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Es war ein verregneter Herbsttag, als ich die Nachricht bekam, dass mein Großvater gestorben war. Ihr müsst wissen, dass mein Großvater und ich uns nie wirklich nahe standen. Er war immer so kühl und distanziert. Immer in seine Forschungen vertieft, die keiner Verstand. Jedoch heißt das nicht, dass mich sein Tod nicht traurig stimmte. Im Gegenteil, denn ich hatte nie wirklich die Chance, ihn richtig kennen zu lernen.

Seine Beisetzung sollte kurz darauf folgen, da es in meiner Familie üblich war, nicht viel Zeit verstreichen zu lassen, was das angeht. Mir wurde die Aufgabe zu Teil, eine Trauerrede zu halten. Nun war es schwierig, eine Rede über das Leben von jemanden zu schreiben, den man kaum kannte. Spontan fiel mir nur ein, dass er eine Art Arzt war, jedoch wusste ich nicht einmal, was für einer. Um also mehr über ihn in Erfahrung zu bringen, beschloss ich sein Haus zu besuchen und durchzugehen, was er hinterlassen hatte.

Als moralischen Beistand nahm ich Gregor mit. Er war mein bester Freund und schaffte es immer mich aufzuheitern, auch wenn er gerne mal Sachen auf die Spitze trieb.

Zusammen mit ihm fuhr ich zum Haus meines Großvaters, dass sich seit meiner Kindheit kaum verändert hatte. Es war groß, dennoch lebte er allein dort, seit meine Großmutter von uns ging. Gregor staunte nicht schlecht, als wir ankamen und stieß einen anerkennenden Pfiff aus, als er dann noch das vergoldete Klingelschild mit der Gravur „Prof. Dr. Hartmut Gerlach" entdeckte. „Nobel, nobel", meinte er und konnte es kaum erwarten, dass ich den Schlüssel ins Schloss steckte, den ich kurz zuvor vom Nachlassverwalter erhalten hatte.

Nur Augenblicke später standen wir in der kleinen, reichlich mit Stuck verzierten Vorhalle, von der aus jeweils links und rechts eine Treppe in die obere Etage führte.

Nach und nach gingen wir sämtliche Zimmer durch, betrachteten Bilder und die stilvolle Einrichtung. Es zeigte sich schnell, dass mein Großvater eine Schwäche für Chippendale-Möbel hatte und diese auch zu pflegen wusste. Wie so einiges, war mir das früher nie bewusst. Für mich war es einfach nur alt, wie mein Großvater selbst, der erst spät Kinder bekam und sich bereits in den späten sechzigern befand, als ich, sein Enkel, zur Welt kam. Deswegen war ich noch relativ junge 26 Jahre alt, als er im alter von 92 verstarb.

Urkunden und andere Auszeichnungen zeigten, dass er viel für die Wissenschaft beigetragen hatte. Offenbar war er in der Forschung aktiv und nicht, wie ich dachte, Patienten behandelt. Es gab also einige Erfolge, auf die er zurückblicken konnte und die ich in meiner Rede thematisieren konnte. Dass seine Bibliothek von medizinischen Büchern dominiert wurde, war also kein Wunder für mich. Aber dass einige Bücher darunter waren, die er selbst geschrieben hatte, überraschte mich da schon eher, denn darunter befanden sich Bücher, die sich mit der menschlichen Seele befassten. Dies waren jedoch alles nur Theorien.

Mit der Zeit musste ich aber feststellen, dass Gregor unruhig wurde. Er mochte es herum zu stöbern und hatte sich deshalb mehr erhofft, als ich bat, mich zu begleiten. Bücher, vorallem trockene Sachbücher, lagen eher weniger in seinem Interesse. „Hey Nick", sagte er schließlich, „dein alter Oheim hat doch sicher noch einiges auf dem Dachboden gebunkert. Wollen wir nicht da mal herumkramen? Sicher gibt es da noch einiges zu entdecken, dass nicht jeder sehen sollte. Du weißt schon...Jungendsünden und sowas." Ich dachte einen Augenblick lang nach und stimmte ihm dann zu. „Also gut, dann lass uns nach oben gehen. Ich hoffe, dass es da mehr zu entdecken gibt."

Es stellte sich aber nicht als leicht heraus, dort hoch zu kommen, da ein dickes Schloss vor der hing und ich keinen Schlüssel dafür besaß. Stattdessen suchte ich nach einem Schraubenzieher und löste die Schrauben von dem Riegel, an dem das Schloss befestigt war.

Der Dachboden selbst war weitläufig und dutzende Kisten waren dort abgestellt. Allesamt waren zwar versiegelt, jedoch nicht beschriftet. Wir machten uns also an die Arbeit und öffneten Kiste um Kiste, was uns anfangs eher ernüchternde Ergebnisse bescherte. „Noch mehr Bücher?", fragte Gregor ungläubig. „Warum hatte er so viele Bücher und warum sind die hier oben?" Aber bei näherer Betrachtung, sah ich ich, wie alt die Bücher waren. Einige davon noch in altdeutscher Schrift, weswegen ich Gregor antwortete: „Vermutlich, weil sie veraltet sind. Manche der Schinken sind älter, als er es selbst gewesen ist. Ich denke viele von dem, was da drin steht, wurde bis heute mehrfach widerlegt. Allerdings könnten die Bücher noch einen gewissen Sammler-Wert haben."

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