Adolf the Necromancer

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Ich war schon immer ein wenig anders. Niemandem, dem ich begegnete, erschien ich normal. Aber niemand traute sich, mich darauf anzusprechen. Immer wenn sie mich sahen, tuschelten sie leise hinter vorgehaltener Hand. Es war unüberhörbar. Aber sie merkten es nicht. Keiner merkte jemals etwas.

Der Zeitgeist dieser Tage scheint darin zu bestehen, nichts von seiner Umwelt mitzukriegen. Die technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte vereinfachen es, diesem Trend zu Folgen. So sitzt man zum Beispiel in einem öffentlichen Verkehrsmittel, trägt dicke Kopfhörer die einem tiefe Bässe ins Gehirn wummern und glotzt auf einen viel zu kleinen Bildschirm, den man zudem auch noch andauernd mit seinen fettigen Fettfingern verschmieren muss.

Ich war nie ein Freund der Technik. Jedes Mal, wenn ich mit ihr zu tun hatte, britzelte entsprechendes Gerät und war danach… naja.. tot. Ich scheine kein Händchen für diese übliche Technologie zu haben, deshalb schraube ich mir meine eigene zusammen. Halt nein, schrauben ist der falsche Begriff. Den Vorgang selbst würde ich als pflanzen bezeichnen, aber es passiert doch noch so viel mehr!

Im Allgemeinen erschaffe ich Leben. Es ist quasi ein Hobby von mir. Meine Eltern starben bei einem Autounfall, als ein betrunkener Teenager, der seinen Führerschein neu erworben hatte, mit Karacho in sie hineinkrachte. Unser Wagen überschlug sich zweimal und landete auf der Seite im Graben. Zu diesem Zeitpunkt war ich sieben. Ich saß auf der Rückbank und sah meinen Eltern beim Sterben zu.

Ich wusste nicht was los war, versuchte sie zu wecken. Dann brach ich in Tränen aus. Stundenlang passierte nichts, dann begannen plötzlich aus den toten Körpern meiner Eltern, neue Körper zu sprießen. Es dauerte nicht lange und meine Eltern nahmen ihren Platz wieder ein. Von den Leichen blieb kein Stück übrig.

Meine Eltern riefen einen Abschleppdienst, der uns dann auch flugs nach Hause brachte. Wir redeten nicht über den Vorfall – Ich glaube sie wussten noch nicht einmal etwas von ihrem Tod – bis eines Tages – Ich war 13 – Meine Mutter ins Zimmer kam. Ihre Haut war aschfahl und von gün-grauen Malen durchsetzt. Kurz darauf stolperte mein Vater herein. Er sah ebenso ungesund wie meine Mutter aus.

Humpelnd kamen sie auf mich zu. Gier war in ihren Augen. Ich merkte es nicht sofort, wollte schon fast einen Witz über ihre schicken Kostümierungen machen, als mir klar wurde, dass das nicht meine Eltern waren. Meine Eltern starben vor 6 Jahren. Himmel, Ich wusste noch nicht einmal, was sie „wiederbelebt“ hatte.

Dennoch war mir bewusst, dass von diesen „Personen“ keine Bedrohung zu befürchten war. Sie kamen humpelnd auf mich zu, verloren kleine Fetzen ihrer selbst dabei. Dann sprachen sie: „Wir sind Angehörige einer sehr mächtigen Spezies. Jedoch hatten wir schon immer das Verlangen nach körperlichem Sein. Wir dümpelten im Multiversum über ungezählte Zeit auf der Suche nach etwas oder jemandem, der unser Verlangen erfüllen könnte. Wir besuchten viele Planeten, etliche Sonnensysteme und eigentlich so gut wie jeden Winkel des Multiversums in jedweder Dimension. Wir fanden jedoch nichts. Deinen Planeten gibt es in etlichen Ausführungen, aber auf jedem anderen hast du nicht das nötige Etwas.“

Mir schwante was sie wollten, ich bemaß meine Chancen zu entkommen relativ mies. Dennoch versuchte ich es. Ich sprang aus dem Fenster, flog dabei majestätisch über die Wäschespinne im Vorgarten und wollte mir gerade metaphorisch auf die Schulter klopfen, als der Flug nach etwa 5 Metern abrupt endete. Ich klatschte mit der Stirn gegen einen Zaunpfeiler aus Messing. Ich rappelte mich langsam auf. Die Sicht vom burgunderfarbenen Lebenssaft getrübt, war es erheblich schwieriger zu navigieren.

