Epilog

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Aufgeregt näherte ich mich der Türklingel. Nun war es endlich soweit.. vor weniger als einer Stunde hatten wir 'die Welt der übernatürlichen Geschöpfe' verlassen und gleichzeitig den Boden der normalen Welt betreten. Und jetzt stand ich hier direkt vor meiner Haustür und wartete, dass mir Mum öffnen würde. Es war ein komisches Gefühl wieder hier zu sein. Zum einen fühlte sich alles hier so vertraut an, als ob ich gar nicht fortgegangen wäre. Doch zum anderen fühlte es sich auch ziemlich befremdlich an, die Haustür und alles drum herum zu sehen, als ob ich Jahre lang verschollen gewesen wäre. Es war seltsam.. Dazu kam die Angst, wie Mum reagieren würde, wenn sie mich sah. Wie viel Zeit war überhaupt vergangen? Wird sie sich überhaupt noch an mich erinnern können?, schoss mir durch den Kopf, doch für solche Überlegungen war jetzt keine Zeit mehr. Denn kurz darauf öffnete sie auch schon die Tür.
"Lucy..", murmelte Mum fassungslos, nachdem sie mich erblickte und starrte mich einfach nur an. "Mum.. ", flüsterte ich hingerissen und Tränen sammelten sich in meinen Augen. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich sie eigentlich vermisst hatte. Und so wie es aussah, ging es Mum da nicht recht viel anders. Mit feuchten Augen kam sie auf mich zu und schloss mich in ihre Arme. Ich zögerte nicht, sondern erwiderte es einfach. Tief atmete ich ihren lieblichen Duft ein, den ich so sehr vermisst hatte. "Mum?", fragte ich nach einer Weile, den Kopf an ihre Schulter gelehnt. "Ja, Schätzchen?", erwiderte sie. "Wie lange war ich weg?", fragte ich einfach geradeheraus, da ich keine Ahnung hatte und ich es auch nicht abschätzen konnte, da die Zeit im Dämonen- als auch im Feenreich komplett anders verging. Ich spürte, wie Mum nachzudenken schien und hielt angespannt die Luft an. "Fast zwei Wochen.", verkündete sie letzendlich. Erleichtert atmete ich aus. Klar, zwei Wochen war ne lange Zeit, aber ich hatte mit wesentlich mehr gerechnet. Und mir kam es so vor, als ob ich das schon mal getan hätte.
"Weißt du was?", begann Mum, löste sich von mir und ergriff stattdessen meine Arme. "Wie wär's, wenn wir ins Wohnzimmer gehen, uns gemütlich auf die Couch setzen und du mir alles erzählst?", schlug sie vor und schenkte mir ein breites Lächeln. "Klar, können wir machen.", gab ich zurück und lächelte ebenfalls. So kam es also, dass wir reingingen und den Weg ins Wohnzimmer ansteuerten.

Sobald wir saßen, fing ich an. Ich erzählte ihr wirklich alles was ich in der Zeit, in der ich weg war, so erlebt habe. Nichts ließ ich aus. Sogar die Sache mit Sophie erzählte ich ihr... "Wow, das ist... meine Tochter hat den Teufel befreit.. Was soll ich dazu noch sagen?", staunte Mum, nachdem ich zu Ende erzählt hatte. Ich grinste. Kurz darauf drückte sie mich erneut an sich. "Aber jetzt bin ich froh, dass sie wieder hier bei mir ist, da ich sie schrecklich vermisst habe...", murmelte sie an mein Ohr und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich wollte gerade 'Ich dich auch, Mum' erwidern, als es plötzlich an der Tür klingelte und so der schöne Mutter-Tochter-Moment zerstört wurde. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Irgendwas sagte mir, dass ich gehen sollte. So erhob ich mich und Mum folgte mir langsam. Kurz darauf kam ich auch schon an der Tür an und öffnete diese vorsichtig. Was, oder eher wen, ich davor stehen sah, ließ mich die Luft anhalten. Es war Sophie, die ziemlich schuldbewusst zu Boden schaute.
"Sophie?!", fragte ich ungläubig nachdem ich mich wieder gefasst, und Sophie den Kopf gehoben hatte, um mich direkt ansehen zu können. "Lucy.. weißt du.. ich habe während unserer Rückkehr sehr viel nachgedacht. Und mir wurde klar, wie wichtig du mir bist und wie lächerlich es ist, wegen einem Jungen so zerstritten zu sein. Ich gebe ja zu: ich stand auf Tertius, aber glaub mir: ich wollte mich nie zwischen euch stellen! Und dass wir uns die ganze Zeit gemieden haben... d-das hat mich innerlich zerrissen. Mann, unsere Freundschaft ist mir wichtig, verdammt! Aber was ich eigentlich sagen wollte: Es tut mir so unendlich leid. Kannst du mir verzeihen und können wir wieder genau die selben besten Freundinnen sein, wie sonst auch?", beendete Sophie ihre Rede mit einer folgenschweren Frage, und ich sah, wie Tränen in ihren Augen glänzten, welche sie krampfhaft versuchte zurück zu halten.
Ich überlegte nicht lange und nahm meine beste Freundin einfach in die Arme. Diese ließ es zu. Und erwiderte es. "Natürlich verzeih ich dir. Und ich glaube dir. Mir ist unsere Freundschaft doch genauso wichtig... Mich hat es ebenso zerrissen. Und Hey: irgendwann findest du auch einen Freund, der mindestens so toll ist wie Tertius.. apropos Tertius: wir müssen uns ja noch von ihm verabschieden!", fiel mir, nachdem ich Tertius' Namen erwähnte, geschockt ein und löste mich langsam aus unserer Umarmung. Und auch Sophie wirkte so, als wäre ihr gerade was wichtiges eingefallen. "Mum.", fing ich an und drehte mich um, wo mir auffiel, dass diese die ganze Zeit über im Türrahmen stand und uns stumm beobachtet hatte. "Wir müssen nochmal weg. Kommen aber ganz bald wieder, versprochen.", erklärte ich hektisch. "Ist schon okay, Schatz. Passt einfach auf euch auf, ja?", erwiderte sie und und schloss leise die Haustür hinter sich. Danach zögerten wir nicht lange und hasteten eilig die Straße hinunter. Auf dem Weg Richtung Waldrand, dort wo der Wald anfangen und Tertius sich von uns verabschieden würde.

"Ich werde dich so vermissen...", schluchzte ich an die Brust meines Freundes und drückte mich fester an ihn. Ich stand an unserem Treffpunkt, in Tertius' Armen und konnte nicht fassen, dass er gleich im Wald verschwinden und nicht mehr wieder kommen würde. "Ich dich auch, glaub mir.. aber Hey, siehs mal so: du wirst für immer in meinem Herzen bleiben, ich werde dich immer lieben und nie vergessen. Und wenn wir ehrlich sind, ist es nur eine Frage der Zeit, wann wir uns wieder sehen werden. Denn irgendwann passiert ganz sicher wieder was, wo ich eure Hilfe gebrauchen könnte.", an dieser Stelle lachte er kurz auf. "Ich zumindest glaube ganz fest daran. Auf wiedersehen, Lucy Adams." Langsam löste er sich von mir, berührte meine tränenüberströmten Wangen und gab mir noch einen letzten Kuss. Anschließend hob er noch eine Hand zum Abschied, bevor er kurz darauf im ewigen Grün der Bäume des großen Waldes verschwand. "Ich liebe dich auch...", flüsterte ich wie in Trance, lange nachdem er verschwunden war. Nur am Rande bekam ich mit, wie Sophie von hinten auf mich zu kam und mir schließlich einen Arm um die Schulter legte. "Hey, du schaffst das schon. Ich bin ja auch noch da. Und wer weiß, vielleicht siehst du ihn eines Tages tatsächlich wieder? Aber jetzt fängt für uns beide erstmal das ganz normale Leben wieder an. Soweit ich weiß ist Montag Schule und wir müssen uns schließlich darauf vorbereiten, oder?", versuchte sie mich zu trösten, was leider bei diesen Worten überhaupt nicht klappte. Zumindest was den letzten Teil anging. Schule... oh nein... wir müssen wahrscheinlich so einiges aufholen... Doch ich fasste mich, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und rang mir ein schiefes Lächeln ab. "Ich glaube sehr daran, dass ich ihn wieder sehe.. aber du hast recht. Erstmal müssen wir uns wieder auf die Schule konzentrieren und unser normales Leben weiter führen." Mit diesen Worten schlugen wir den Weg zurück nach Hause ein. Ohne noch einmal nach hinten zu sehen. Mit dem Entschluss, ein ganz normales Leben zu führen. So normal, wie es bei einem Mädchen, das übernatürliche Wesen aus einer anderen Welt sah, nur sein konnte.

Der Pfad in eine andere WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt