22. Kapitel

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Gefühlte Tage ritten wir so durch den Wald. Langsam setzte die Abenddämmerung ein und die Luft wurde zunehmend kühler. Zitternd rieb ich mir die Arme. Bis jetzt hatte uns noch kein einziges Feenwesen angegriffen, dazu war es die ganze Zeit über schön ruhig und nichts war in Sicht gewesen. Aber je näher die Nacht heran rückte, desto lebendiger wurde es um uns herum. Plötzlich raschelte es in einem Busch, Schatten huschten vorbei und auf einmal schien es in diesem Wald nur so von Feenwesen zu wimmeln.
Ängstlich drängte ich mich näher an den Ritter vor mir heran, schlang meine Arme fester um seinen Oberkörper, und gleichzeitig schimpfte mich meine innere Stimme und warf mir entsetzt vor, was ich da bloß machte.
Daraufhin zuckte ich heftig zusammen und lockerte meinen Griff wieder, was der Feenritter zu bemerken schien, da ich hören konnte wie er schmunzelte und mir anschließend versicherte: "Keine Angst, Kleines. Ungefähr bei Sonnenaufgang werden wir ankommen und bis dahin werde ich dich vor jenen Wesen beschützen, welche uns in dieser Zeit anzugreifen versuchen.", während er redete, hatte er sich unwillkürlich umgedreht, um mir direkt ins Gesicht schauen zu können. Daraufhin nickte ich erleichtert und hielt seinem Blick stand. Dann breitete sich auf seinem Gesicht ein Lächeln aus und er sagte: "Und falls wir uns auf dieser Reise etwas näher kommen sollten, wird dein Tertius nie etwas davon erfahren, das schwöre ich.", sein Lächeln wurde abfällig und seine Augen funkelten auf einmal nur so von ungezügelter Gier und unheildrohendem Verlangen..
Entsetzt schrak ich zurück und unheilvolle Angst packte mich. Gerade als ich dachte mich übergeben zu müssen, verschwand dieser Ausdruck aus seinen Augen und er wirkte, als ob er gerade aus einem sehr tiefen Schlaf erwacht wäre. Danach blinzelte er mich verwirrt an, bevor er sich schließlich von mir abwandte und wieder nach vorne sah. Erleichterung breitete sich in mir aus und ich entspannte mich, bis meine Gedanken wieder zu Mum und Sophie, und Tertius und Sofia schweiften. Bei Mum und Sophie verspürte ich große Freude, sie bald wieder zu sehen, wobei ich mit den Gedanken an Sofia und Tertius bereits große, schmerzhafte Sehnsucht empfand. Sie fehlten mir jetzt schon so..
Mit der Hoffnung, dass es ihnen gut ging, wurde ich schließlich von Minute zu Minute müder. Inzwischen war es ganz dunkel geworden und der Wald schien immer lebendiger zu werden. Doch ich nahm das alles garnicht mehr richtig war, da ich kurz davor war, am Rücken des etwas unheimlichen Ritters einzuschlafen. Auch wenn mir mein Verstand zu schrie, dass ich unter gar keinen Umständen einschlafen sollte, konnte ich mich der Müdigkeit nicht widersetzen, welche mich wahrlich übernommen hatte. So schlief ich schließlich gegen meinen Willen ein, was sich bald als fatalen Fehler herausstellen sollte ...

Ein lautes, eindringliches Fauchen riss mich aus dem Schlaf und ließ mich hochschrecken. Nachdem ich sah, zu wem dieses Fauchen gehörte, von dem ich soeben geweckt wurde, erschrack ich mich fast zu Tode und mir blieb die Luft weg. Vor mir stand ein extrem großer Drache, welcher aber nicht in meine Richtung schaute, sondern geradeaus. Da wurde mir bewusst, dass ich nun alleine auf dem Pferd saß, denn genau vor dem Drachen stand Ritter Fabian, welcher sein Schwert gezückt hatte und es dem Tier drohend, mit einem wilden, gefährlichen Ausdruck in den Augen, entgegen streckte. Sein Blick fiel kurz auf mich, da er nun endlich bemerkt hatte, dass ich aufgewacht war. Aber unser Blickkontakt blieb nicht von langer Dauer, da er sich hastig dem Drachen wieder zuwandte, der wie gesagt rießig war, und feuerrote Schuppen trug. "Komm doch her, wenn du dich traust.", stichelte er den Drachen bedrohlich an. Dies ließ sich dieser nicht zwei mal sagen, stieß einen lauten, kriegerischen Schrei aus, spuckte etwas Feuer und stürzte sich geradewegs auf Fabian. Ich unterdrückte ein entsetztes Keuchen, nachdem Drache und Ritter anfingen gegeneinander zu kämpfen. Einmal schaffte es der Drache, das Schwert seines Gegenübers fort zu schleudern, um danach genau das gleiche mit dem Ritter zu machen, woraufhin mir ein angsterfüllter Schrei entglitt. Doch der Ritter ließ sich davon nicht beirren, stemmte sich einfach wieder hoch, als ob nichts gewesen wäre und lief erneut auf den Drachen zu. "Stop! Aufhören!", schrie ich schließlich laut, da ich mir das nicht länger mitansehen konnte. Aber meine Worte prallten nur wirkungslos an ihnen ab und sie kämpften einfach weiter.

Ein Wiehern riss mich aus meiner Verzweiflung und ließ mich in die Richtung schauen, aus der es kam. Mein Herz machte einen Freudensprung, nachdem ich Tertius und Phoenix wenige Meter von mir entfernt stehen sah. "Lucy!", stieß Tertius aus und trabte zu dem Pferd auf dem ich saß, zu Fabians Pferd. "Tertius!", schrie ich glücklich und warf mich ihm um den Hals, nachdem sie neben mir zum Stehen kamen. Glücklich erwidert er die Umarmung und drückte mich fest an sich. "Es gibt ein Problem.", sagte ich, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten. Mit einem finsteren Ausdruck in den Augen nickte er und erwiderte: "Ich sehs.", bevor er sich schließlich vom Pferd schwang und auf die beiden Kämpfenden zu ging. Ich war ebenfalls vom Pferd gestiegen, da ich es dort oben nicht mehr aushielt und sah nun neugierig zu Tertius, gespannt was er nun machen würde. Dieser stellte sich entschlossem zwischen die beiden und schrie laut: "Es reicht jetzt!", bevor er Ritter Fabian sein Schwert entriss, sich schließlich dem Drachen zuwandte und diesen so lange in die Enge trieb, bis dieser jaulend davon rannte und im Unterholz verschwand. Mit offenem Mund beobachtete ich erstaunt das Szenario. Was hatte Tertius nur für eine unglaubliche Wirkung auf andere Feenwesen? Bewundert musterte ich ihn. "Hey, was sollte das? Gib mir mein Schwert zurück!", fordete Fabian entrüstet, mit dem er mich aus meinen Gedanken riss. Tertius gehorchte, indem er das Schwert einfach nur achtlos auf den Boden warf. "Die Frage ist wohl eher, was sollte dieser Kampf da? Deine Aufgabe war es, Lucy heil zu diesem Pfad zu bringen und nicht, dich mit anderen Feenwesen zu kloppen!", fuhr er ihn nun wütend an. Fabian starrte nur finster in seine Richtung, bevor er sich schließlich mit: "Ey, dieser Drache ist auf mich los gegangen, klar?", verteidigte. "Trotzdem hätte das alles nicht so ausarten dürfen! Das war mal wieder typisch für dich.", schrie Tertius aufgebracht zurück und starrte Fabian ebenso finster an, wie er ihn. "Aufhören! Alle beide.", schrie ich heute schon zum zweiten Mal und stellte mich schließlich, so wie Tertius vorhin, zwischen die beiden. Zuerst schauten mich beide verwundert an, hielten aber, nachdem ich ihnen warnende Blicke zugeworfen hatte, zum Glück die Klappe. "Gut.", seufzte ich und drehte mich schließlich zu Tertius um. "Warum bist du hier?", fragte ich nun das, was mich die ganze Zeit schon interessierte, und musterte ihn gespannt. "Ich bin hier, da ich schon geahnt hatte, dass etwas passieren würde.", antwortete er mir und warf Fabian einen weiteren finsteren Blick zu. Dieser aber schnaubte darauf nur und verdrehte genervt die Augen. "Geht es dir gut?", fragte er schließlich sanft, nachdem sein Blick wieder auf mich fiel und und mich dieser besorgt musterte. "Ja, ich bin okay.", erwiderte ich und lächelte. Er erwiderte mein Lächeln und schloss mich erleichtert in seine Arme. Nachdem wir uns eine halbe Ewigkeit nicht mehr losließen, räusperte sich Fabian auf einmal. "Ähm.. ich will ja nicht stören, aber wir sollten langsam weiter. Es ist nicht mehr weit.", meinte er, mit überraschend leiser Stimme, aus der pure Erschöpfung rauszuhören war. Tertius und ich nickten nur zustimmend und gemeinsam gingen wir wieder zu unseren Pferden. Diesmal saß ich auf Phoenix, hinter Tertius, während Fabian langsam hinter uns her ritt. Die Morgendämmerung hatte bereits eingesetzt, als wir nach wenigen Stunden endlich ankamen. Der Pfad lag offen vor uns und so konnte ich einfach darauf zu gehen und nach Hause kehren. Während ich mich von Tertius verabschiedete, lehnte Fabian nur gelangweilt an einem Baum. "Bis bald.", hauchte ich ihm noch zu, nachdem wir uns ein letztes Mal küssten. Und so ging ich schließlich auf den Pfad zu und verschwand von hier. Das vertraute, strahlend weiße Licht, welches mich am Anfang dieser Reise ebenso begleitet hatte, hüllte mich ein. Kurze Zeit später ging ich nach wir vor den selben Pfad entlang, doch nun befand ich mich in einem vertrauten, relativ großen Wald, in der Menschenwelt.

Der Pfad in eine andere WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt