Kapitel 6 /2

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„Jenny! Hey, jetzt bleib stehen.“ Oh shit, sie klang sauer. Ich drehte mich langsam zu meiner besten Freundin um. Mittlerweile stand sie direkt vor mir uns sah mich mit zusammen gekniffenen Augen an. „Wo warst du am Sonntag verdammt noch mal? Ich habe dich überall gesucht! Und an dein Handy scheinst du seit neuesten wohl auch nicht mehr gehen zu können! Ich hab mir Sorgen gemacht!“ Sie war ganz außer Atem. „Ja entschuldige ich habe es verloren.“ log ich sie an. Ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen, oder doch? Ich sah Hilfe suchend zu Alex der hinter Liz stand, doch er schüttelte nur leicht den Kopf, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Dann hättest du ja wenigstens von daheim aus anrufen können!“ „Ja das hätte ich tun können, aber ich wohne ab sofort nicht mehr daheim.“ Ich versuchte ruhig zu bleiben, aber langsam merkte ich wie sich Tränen meinen Augen sammelten. Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, sie würde es nicht verstehen und noch dazu würde ich sie in Gefahr bringen. Es brach mir das Herz. „Wie du wohnst nicht mehr daheim?“ „Es gab einige Schwierigkeiten und deswegen hat mich meine Mutter auf ein Internat geschickt.“ Ich sagte einfach das erst beste was mir einfiel. Ich durfte sie auf keinen Fall in Gefahr bringen. „WAS? Das kann sie doch nicht machen?“ sie schlug sich die Hand vor den Mund und war völlig entsetzt. Ich glaube sie hat meine Lüge geschluckt. „Aber dann sehen wir uns ja gar nicht mehr.“ Scheiße, bitte sie darf nicht weinen! Doch da lief ihr schon die erste Träne über die Wange. Ich versuchte meine Tränen noch zurück zu halten. „Wir kriegen das hin Liz, ich versuche dich so oft wie möglich zu besuchen, das verspreche ich dir. Aber das Internat, ich weiß nicht wann ich da das nächste mal wieder nachhause komme, es ist ein bisschen weiter weg.“ Ich verstrickte mich immer weiter in Lügen nur damit ich sicher gehen konnte dass sie sich keine Sorgen um mich macht. „Aber was ist mit Josha, den kannst du doch auch nicht einfach zurück lassen, und all deine Freunde, und mich. Du kannst mich hier doch nicht allein lassen.“ Jetzt weinte sie richtig. Ich strich ihr sanft die Tränen weg. „Mit Josha ist es aus! Er hat mich mit Madison betrogen, ich habe sie vorhin gesehen als ich mich von der Schule abgemeldet habe.“ „Er hat was? Dieses Schwein! Aber wie kommst du auf einmal auf Internat? Davon hast du noch nie etwas erzählt Jenny.“ Sie sah so verwirrt aus. „Ja das ist er! Das ist eine sehr lange Geschichte. Aber ich muss da hin, es geht nicht anders. Bitte stell keine Fragen sondern versprich mir einfach dass du gut auf dich aufpasst und keinen Mist baust.“ „Ich verspreche es wenn du es mir auch versprichst.“ „Ich verspreche es.“ Sagte ich und wusste in dem Augenblick dass ich dieses Versprechen wohl niemals einhalten werde. Ich nahm sie lange in den Arm. Dann lösten wir uns voneinander und ich wischte ihr noch eine Träne weg. „Ich muss jetzt los. Pass gut auf dich auf.“ Dann drehte ich mich um und ging. Ich sah nicht mehr zurück. Womöglich wäre ich dann heulend auf die Knie gefallen und hätte ihr alles erzählt. Alex holte mich nach ein paar Metern ein und ging schweigend neben mir zum Auto. Wir setzten uns hinein und er fuhr los. „Geht es dir gut?“ fragte er nach einer Weile. „Ja.“ Antwortete ich und wischte unauffällig eine Träne weg die sich aus meinem Augenwinkel gelöst hatte. Ich hatte Glück das Liz mir vollkommen vertraute und niemals auf die Idee kommen würde dass ich sie anlügen würde. Es hätte das alles so viel Schwieriger gemacht wenn sie mir noch tausend weitere Fragen gestellt hätte und vermutlich wäre ich dann eingeknickt. Ich habe meine beste Freundin noch nie belogen und es fühlte sich schrecklich an ihr das jetzt angetan zu haben. Aber ich wusste es ist besser so.

Wir kamen an das Restaurant in dem wir meine Mutter treffen würden. Drinnen war alles ziemlich modern eingerichtet und an einem Tisch in der Ecke wartete meine Mum bereits auf uns. Ich begrüßte sie mit einer innigen Umarmung. Dann setzte ich mich ihr gegenüber und Alex nahm neben mir Platz. Ich bestellte ein stilles Wasser und Spagetti Bolognese, Alex nahm den BBQ Burger und Mum das Ko Samui. „Du hast dich verändert, aber das Tattoo steht dir.“ Sagte sie nach einer Weile. „Es musste sein, also das Tattoo. Ich weiß du magst keine auffälligen Tattoos.“ Ich senkte den Kopf und starrte auf mein Wasser. „Ach Schätzchen, ich weiß das du nichts dafür kannst. Dein Vater war der Anführer, ich weiß wie es bei euch abgeht. Es tut mir Leid, ich wollte dir die Wahrheit sagen sobald du 18 geworden wärst. Dein Vater hätte es nicht gewollt dass du mit dem allen schon früher konfrontiert wirst. Er wollte nicht dass du einer von ihnen wirst, aber nach seinem Tod war alles anders. Dein Onkel Jaron übernahm die Rozarez Blood und er verlangte deinen Eintritt an deinem 15ten Geburtstag. Also beschloss ich mit dir weg zu ziehen. All die Jahre habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Selbst an deinem 15. Geburtstag blieb es still. Aber du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Es tut mir so leid, ich hätte einfach noch weiter mit dir wegziehen sollen.“ Sie klang so verzweifelt. „Nein Mama, es war alles richtig was du gemacht hast, ich war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort, wie du schon sagtest. Ich werde schon zu recht kommen.“ „Ich weiß. Gott, du hast so viel von deinem Vater.“ Dann kam unser Essen und wir ließen es uns schmecken. Meine Mama erzählte noch ein paar Geschichten aus meiner Kindheit die sie an meinen Vater erinnerten. Damals als ich zum Beispiel meinen ersten Kampf, mit 10 Jahren, im Kickboxen hatte, war meine Gegnerin viel breiter und größer als ich. Meine Mum beschwerte sich bei meinem Trainer und auch er war verunsichert ob ich das schaffen würde. Ich war ziemlich klein und zierlich, meine Gegnerin groß und breit gebaut. Als ich bemerkte wie die beiden diskutierten ging ich hin und habe nur gesagt dass es auf die Technik ankäme und ich trotzdem genauso gut eine Chance gegen sie haben würde. Ich hatte überhaupt keine Angst zu verlieren da ich mir immer selbst Mut machte und mir einredete dass ich es schaffen kann. Also kämpfte ich gegen sie und gewann. Alle die diesen Kampf gesehen hatten konnten es selbst nicht fassen. Aber ich gewann mit Geschick und gezielten Schlägen, währenddessen sie nur auf Kraft setzte. Im nach hinein kam dann heraus dass meine Teilnehmer Karte in die  falsche Gewichtsklasse gelegt wurde und ich somit zwei Gewichtsklassen höher kämpfte. Ich erinnere mich gerne an den Tag zurück, ich stand auf dem Treppchen ganz oben, bekam einen goldenen Pokal und sah in die stolzen Augen meiner Mum. Nach etwa zwei Stunden sagte Alex das wir nun los müssten, und er bezahlte mein Essen und dass meiner Mutter. Vor dem Restaurant verabschiedete ich mich von meiner Mum und wusste dass ich sie jetzt erst einmal nicht mehr sehen werde. „Gib mir ja Acht auf sie!“ meine Mutter zeigte mit erhobenem Finger auf Alex und sah ihn streng an. „Ich werde sie mit meinem Leben beschützen, Miss.“ Sagte Alex mit extrem Ernsten Ton. Meint er dass Ernst? Nach einer weiteren Umarmung mit meiner Mum gingen wir wieder zu Alex’ schwarzen Ferrari und ich lies mich erschöpft in den Sitz fallen.


Snow White ~ cold as iceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt