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Lord Lucien hat schon vieles in seinem Leben erlebt, gesehen und schon einige Personen getroffen die ihn verblüfft haben. Doch die beiden Geschwister Timo und Claire verblüffen ihn mehr, mehr als seine eigene Geschichte.
Als Kind eines Groß Lords hatte Lucien ein vornehmes Leben, eigene Lehrer, eigenes Personal und einen Vater der ihm egal war. Bis Lucien 16 Jahre alt wurde und ihm erklärt wurde das er bald den Platz von seinem Vater einnehmen würde, doch Lucien wollte nie das Leben. Aber es hat ihm geholfen befreundet zu sein mit dem älteren Lord Henry. Lucien wurde viel beigebracht, wie man über Menschen herrscht und ihnen Dinge beauftragt die sie sowieso nicht schaffen würden, nur um sie zu bestrafen.
Henry war da anders, er war darauf bedacht seinem Volk alles zu bieten was sie brauchen, er war davon überzeugt das seine Familie und das Volk zusammen gehören und kein Platz ist für Wände und Gesetze. Lord Lucien war zwar nicht davon überzeugt am Anfang, doch als er gesehen hat das es funktioniert, hat er sich vorgenommen den Plan von Lord Henry zu folgen.
Weniger Grenzen, weniger Strafen und Zahler und dafür mehr Feste, Freilassungen und die Öffnung des Hauses einmal im Jahr. Auch wenn es noch Jahre dauert die Menschen davon zu überzeugen das dieser Weg das beste für ihn ist, einige von ihnen hat er schon überzeugt, doch einige halten ihn für zu Jung um ein Volk zu regieren. Aber vielleicht brauchte sein Land genau das, einen jungen Lord, mit neuen Ansichten.

