Todesangst

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Die Tür öffnet sich und ein Servierwagen wird hereingerollt. Ich setze mich auf und betrachte mein verzerrtes Gesicht auf den Edelstahl-Glocken, die kurz darauf angehoben werden. Unter ihnen kommen Teller zum Vorschein. Ein saftiges Steak mit Kräuterbutter und Vichy-Karotten, ein gedünsteter Maiskolben und ein Vanille-Pudding mit Kirsch-Soße.

Der Wärter, der mir die Speisen soeben brachte, blickt mich nun fragend an. Ich nicke ihm zu und er verzieht sich stumm in die Ecke meiner Zelle. Dann beginne ich mit meiner Henkersmahlzeit.

Morgen, vor Sonnenaufgang, ist dann die Hinrichtung, worüber dieses Essen wenig hinwegtröstet.

Als ich fertig bin, schiebt der Wärter den Wagen wieder heraus. Es wird das letzte Mal gewesen sein, dass wir uns sahen. Dennoch verabschieden wir uns nur mit einem weiteren Nicken.

Wenige Stunden später wird das Licht ausgeschaltet. Meine Gedanken jedoch nicht. Fragen, die ich nicht beantworten kann, schwirren durch meinen Kopf. Sie machen mich nervös und ich beginne unruhig mein Knie hin- und herzuschaukeln. Dann springe ich auf und laufe in meiner Zelle rastlos auf und ab. Ich durchlebe alle Phasen der Trauer, einer Nacht noch einmal durch, fluche, weine, schreie, und bin am Ende still, als sich die Tür wieder öffnet und ich abgeholt werde. Ich gebe mich meinem Schicksal hin.

Zwei Beamte führen mich zur Exekutionskammer, wo der Henker wartet. Ich hebe meinen Blick nicht vom Boden. Dann bekomme ich einen Stups in die Seite. „Kopf hoch", flüstert mir einer meiner Begleiter zu. Und er hat recht. Erhobenen Hauptes betrete ich die Kammer. Ich bereue meine Taten und sehe meinem Schicksal ins Auge. Doch dann ändert sich schlagartig alles, als ich auf dem Stuhl Platz nehme und fest geschnallt werde.

Mein Puls schießt in die Höhe, meine Atmung beschleunigt sich und ich bekomme Schweißausbrüche. Krampfhaft versuche ich meine Gedanken, in meinen letzten Momenten auf etwas schönes zu lenken, doch ein plötzlich einsetzendes Surren lässt mich aufschrecken und ich sehe in dem verspiegelten Fenster, hinterm der Richter und der Rest des Publikums sitzen, wie damit begonnen wird, meinen Schädel kahl zu rasieren.

Mit einem Klacken verstummt das Surren. Stattdessen höre ich, wie etwas in Wasser getaucht wird und ich spüre, wie ein nasser Schwamm, auf meinem nun haarlosen Kopf platziert wird. Alle Lederriemen werden noch einmal überprüft, während die Elektroden an meinen Beinen und auf meinem Kopf befestigt werden.

Eine weitere Person tritt ein und beginnt noch einmal den Schuldspruch zu verlesen. Ich kneife und beiße Augen und Zähne zusammen, bete gedanklich immer wieder dieselben Verse herunter und beginne zu schluchzen.

Dann nickt er den Beamten und dem Henker zu. Mir wird die Sicht genommen. Nun wird das Urteil verlesen. „Haben sie noch Letzte Worte?", fragt der Beamte zum Abschluss als er sich zu mir wandte und ich schrie „Es tut mir Leid!" noch ehe er die Frage vollständig ausgesprochen hatte. Dann wird alles still. Sämtliche Muskeln in meinem Körper spannen sich an und ich lausche wartend auf die Order, die Hinrichtung zu vollziehen. Der Befehl ertönt und ich höre das das Klacken des Hebels, der mein Leben beenden soll, gleichzeitig spüre ich, wie etwas in mir zerbricht. Dann passiert....nichts!

Mein Gesicht wird wieder enthüllt und die Riemen gelöst, während ich ungläubig in die Augen des Beamten starre, der das Urteil verkündete. Er positioniert sich vor mir und reicht mir die Hand. „Herzlichen Glückwunsch, Sie sind hiermit rehabilitiert"

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