Lord Lucien sitzt auf einem Barhocker mit einem Getränk in der Hand und schaut zu mir hoch. Ich versuche ihn weitestgehend zu ignorieren und suche nach etwas hilfreichen.
„Ist es noch nicht besser geworden?" Fragt er.
„Es kam kein Arzt." Antworte ich kurz, ein Stuhl schabt über den Boden.
„Setzt Euch." Sagt er befehlenden.
„Nein danke." Sage ich ohne ihn eines Blickes zu würdigen, aus Angst das ich schwach werde.
„Claire, ich meine das ernst. Lasst mich Eure Wunde versorgen?" Sagt er ernst und nun drehe ich mich wütend um.
„Wieso sollte ich mich von Ihnen verarzten lassen? Sie und ihr Anhängsel machen mir das Leben hier schwer und ich bin mir ziemlich sicher das es kein Zufall war, dass ausgerechnet zu mir kein Arzt kam." Sage ich sauer und Lucien legt seinen Kopf schräg.
„Und Sie denken nicht das es eher umgekehrt ist?" Fragt er und kommt mir ein Schritt näher, woraufhin ich ein Schritt nach hinten gehe.
„Sie tauchen einfach so in mein Leben auf, sind freundlich und nett zu mir. Obwohl Sie die ganze Zeit lügen und betrügen, eigentlich hätten Sie und Ihr Bruder an den Galgen gemusst." Nun gehe ich zwei Schritte auf ihn zu.
„Und warum stehe ich dann noch hier?" Frage ich Lucien herausfordernd, er knirscht mit seinem Kiefer und schaut anstrengend zwischen meine Augen und meinen Lippen hin und her. Mein Puls geht schnell und mein Herz rast, mein Augen wandern auch langsam zu seinen Lippen. Die ich schon so oft gemalt habe, wie auch jedes einzelne Detail seines Gesichtes.
Ich schaffe es aus meiner Starre und gehe wenige Schritte zurück.
„Gleich werde ich nicht mehr stehen." Beschwere ich mich und spüre wie mir Blut über den Oberschenkel runter läuft, Lucien sieht es ebenfalls und Flucht.
„Hinsetzen." Er zeigt auf die Arbeitsplatte und nach kurzen überlegen, gehe ich hin und hieve mich auf die Arbeitsplatte. Lucien sucht alles zusammen, während ich mein Kleid was nun auch blutig ist, hoch schiebe und mir das Desaster ansehe.
„Das war nicht der Plan." Sagt Lucien sauer, während er mit allen Utensilien wieder kommt.
„Es sollte niemand ernsthaft verletzt werden, so sind Sie bei der nächsten Aufgabe geschwächt." Sagt er ernüchternd.
„Sollte Sie das nicht freuen?" Frage ich herausfordernd, Lucien schaut kurz zu mir.
„Nein, dass ist nicht Fair. Ich will nicht sagen das Sie Fair spielen, aber das geht zu weit. Ich entschuldige mich dafür." Er kommt mit einem nassen Handtuch um das Blut abzuwischen und ich versuche die Nähe zu ignorieren und konzentriere mich auf das wesentliche.
„Sie entschuldigen sich dafür das ich verletzt wurde? Obwohl ich kein stück besser zu Ihnen war?" Frage ich ihn und er wischt vorsichtig über die Wunde, ich versuche mir nichts anzumerken.
„Auch wenn ich versucht habe Sie zu hassen." Er legt das Handtuch beiseite.
„Kann ich es nicht Claire." Lucien schaut mir in die Augen, nein eher in die Seele.
„Ich kriege Sie nicht aus meinen Kopf, träume von Ihnen und das macht mich wahnsinnig, weil ich Sie eigentlich anzweifeln müsste, Sie hassen müsste. Aber ich kann es nicht." Sagt er ehrlich zu mir und ich presse meine Lippen aufeinander.
„Es tut mir leid das ich Sie anlügen musste." Flüstere ich, da ich lauter nicht sprechen muss, so nah wie wir uns sind. Er widmet sich wieder meiner Verletzung, wofür ich ihn sehr dankbar bin, nur mein bescheuertes Herz spielt wieder verrückt.
„Aber es war schon immer unser Traum gewesen hier teil zu nehmen, unsere Mutter ist nachdem tot unseres Vaters so in ihrem Alkohol verfallen dass sie uns kaum noch wahr nahm. Wir wollten dort nicht mehr leben, nicht mehr so." Lügnerin! Lügnerin!
„Es tut mit leid das Sie solch ein Schicksal hinter sich haben, aber einen Lord zu belügen kann einem auch ganz schnell den Kopf kosten." Sagt er und ich muss mich zurück halten ihn nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Ich schaue zu ihm, während er ein Verband herausholt.
„Das Risiko sind wir eingegangen für ein besseres Leben." Durch mein Kopf schwirrt immer wieder die Stimme.
Lügnerin! Lügnerin!
„Ich weiß nicht ob ich Euch beneiden soll für euren Mut oder bemitleiden." Gesteht Lucien und ich würde gerne sagen das er mich als Lügnerin sehen soll, Abstand halten soll und vor allem aus meinem Herz verschwinden soll.
„Darf ich?" Fragt er und zeigt auf meinen Bein, ich nicke ohne wirklich zu wissen was er vor hat. Als seine warmen Finger meinen Oberschenkel berühren halte ich meine Luft an, ich schlucke und schaue mich in der Küche um.
Ich ignoriere die Wärme in meinen Bauch und versuche normal weiter zu atmen, doch seine Finger die sachte über meine Haut wandern um den Verband anzulegen mache es kaum möglich.
Mein Blick wandert langsam zu ihm, er schaut hinunter auf meinem Bein und konzentriert sich darauf mich kaum zu berühren, doch er tut es. Bewusst. Da bin ich mir ziemlich sicher, er hat meine Reaktion mit Sicherheit mitbekommen. Ich bin so dumm, warum bin ich nicht einfach wieder auf mein Zimmer geblieben?
Lucien hebt seinen Kopf und seine grünen Augen schauen mich forschend an.
„Ich sollte Ihnen wahrscheinlich nicht so nah sein." Sagt er und ich versuche meinen Atem flach zu halten.
„Wahrscheinlich." Will
Ich antworten, doch meine Stimme ist viel zu zittrig. So nah war mir nicht mal Timo, meistens hat mich Mutter verarztet wenn ich verletzt war.
Lucien bindet den Verband noch einmal um mein Bein und ich spüre seine Finger an der Innenseite meines Beines, ich versteife mich und bin selber überrascht das er mich so durcheinander bringt. Ich dachte nie das ein Mann mich so unsicher machen kann, so zerbrechlich.
„Danke." Sage ich mit fester Stimme und rutsche langsam von der Arbeitsfläche, bleibe neben dem Lord stehen der mich genau betrachtet.
„Ich kann Ihnen noch etwas gegen die Schmerzen geben." Sagt er, doch ich schüttle den Kopf.
„Ich hatte schon schlimmere Verletzungen, das werde ich schon überleben." Sage ich und versuche mein Kleid wieder in richtiger Form zu bringen.
„Danke." Wiederhole ich mich.
„Das sagten Sie bereits." Stellt er fest.
„Das waren für unterschiedliche Sachen." Sage ich nur und gehe an ihm vorbei.
„Und Sie werden mir bestimmt nicht sagen wofür das zweite Danke war?" Fragt er obwohl er die Antwort schon weiß, über meine Schulter hinweg sehe ich wie er lässig gegen der Arbeitsfläche steht, ich lächle siegessicher.
„Das werden Sie bald." Damit verlasse ich die Küche und kann endlich wieder einigermaßen normal atmen.
In meinen Zimmer angekommen, ziehe ich mich schnell um und lege mich in mein Bett. Dieser Tag war alles andere als normal. Betäubt, entführt und gefesselt auf dem Boden liegen, sind drei Sachen die ich nicht nochmal gebrauchen kann. Ich drehe mich auf die rechte Seite und versuche das pochen meines linken Oberschenkels zu ignorieren, doch dabei tauchen die Bilder von Lucien und mir in der Küche auf. Doch nicht wie wir einfach nur voreinander sitzen, sondern küssend wie zwei Jugendliche die mitten in ihrer Ausprobierphase sind. Ich merke wie meine Wangen brennen und bin in diesem Moment nochmal mehr froh, dass niemand Gedanken lesen kann.Glaubt ihr aus den beiden kann ein Liebespaar werden?
Eure Soli 💕
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Silent Thief
AdventureZwei Geschwister, ein Plan. Die Zwillinge Claire und Timo, die zu Meisterdiebe erzogen worden sind, haben ihren Vater auf grausame Weise verloren und wollen nun seinen letzten Wunsch in Erfüllung bringen. Die Krone des Königs. Ob sie den Plan ihr...