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Ich lade meinen letzten Gemälde auf die Holzkarre und schiebe sie mit Timo zusammen Richtung Stadtmarkt.
Die Sonne ist noch lange nicht aufgegangen, Mutter hat uns früh los geschickt sodass wir einer der ersten sind. Ich gähne vor Müdigkeit, da die Nacht kurz für mich war. Ich habe Gebetet und konnte danach kaum ein Auge zu machen, als würde eine Stimme immer wieder sagen dass wir das sein lassen sollten.
Doch als Timo mich wach machte, wurde mir klar das ich geträumt habe und eingeschlafen bin. Wir suchten ausnahmsweise Sachen raus die einigermaßen schön aussahen, ich machte mir sogar etwas Rouge von Mutter auf meine Wangen, damit ich nicht so blass wirke und setze mein freundlichste Lächeln auf, dass ich besitze. Auch wenn ich die meiste Zeit mit dem Rücken gewandt zu allen sitze, damit sie sehen können wie ich zeichne und was ich zeichne.
Es ist lange her das ich auf dem Stadtmarkt war, genau genommen 5 Jahre, Timo war zwischen durch mal hier gewesen um wichtige Einkäufe zu erledigen, doch ich habe es immer gemieden. Zu oft war ich mit Vater hier, der mir immer meine Lieblings Frucht gekauft hat, die eigentlich viel zu teuer war. Doch ich war seine Prinzessin und dürfte alles haben.
„Hier ist doch ein guter Platz." Schlägt Timo unsern bereits vor zwei Jahren ausgesuchten Platz vor. Ich nicke und stelle stöhnend die Karre ab, Timo hilft mir beim aufbauen.
Der Marktplatz füllt sich allmählich und immer mehr Verkäufer stellen ihre Stände auf, einige schauen fragend zu uns herüber, doch stellen keine Fragen was wir hier wollen.
Selbst wenn sie Fragen, könnten wir alles beantworten. Den Platz haben wir nun für mindestens 3 Wochen, in der Hoffnung das wir bis dahin die Aufmerksamkeit von Lord Lucien haben.
Er gilt als besonders streng und ist einer der jüngsten Lords, sein Vater ist vor vier Jahren gestorben und er musste mit nur 18 Jahren sein Amt übernehmen. Das war das größte Glück was uns passieren konnte bei der Planung, denn sein Vater war bekannt härtere Maßnahmen zu unternehmen wenn man beim stehlen erwischt wird, doch Lord Lucien wollte nie so werden wie sein Vater. Ob das nun stimmt, was Mundpropaganda und die Zeitungen schreiben, werden wir wohl bald heraus finden.
Timo fässt mir sanft auf die Schulter, ich sehe zu ihm auf.
„Du hast dich selbst übertroffen mit den Bildern." Sagt er und ich lächle leicht.
„Sie sollen ja auch auffallen." Gebe ich nur von mir und Timo verdreht die Augen, ich konnte noch nie Komplimente annehmen. Ich mag es nicht wenn jemand an mich interessiert ist, daher wird es so schwer werden jetzt auffällig zu werden, doch für Vater, für unseren Plan und für unsere Träume mache ich das!

„Kommen Sie! Kommen Sie! Nur hier finden Sie die schönsten Gemälde!" Brüllt Timo über den ganzen Marktplatz, dieser ist inzwischen gut besucht und die Mittagssonne wärmt unsere Haut. Ich male weiter an ein Bild, zu sehen ist eine kleine Hütte in einem Wald, dieser Ort strahlt so viel Frieden und Ruhe aus.
Diesen Ort gibt es wirklich, es wird unser Rückzugsort sein, sobald wir die Krone haben, verstecken wir uns dort. Niemand kennt diesen Ort, die Hütte haben wir letztes Jahr gebaut, im tiefen Ostenwald. Er ist bekannt für seine Wildtiere und da er so verwinkelt ist und kein einziger Weg hinein und hinaus führt, fanden wir diesen Wald am besten.
„Diese Gemälde sehen wirklich sehr schön." Die erste Person tritt zu uns heran, ich darf mir nichts anmerken lassen. Ich höre und sehe diese Person nicht!
„Diese Bilder sind einzigartig! Nur einmal zu finden auf dieser Welt, gemalt von meiner Schwester." Sagt Timo laut, dass es auch Menschen hören die weiter weg stehen, ich spüre die Blicke auf meinen Rücken und lege den Pinsel neu an.
„Erstaunlich." Höre ich den Mann sagen, ich muss mich konzentrieren um nicht zu lächeln. Es ist das erste mal das jemand der nicht zur Familie gehört meine Bilder sieht, solch ein Kompliment zu erhalten fühlt sich schön an.
„Sie malen wirklich gut!" Sagt der Mann.
„Oh. Sie müssen entschuldigen, meine Schwester ist Gehörlos, dafür liegt ihr Talent beim malen." Erklärt Timo.
„Das tut mir leid, richten Sie ihr aus das ihre Bilder wirklich schön sind." Er stoppt kurz.
„Wie viel wollen Sie für das Landbild." Ich weiß genau welches er meint, es zeigt im Vordergrund ein Blumenfeld, mit vielen verschiedenen bunten Farben. Im Hintergrund steht ein grasendes Pferd und die Sonne die hoch steht, das Bild gibt ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
„100 Rubi." Antwortet Timo, der Herr lacht leise.
„Sie können viel mehr verlangen für dieses Gemälde! Ich gebe ihn 300 Rubi." Mein Atem stockt, das ist zu viel! Ich kann meine Bilder nicht für so viel verkaufen.
„Abgemacht!" Ich setze mich aufrecht hin, Timo überreicht den Mann das Gemälde.
„Einen schönen Tag Ihnen!" Ruft Timo hinterher, eher er zu mir läuft und mir sanft auf die Schulter fässt, ich sehe zu ihm hoch.
„Die Leute haben alle zu viel Geld."
Ich lege meinen Kopf schief.
„300 Rubi, das ist viel zu übertrieben." Timo lächelt und nickt.
„Es ist mir egal, hätten wir das vorher gewusst wären wir die reichsten Menschen." Ich lächle und widme meine Aufmerksamkeit wieder meinen Bild, Timo erkennt das Haus, sagt aber nichts dazu.

Es ist fast Abends, die Sonne steht tief und meine Finger krampfen allmählich. Ich lege meinen Pinsel für eine Pause beiseite und drehe mich zum Markt. Es sind weniger Leute unterwegs, als die letzten Stunden, ich sehe das einige Verkäufer schon ihren Stand abbauen und auch wir müssen uns bald auf dem Rückweg begeben wenn wir noch im hellen nach Hause wollen. Ich stelle mich neben Timo, er dreht sich leicht zu mir um mit mir zu kommunizieren.
„Ich hätte nie gedacht, dass wir so viele Bilder los werden!" Er lächelt breit zu mir und ich erwidere sein Lächeln.
„Hoffen wir auch, das die Menschen darüber reden." Denn das ist ja unser Ziel, das wir über Mundpropaganda an die Lords heran kommen.
„Das sind schöne Gemälde, wer ist der Künstler dieser Bilder?" Fragt eine Frauenstimme und wir sehen beide zu ihr. Die Frau ist mittleren Alters, hat blondes Haar und trägt die Kleidung der Hochrangigen Vertreter des Lords, ich stelle mich aufrecht hin, als ich die Brosche sehe.
„Miss, meine Schwester ist die Künstlerin dieser einzigartigen Bilder!" Timo legt seine Hand um mich, ich lächle unsicher.
„Einzigartig auf jeden Fall! Das Bild mit dem Haus, ist das zu kaufen?" Fragt sie, es ist das Bild welches ich heute angefertigt habe.
„Bist du sicher das wir das abgeben können?" Fragt Timo mich, ich überlege kurz. Niemand weiß von dem Ort, es ist für jeden anderen ein ausgedachtes Bild.
„Sie soll es morgen abholen, es ist noch nicht trocken." Bis dahin können wir immer noch überlegen.
„Meine Schwester hat dieses Bild heute gemalt, es ist noch zu feucht um es zu transportieren. Wenn Sie es morgen abholen könnten?" Fragt Timo freundlich die Frau.
„Ihre Schwester ist gehörlos?" Fragt sie neugierig.
„Ja Miss, seit ihrer Geburt. Das malen hilft ihr zu kommunizieren mit anderen Menschen." Denkt sich Timo eine Geschichte aus und die Frau sieht die restlichen Gemälde an unserem Stand an.
„Erstaunlich! Ich hole es morgen gleich in der Früh ab! Morgen kommt Lord Lucien, es wäre ein schönes Willkommensgeschenk!" Plappert die Frau freundlich vor sich hin und verrät uns ein wichtigstes Detail.
„Das sind großartige Neuigkeiten." Timo lächelt siegessicher.
„Lord Henry wird dadurch auch aufmerksam auf uns."
Das erspart uns einige zwischen Schritte, hoffentlich.
„Sehr schön, dann kommen Sie morgen früh wieder zu uns. Wir sind ab dem Morgengrauen hier." Macht Timo mit ihr ein Termin aus.
„Sehr schön! Bis morgen." Sie nickt freundlich zu mir und ich lächle, sie ist die erste Frau die mich nicht schräg anguckt, als sie erfahren hat das ich Gehörlos bin. Sie ist höflich geblieben und erfreut sich noch immer an unsere Bilder, ich lächle zu Timo. Besser hätte dieser Tag nicht enden können.

Es scheint ja alles nach Plan zu gehen, hoffentlich bleibt das auch so...
Eure Soli 💕

Silent Thief Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt