Zwei Unheimliche Legenden

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Hallo, du da vor dem Computer . Schöne Nacht heute, nicht?

Bist du auch hier draußen um die Ruhe und Einsamkeit zu genießen? Zugegeben, ich bin ein wenig überrascht, dich hier, an diesem abgelegen Ort anzutreffen.

Es trifft sich jedoch recht gut, denn langsam werde ich es müde, alleine dem Atem der Welt zu lauschen. Heutzutage ist die Einsamkeit ein wahrer Segen geworden, trotzdem kann sie nicht die Gesellschaft eines guten Freundes ersetzen, oder? Nur den Nachtwind, die Bäume und die Sterne als Zuhörer zu haben kann auf Dauer etwas unbefriedigend sein...

Setze dich zu mir ans Feuer und lausche den Geschichten, die ich dir erzählen möchte. Rücke doch etwas näher an die Flammen heran, nur keine Scheu! Die heutige Nacht ist ausgesprochen kalt, findest du nicht? Nimm dir ruhig eine von den Decken die ich mitgebracht habe. Möchtest du etwas warmes zu trinken? Ich habe eine Thermoskanne mit frisch aufgebrühtem Früchtetee in meinem Rucksack... glaube mir, den wirst du brauchen. Zucker? Nicht? Auch gut.

Gut, ich glaube jetzt hast du es dir ausreichend bequem gemacht und wir können anfangen.

Ich hoffe du magst Märchen. Wie? Du findest Märchen sind nur etwas für kleine Kinder? Glaube mir, dass sind sie nicht...

Die zwei Legenden die ich dir heute erzählen will, stammen aus einem weit, weit entfernten Land und sind wahrscheinlich etwas düsterer und unheimlicher als die Märchen, die du damals auf dem Schoß deiner Großmutter gehört hast. Jedes Ding in dieser Erde hat eine helle und eine dunkle Seite. So auch die Welt der Mythen und Legenden. Jede Kultur hat ihre eigenen Dämonen und Schreckgespenster die Nachts die Träume der Kinder, und manchmal auch die der Erwachsenen heimsuchen. Hier in Europa haben wir Werwölfe, Vampire, Hexen und manch andere unheimliche Kreatur. Ich gehe davon aus, dass du sie zur Genüge kennst und dich als kleines Kind vor ihnen gefürchtet hast. Die Sagen, die du gleich hören wirst sind... anders. Trauriger... und bösartiger.

Ich sehe, dass du etwas zitterst. Hier, nimm noch eine Decke! Die Nächte hier draußen sind kalt... und meine erste Geschichte spielt tief, tief im Winter.

Folge mir in das alte Japan der Edo-Zeit!

Die Legende der Yuki Onna

Die Gestalt der Yuki Onna (dt. Schneefrau) taucht in vielen japanischen Märchen und Erzählungen auf. Viele behaupten von sich, ihr begegnet zu sein, viele fürchten sie. Dargestellt wird sie als wunderschöne Frau, mit blasser, fast durchscheinender Haut und langen, glatte Haaren. Sie sieht sehr jung aus, nicht älter als zwanzig Jahre, trotzdem wirkt der Ausdruck ihrer Augen so alt wie das Universum. Ihre Haare haben die Farbe des Schnees, in dem sie sich bewegt, in manchen Fällen werden sie auch als pechschwarz beschrieben. Ihre Körpergröße variiert von Legende zu Legende. Ein Mann, der einsam in einer Hütte am Rande eines Bambushains lebte, soll sie während eines schweren Schneesturms zwischen den schwankenden Stämmen erblickt haben; sie trug einen wehenden, weißen Kimono und starrte mit hasserfüllten Augen in seine Richtung. Ihr Körper war der eines jungen Mädchens, doch er hatte eine Länge von beinahe 10 jȏ (3,30 m). Angeblich wurde der Mann durch ihren Anblick wahnsinnig und beging schließlich verzweifelt Selbstmord.

Die Yuki Onna wird im Schnee geboren und stirbt auch mit ihm. Der Schnee allein verschafft ihr unheimliche Kräfte. Sie kann sich in eine Nebelwolke oder feinen Pulverschnee verwandeln und auf der Stelle verschwinden. Sie schwebt über den Boden oder hinterlässt nur kleine, runde Vertiefungen im weichen Neuschnee. Denn sie besitzt keine Füße. Der einzige Makel an ihrem sonst perfekten Körper. Ihr eisiger Atemhauch bringt den Tod und ein Blick in ihre schwarzen Augen löst deinen Verstand auf. Man sagt, sie würde Personen, die sich in einem Schneesturm verirren, mit ihrem wunderschönen Äußeren anlocken und an einen unaussprechlichen Ort entführen. Diese Menschen werden in der Regel nie wieder gesehen. In vereinzelten Fällen wurden sie am nächsten Morgen, mit verzerrten Gesichtern und blaugefrorenen Lippen, in Schneewehen vor ihrer Haustür aufgefunden. Tot. Manch einer behauptet, sie würde sich von den Seelen ihrer wehrlosen Opfer ernähren. Mit vorliebe entführt sie kleine Kinder.

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