen, dann mach ich Schluss. Versprochen!", bitte ich und falte die Hände bettelnd zusammen.
"Fein, aber wirklich nur noch einmal. Du solltest heute Nacht genug schlafen, damit du morgen fit bist, verstanden?", ermahnt sie mich mit erhobenem Zeigefinger und ich nicke hastig.
"Gut, dann bis nächste Woche. Und viel Glück Morgen. Fighting!", feuert sie mich noch einmal an bevor sie die Halle verlässt.
Lächelnd starte ich mein Lied von vorne und warte bis die ersten Töne erklingen.

"High dive into frozen waves where the past comes back to life
Fight fear for the selfish pain, it was worth it every time
Hold still right before we crash 'cause we both know how this ends
A clock ticks 'til it breaks your glass and I drown in you again."


Ich bin völlig in meiner Welt versunken, nehme nichts mehr um mich herum wahr, höre nur noch die Musik und mein, im Takt dazu schlagendes, Herz. Ohne diese erdrückende Last, die ich heute Morgen in diesem Gerichtssaal verloren habe, schwebe ich förmlich über den Hallenboden. Es fühlt sich so gut an, so natürlich.

''Cause you are the piece of me I wish I didn't need
Chasing relentlessly, still fight and I don't know why
If our love is tragedy, why are you my remedy?
If our love's insanity, why are you my clarity?'


Genau das ist es was ich immer machen will. Noch nie habe ich mich so Frei gefühlt wie wenn ich tanze. In meiner kleinen Blase in der einfach alles perfekt ist und ich, wenigstens für eine kleine Weile, keine Sorgen habe.

Schwer atmend knie ich, am Ende meiner Choreographie, auf dem Boden. Lasse mich erschöpft auf meine Beine sinken und versuche meine Atmung wieder etwas zu beruhigen. Wenn das Morgen auch so läuft und ich nicht vor Nervosität sterbe, bin ich echt zufrieden. Ich denke ich habe wirklich eine Chance!

"Jimin...", reißt es mich plötzlich harsch aus meiner Blase zurück in die Realität. Den Ort an dem all meine Sorgen wieder greifbar sind. Erschrocken drehe ich mich zu der Stimme und sehe meinen Freund in der Tür zu den Umkleiden lehnen, mit vor der Brust verschränkten Armen und ziemlich ernstem Blick.
"Yoongi...", erwidere ich flüsternd und stehe wieder vom Boden auf. Er hat mich nicht Kätzchen genannt, wie er es sonst eigentlich immer tut und das bereitet mir ein bisschen Bauchschmerzen. Denn mir ist klar, dass das vermutlich nichts gutes zu bedeuten hat.

"Was machst du denn so spät hier?", frage ich vorsichtig und gehe mit schnellen Schritten zu der Musikanlage um diese aus zu schalten und meine Sachen vom Boden auf zu sammeln. Wenn ich ihn nicht ansehe, bemerkt er meine Unsicherheit hoffentlich nicht.
Ich brauche ihn aber gar nicht ansehen um die Schritte zu hören, mit denen er schnell und bestimmt auf mich zukommt. Seine Hand an meinem Oberarm dreht mich zu ihm herum und wir sehen uns in die Augen.
"Warum hast du mir nichts gesagt?", fragt er sofort und ignoriert meine Frage von eben dabei völlig. Seufzend senke ich meinen Blick bevor ich ihm antworte.
"Ich konnte nicht."

"Wieso nicht? Was zum Teufel ist passiert, dass du vor Gericht musstest?!", fragt er immer aufgebrachter und lässt mich dabei keine Sekunde aus den Augen. Nervös drehe ich die Wasserflasche in meinen Händen.
"Ich war eben noch nicht so weit. Ich möchte jetzt echt nicht darüber reden, Yoongi.", versuche ich ihn ruhig zu stellen, doch er gibt sich mit meiner Antwort nicht zufrieden.

"Aber Taehyung und Hoseok konntest du es sagen? Ich bin dein Freund...solltest du mir nicht vertrauen?" Ich konnte ein Fünkchen Wut in seiner Stimme hören, aber der Schmerz überwiegt deutlich. Hat ihn mein Schweigen wirklich so sehr verletzt?
"Ich hab doch gemerkt, dass dich etwas belastet. Aber jedes mal bist du meinen Fragen ausgewichen, tust es immer noch. Und dann erfahre ich, dass du vor Gericht musstest! Was glaubst du wie es mir damit geht?", fügt er hinzu und fährt sich frustriert durch die Haare. Auch wenn er nicht schreit oder laut wird, hat seine Stimme einen gewissen Nachdruck.

"Scheiße, das weiß ich..", flüstere ich die Antwort auf seine Frage und sehe letztendlich wieder zu ihm auf.
"Dann mach doch bitte endlich den Mund auf."
Schweigend sehen wir uns in die Augen. Yoongi wartet auf eine Erklärung meinerseits und ich überlege ob ich sie ihm geben soll.
Tief atme ich durch, lasse meinen Blick kurz durch die leere Halle schweifen, bevor er wieder an meinem Freund hängen bleibt.

"Du hast überhaupt keine Ahnung...wie schwer es ist...über so etwas zu reden, Yoongi. Es hatte nichts damit zu tun, dass ich dir nicht vertraue...sondern, dass ich zu viel Angst habe und mich viel zu sehr dafür Schäme.", fange ich leise an und schaffe es dabei nicht seinem fragenden Blick stand zu halten. Lieber schaue ich wieder auf den Boden, so viele Emotionen sammeln sich gerade in meinem Inneren an, dass ich gar nicht weiß was ich zuerst empfinden soll.

Angst? ...was wird er wohl von mir denken?
Scham? ...bitte sieh mich nicht an.
Verzweiflung? ...ich will es einfach nur vergessen!
Trauer? ...warum ich?
Schmerz? ...ich kann seine Berührungen immer noch spüren.
Erleichterung? ...er wird es mir nie wieder antun können!
Freude? ...er wurde endlich dafür bestraft.
Schuld? ...warum hab ich nichts gesagt?


"Hätte Tae mich am Tag des Wettbewerbs nicht gerettet...hätte er es nie rausgefunden...es nicht unseren Eltern gesagt. Ich hätte mich wohl nie überwunden es Hobi zu erzählen und ER...", ich unterbreche mich selbst, als ich merke wie sich die Tränen, zum wiederholten Male heute, in meinen Augen sammeln. Wie sehr ich doch gehofft habe das wäre endlich vorbei.

"Jimin? Wer ist 'er' und was hat er getan?", fragt Yoongi verwirrt nach, da das alles für ihn noch wenig Sinn zu ergeben scheint. "Hey...", flüstert er. Legt seinen Zeigefinger unter mein Kinn und hebt es vorsichtig an, so dass ich wieder zu ihm auf schaue. Sanft wandert seine Hand auf meine Wange, mit dem Daumen streicht er mir die Tränen aus dem Augenwinkel.
"...du kannst es mir sagen.", versichert er mir ruhig, merkt wie schwer es mir fällt. Dabei ist es so ein 'einfacher' Satz, ich muss ihn bloß über meine Lippen bringen.

"Herr Kim, er...hat mich Vergewaltigt."

Meine Stimme gleicht bloß einem flüstern, ich kann es einfach nicht laut sagen. Noch nicht. Geschockt und Fassungslos sieht mein Gegenüber mich an, muss meine Worte erst einmal realisieren.
"Was?", kommt es ihm leise über die Lippen, aber er hatte mich schon verstanden. Wider meiner Erwartung, dass Yoongi sich aufregen würde, Herr Kim lauthals verfluchen und wütend werden würde, zog er mich einfach in seine Arme. Mein Kopf ruht an seiner Brust, ich kann sein Herz hastig schlagen hören. Vermutlich hält er all seinen Ärger gerade zurück um mich tröstend an sich zu drücken. Mir sanft über den Rücken zu streicheln. Es fühlt sich so gut an, aber es gibt da noch etwas, was mich diesen Moment nicht genießen lässt.
Leicht drücke ich mich von ihm weg, weshalb er sofort von mir ablässt und mich ansieht.

"Es gibt da noch was...worüber ich gerne mit dir reden würde."


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Das Kapitel ist ein weeeenig länger geworden, aber es ließ sich einfach nicht früher kappen ^^'
Obwohl ich nicht glaube, dass euch das stört :P

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