Lucien wird aus den Gedanken gerissen als er eine Hand neben sich sieht, er schaut zu ihr. Claires Hände sind dünn, muskulös und dafür das sie viel malt sind ihre Fingernägel gepflegt und keine einzige Farbe ist unter ihnen zu finden. Am meisten findet er ihre Augen schön, sie leuchten wie das Marylou Meer.
Er würde ihr das Meer so gerne zeigen, denn er ist sich ziemlich sicher das sie das Meer noch nie gesehen hat. Auch wenn sie ein Bild davon gemalt hat, auch die Hütte im Wald hat sie frei erfunden. Es sind Bilder in ihrem Kopf die sie visuell darstellt, eine erstaunliche Frau. Lucien schaut rüber zu Claires Bruder Timo, dieser ist gerade im Gespräch mit ihr. Sie scheinen ein etwas ernsteres Thema zu führen, Claires Finger zittern als sie ihm darauf antwortet und ich sehe fragend zwischen den beiden hin und her. Timo nickt und dreht sich dann zu Lord Henry.
„Meine Schwester fühlt sich nicht wohl, sie fragt ob sie sich zurück ziehen kann?" Fragt Timo für sie und Lucien muss sich zusammen reißen nicht zu ihr zu schauen.
„Natürlich, ich hoffe dass das Essen sie nicht verstimmt hat." Sagt Henry bedacht, so kennt Lord Lucien ihn. Immer darauf bedacht das es jedem der in seinem Haus wohnt gut geht.
„Ich denke es war einfach sehr viel für einen Tag." Sagt Timo und gibt seiner Schwester Bescheid das sie gehen darf. Claire lächelt leicht und Lucien versucht herauszufinden ob das ihr echtes Lächeln ist oder ein aufgesetztes Lächeln um einfach nur nett zu wirken. Sie nickt zu Lord Henry, danach zu Killian und zum Schluss bleibt ihr Blick bei Lucien hängen.
Er muss sofort an dem Moment denken, als er und Killian bei ihr zu Hause waren und er ihre Hand geküsst hat, wieso konnte er sich auch nicht erklären.
Es war über ihn gekommen wie ein Wintersturm, ohne Vorwarnung musste er sie einfach berühren. Claire nickt leicht, nimmt dann ihr Buch und verlässt mit schnellen Schritten den Raum, Lucien kann sich gut vorstellen das es ihr unangenehm war mit drei fremden Männern an einem Tisch zu sitzen.
„Eine erstaunliche Schwester haben Sie Timo." Nimmt Lord Henry das Gespräch wieder auf und nimmt einen Schluck von seinen inzwischen vierten Wein. Das er schon lange dem Trank verfallen ist, ist nichts neues für Lucien, er versteht nur nicht was ihm daran reizt.
„Danke, ich muss sie immer daran erinnern wie viel Talent sie hat. Sie denkt sie ist nichts wert, dadurch das sie nicht hören kann." Erklärt Timo.
„Dabei wünscht sich doch jeder eine Frau die nicht Widersprechen kann und den Mund hält." Scherzt Lord Henry und zur Luciens Überraschung stimmt Timo sogar mit ein.
„Ein Traum, aber Claire kann genauso diskutieren wie eine Frau mit einer echten Stimme." Sagt er, Lucien kann sich gut vorstellen, dass sich hinter dem leichten Lächeln eine Frau steckt die ihren Kopf durch bringen möchte.
Lucien nimmt einen Schluck seines Weines um seine Gedanken zu vertreiben und Killian lächelt wissend zu seinem Freund hinüber.
Killian wusste schon bei der ersten Begegnung das eine Verbindung zwischen seinem Lord und der stummen Frau herrscht.
Aus diesem Grund ist Killian noch einmal zu ihr geritten, nicht nur um der Frau ohne Stimme den Auftrag zu geben, sondern auch sich davon zu überzeugen das sie rein ist. Keine Lügnerin oder Diebin ist, er hat nichts gefunden außer ein junge Frau die verzweifelt nach Hilfe sucht, ist ihm aufgefallen.
Doch ihr Bruder Timo ist sehr temperamentvoll und wird ein Problem werden, sollte Lucien wirklich Interesse zeigen für Claire. Lucien hat schon immer das Interessiert was er für unmöglich fand und was ihn vor neue Herausforderungen stellt. Und Claire gehört eindeutig in die Kategorie, auch Killian findet Claire interessant, aber auf eine andere Art. Aber er kann dem Bruder noch nicht zu Hundertprozent vertrauen, Killian nimmt sich vor ihn zu beobachten wann immer er es schafft.
„Meine Herren es ist mir eine Ehre gewesen mit euch zu Essen, Timo wenn Sie möchten können Sie uns gerne noch auf einen Drink in den Salon begleiten?" Bittet Lord Henry seinem Gast an, Henry ist mit seinen 30 Jahren der älteste Herr am Tisch. Aber er ist jung geblieben, liebt Feiern, Frauen und das ein oder andere Getränk.
Als er der Nachfolger von seinem Vater wurde, war er Anfang 20. Es war am Anfang schwer von seinem Volk akzeptiert zu werden, doch durch neue Gesetze und der Öffnungen des Hoffes einmal im Jahr, konnte er vertrauen gewinnen. Doch ihm war nie bewusst das unter seinem Volk solch ein Talent wie das von Claire lebt und sie nicht gefördert wird. Es wäre Lord Henry ein Vergnügen wenn Claire groß herauskommt und er neben ihr stehen kann und sagen kann, ich habe sie gefunden, gefördert und alles für sie gegeben. Doch ihre Stummheit wird ihr zum Verhängnis werden und das ihr Bruder Timo sie immer auf Schritt und Tritt verfolgt, ist auch nicht angedacht.
„Ich muss mich entschuldigen, ich werde mich auch in meine Gemächer zurückziehen." Entschuldigt sich Claires Bruder von den drei Herrschaften, sie verabschieden den Zwillingsbruder von der Gehörlosen Claire und der erste der zu Wort kommt ist Killian.
„Ich traue ihm nicht." Sagt er und sein Freund Lucien schaut zu ihm herüber.
„Wieso denkst du das?" Fragt er, Timo ist aufrichtig zu seiner Schwester und tut alles damit es ihr gut geht.
„Er hat einen Kontrollzwang bei seiner Schwester entwickelt, egal wie nett er auch scheint. Irgendwas sagt mir das er Ärger machen wird." Erklärt Killian, Lord Henry und Lord Lucien. Die beiden Männer nicken und gehen Killians bedenken noch einmal durch.
Natürlich ist Timo besorgt um seine Schwester und würde alles für sie tuen, zumindest kam es beim Essen so rüber. Aber wer er nun wirklich ist, hat Lord Lucien nicht herausgefunden.
„Beobachte ihn, wenn dir irgendwas komisches auffällt dann gib mir Bescheid." Sagt Lucien zu ihm.
„Meine Herren das ist aber auch noch immer mein Grundbesitz und meine Gäste." Sagt Lord Henry.
„Ich vertraue den jungen Mann und das solltet ihr auch, sie bleiben doch nur eine Woche. Was kann da schon passieren." Sagt Henry entspannt, er macht sich keine Sorgen das die beiden Ärger machen.

Am späten Abend treffen sich Lord Lucien und Killian noch einmal.
„Beobachte ihn dennoch weiter, es dient dem Schutz des Lords." Sagt Lucien draußen auf der Terrasse zu ihm, während sie den Blick auf den großen Garten richten.
„Und die Schwester?" Fragt Killian.
„Lass das mal meine Sorge sein." Sagt Lord Lucien zu seinem Freund und die beiden Männer bemerken nicht dass Claire ein Stockwerk über ihnen das Gespräch mit hört.

Eure Soli 💕

Silent Thief Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt