Gott des Unheils

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''Habt ihr euch eigentlich schon mal Gedanken über Magie gemacht? Würdet ihr gerne in diese Welt voller Geheimnisse und Verlockungen ''eintauchen? Dann kann ich euch nur davon abraten! Magie ist nicht lustig! Sie ist gefährlich und manchmal sogar tödlich! Lasst euch meine Geschichte eine Warnung sein!

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"Ach verdammt!", murmelte ich, als ich die Bücherei betrat. Wir sollten einen Aufsatz über eine mythologische Persönlichkeit schreiben. Und faul, wie ich war, hatte ich es mir bis zur allerletzten Gelegenheit aufgeschoben. Nun verfluchte ich mich dafür.

Ich bahnte mir den Weg durch die vielen Regale. Kinder, Erotik, Spannung,....das war alles nicht das, was ich suchte! Meine Suche dauerte noch eine ganze Stunde an, ich glaubte, schon das gesamte Gebäude durchforstet zu haben und hatte immer noch nichts gefunden.

"Du suchst etwas, nicht wahr, mein Kind?"

Ich wirbelte herum, um zu sehen, zu wem die kratzige Stimme gehörte. Ein alter Mann stand vor mir, in eine schmutzige Latzhose gekleidet und Eimer und Lappen in der Hand. Er musste der Hausmeister hier sein.

Ich lächelte verlegen. "Könnten Sie mir sagen, wo ich ein Buch zu Mythologie finde?"

Der Mann lächelte auch. Nur lag in seinem etwas...Verschlagenes. Dann griff er sich hinter den Rücken und holte ein dickes, in ledergebundenes Buch hervor. Das Buch war schon einige Jahre alt, wie ich an den Brüchen im Buchrücken und den vergilbten Seiten, erkannte.

"Nimm es einfach mit", meinte er und beschäftigte sich mit dem Flurboden.

Schulterzuckend steckte ich das Buch ein und dachte mir nichts weiter dabei. Es war doch nett von dem Mann gewesen, mir das Buch zu geben. Ohne seine Hilfe, hätte ich sicher eine sechs bekommen.

Der restliche Tag verlief relativ normal. Ich telefonierte mit meiner Freundin Jessica, chattete auf Facebook und schaute mir Bilder von süßen Jungs aus meiner Schule an. Ich war so sehr mit dieser alltäglichen Routine beschäftigt, dass ich das Buch fast vergaß. Erst beim Abendessen fiel es mir wieder ein.

"Oh, ich bin auch so blöd!", fluchte ich und raste die Treppe zu meinem Zimmer rauf. Da holte ich mir das Buch zur letzten Gelegenheit und vergaß trotzdem fast, meine Aufgabe zu machen! Ich warf mich auf mein Bett und wollte das Buch aufschlagen...aber das tat es von selbst.

Loki, Gott des Unheils, sprang mir von der Seite entgegen. Ich fing an zu lesen. Über Loki, seine Blutsbruderschaft mit Odin, seine Kinder, Sleipnir, Fenrir, Jörmundgard und Hel, seine Beziehung zu Sygin und Angrbrodr, seine Abenteuer mit Thor, bishin schließlich zu seinem Verrat an den Asen und wie er infolgedessen an einen Felsen gekettet wurde, mit einer Schlange über sich, die Gift in sein Gesicht tropfen sollte. Was nur von Sygin verhindert werden konnte, die eine Schale unter die Giftzähne der Schlange hielt, um ihren Ehemann zu schützen.

Als ich damit fertig war und anfangen wollte, den Aufsatz zu schreiben, rutschte ein Zettel aus den Seiten. Er musste wohl jemandem als Lesezeichen gedient haben und er hatte ihn vergessen. Ich hob ihn auf und sah ihn mir an.

"Willst du einen echten Gott kennenlernen? Kerzen, Weihrauch und natürlich dieser Spruch sollten dir behilflich sein. Wende diesen Spruch nur an, wenn du dir wirklich sicher bist, einen Gott bei dir haben zu wollen! Du solltest dir bewusst machen, dass jeder noch so kleine Fehler den Gott erzürnen und somit schlimme Folgen für dich haben kann!

Ego te voco, tu deus, veni ad me (füge den Namen des Gottes ein!)"

Ich holte Kerzen aus dem Wohnzimmerschrank und Weihrauch und zündete beides an. Dann sagte ich die Beschwörungsformel. Weil mir nichts besseres einfiel und ich auch eigentlich sowieso nicht daran glaubte, fügte ich einfach Loki hinzu.

"So'n Quatsch!", prustete ich und drehte mich um. Ich wollte nach Block und Stift greifen, um den Aufsatz zu schreiben, doch dazu kam ich nicht. Denn in diesem Moment fühlte ich etwas Spitzes zwischen meinen Schulterblättern.

"Dreh dich ganz langsam um und schau mich an!" Die Stimme klang gleichzeitig verführerisch und drohend.

Ich tat, wie befohlen und die Schwertspitze war nun auf meine Brust gerichtet. Ich schluckte und sah zu dem Besitzer der Waffe auf. Es war Loki. Er sah genauso aus, wie im Buch beschrieben. Nun ja, eigentlich nur zur Hälfte. Die eine Seite seines Gesichts war von feuerrroten Locken umrahmt, die Haut alabasterfarben und makellos, das Auge leuchtete grün, die Nase ebenmäßig und der Mund ein sinnliches Lächeln. Die andere Seite war jedoch grauenvoll: die Haut zerfressen von Tropfen des Gifts, die Nase nur noch ein Loch wie bei einem Skelett, der Mund schief herabhängend und das Auge starrte mich in einem hasserfüllten Rot an.

"Ich sollte dir wohl dafür danken, dass du mich aus meinem Gefängnis befreit hast. Aber da du nur ein kleiner, dummer Mensch bist, sehe ich keinen sinnvollen Grund dafür. Jedoch kannst du mir noch ein zweites Mal helfen, indem du mir die nötige Stärke verleihst, diese Welt ins Chaos zu stürzen!"

Das letzte, was ich spürte, war ein Stich in meine Brust. Das letzte, was ich sah, war Loki, der seinen Finger in meine Wunde steckte und genüsslich das Blut ableckte.

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