Dann setzte ein brennender Schmerz gefolgt von einem dumpfen Wummern in meinem Schädel ein. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Kopf innerhalb der nächsten Viertelstunde explodieren. Ich wimmerte gequält, dann tauchten meine Eltern wieder auf. Sie sahen so weit ganz normal aus. Nur ein kalter Schimmer lag in ihren Augen, als sie mich aufhoben und zurück ins Haus brachten.

Ich wachte in meinem Bett auf. Mein Schädel schmerzte kein Stück mehr, was eigenartig war. Hatte ich mir die ganze Sache nur eingebildet? In diesem Moment kam meine Mutter gefolgt von meinem Vater in mein Zimmer.

„Ah, du bist wach. Wir haben einige Vorgriffe in deinem Unterbewußtsein vorgenommen. Sozusagen als Vorbereitung. Alles was du in deiner Vision bzw. deinem Traum gesehen hast, sind die möglichen weiteren Entwicklungen. Alles nur zur Sicherheit, versteht sich. Wir wollten nicht schon wieder eine Chance verschenken.“

Die Stimmen klangen öd und leer, weit und fern aber trotzallem klingelten sie in mir das Bedürfnis nach Frühstück wach. „Können wir das später bequatschen, ich habe nämlich verdammt großen Hunger.“ Voller Elan schwang ich mich aus dem Bett und segelte am Treppengeländer herunter zum Flur, in dem sich die Küche befand.

Als meine Eltern in die Küche kamen, war ich gerade dabei, mir Schokoladencerealien in einen Suppenteller zu füllen. Sie setzten sich an den Tisch und schauten mir dabei zu. Ohne ein Wort zu verlieren, stand meine Mutter auf und ging an den Kühlschrank. „Milch is‘ alle“, mümmelte ich, während ich kleine braune Kugeln mit der Zunge zerdrückte.

„Weißt du Sohnemann,“ begann mein Vater, „in gewissen Zeiten braucht man gewisse Leute um sich, um zu funktionieren. Aber wir gingen einfach mal davon aus, dass du eh keine Freunde hast. Bist ja auch so ein bisschen verrückt. Und naja, wir ziehen um.“ Ungläubig fiel mir der Löffel aus der Hand in den Suppenteller und eine Welle von Schokoladenkugeln segelte über die Tellerkante gen Boden.

„Das kann nicht euer Ernst sein!“, entfuhr es mir.

„Aber du sagtest doch neulich selber noch, wie sehr dir dieses langweilige Kaff auf die Nerven ginge.“, meinte meine Mutter. „Das ist was anderes gewesen. Da musste ich ja nicht davon ausgehen, dass mir ein Wohnortswechsel bevorsteht!“

„Jetzt beruhig dich doch mal!“, fuhr mich mein Vater an. Es ist nur ein Umzug, nichts Weltbewegendes. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass du dort nicht so schnell gelangweilt sein wirst, wie hier.“ „Aber jetzt zum Wichtigsten,“ schaltete sich meine Mutter ein, „Wie du ja weißt sind wir nicht wirklich deine Eltern. Die starben so vor ungefähr 6 Jahren.“

„Was deine Mutter damit sagen will, ist, dass wir so ne Art Aliens sind, nur halt eben körperlos. Wir kümmern uns seit 6 Jahren um dich und haben dir ein normales Leben ermöglicht. Jetzt aber, wo die Gastkörper allmählich verdorren, brauchen wir neue, frische Körper.“ erläuterte mein Vater.

„Klingt einleuchtend.“ erwiderte ich, „Aber was muss ich dafür tun?“ Meine Eltern tauschten Blicke, nickten sich zu und meinten schließlich grinsend: „Töten.“

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