Wir saßen schweigend nebeneinander, er konzentrierte sich auf die Straße und ich lauschte der nun ruhigeren Musik aus den Boxen. Nach einer Weile kamen wir daheim an. Es fühlt sich komisch an dieses riesige, von außen wie ein altes Herrenhaus aussehende, Gebäude als mein zu Hause zu bezeichnen. Die hohe Steinmauer drum rum macht das alles auch nicht gerade besser. Vor dem Tor blieb er kurz stehen und drückte ein Paar Tasten auf dem Bildschirm im Auto. Dann gab er seinen Fingerabdruck auf das Touchpad im Auto und das große Tor vor uns öffnete sich. Irgendwie ist hier alles mit Fingerabdruck und Codes und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen versehen. Als Außenstehender also keine Chance, was auch gut war. Es beruhigte mich zu wissen dass ich hier in Sicherheit war, denn ich wollte nicht wissen was die R-Blood alles für Feinde hat.
Er parkte seinen Ferrari wieder in der Tiefgarage und wir stiegen aus. Wir redeten immer noch kein Wort, aber es tat gut einfach mal nicht reden zu müssen. Oben in seinem Zimmer brach er dann das schweigen: „Zieh dir deine Sportsachen an, oder hast du dein kleines Versprechen von gestern etwa schon vergessen?" er grinste frech. Ich seufzte, das hatte ich tatsächlich vergessen und eigentlich hatte ich im Moment wirklich absolut keine Lust auf Training. Andererseits würde es mich eine Weile vom Nachdenken ablenken. Also suchte ich mir eine kurze, schwarze Adidas Hose und ein schwarz-graues Sport Top aus dem Schrank. Während Alex sich im Bad umzog, zog ich mich schnell im Zimmer um. Mittlerweile überkam mich Traurigkeit. Mein Freund hat mich betrogen, ich werde meine beste Freundin und anderen Freunde vermutlich nicht mehr sehen und meine Mum auch nur noch sehr wenig. Ich könnte gerade nur noch heulen, aber Alex kommt sicher gleich wieder aus dem Bad. Nach ein paar Minuten, in denen ich mir meine Sportschuhe anzog, kam er dann auch endlich aus dem Bad. Er sah wie immer perfekt aus mit seinem Bandana um den Kopf, der hellgrauen Jogginghose und dem schwarzen Sportshirt. Wir gingen raus und fuhren ein paar Stockwerke nach unten. Dann führte er mich einen Gang entlang bis wir schließlich in einen riesigen, offenen Fitnessbereich kamen. Einige Jungs trainierten an den verschiedenen Geräten, andere stemmten Hanteln. In der rechten Hälfte standen die ganzen Geräte, in der Mitte waren die Hanteln und Stangen für die Gewichte und in der linken Hälfte hingen 2 Boxsäcke und ein Ring war in der Mitte. Dort war der Boden mit Matten ausgelegt und ein Punchingball hing an der Wand. Wir gingen gleich rüber zu den Boxsäcken und dem Ring, in dem gerade zwei Typen miteinander rangelten. Alex verschwand kurz und kam dann mit zwei paar Boxhandschuhen, Schienbeinschonern und blauen Bandagen wieder. Wir setzten uns im Schneidersitz gegenüber auf den Boden und banden die Bandagen um unsere Hände. Langsam verschwand meine Traurigkeit und ich verspürte auf einmal eine ungeheure Lust zu kämpfen. Nach einem kurzen Aufwärmen aus Liegestützen, Sit ups, ein paar Squats und Dehnübungen, schlüpften wir in unsere Ausrüstung. Die zwei Jungs beendeten ihren Kampf und überließen uns den Ring. Meine Knochen schmerzten immer noch sehr von gestern, aber ich versuchte einfach nicht drüber nachzudenken. Wir hatten einen drei Minuten Kampf nur mit Kickboxen ausgemacht. Er stellte die Zeit auf seinem Handy ein und es ging los. Wir berührten uns kurz mit den Fäusten als Zeichen des Respekts, und der Kampf begann. Ich ging sofort in die Offensive, was er anscheinend nicht erwartet hat, denn ich traf ihn mit dem Fuß an der Seite, er knickte kurz ein und ich setze einen rechten Haken nach der ebenfalls traf. Er hatte sich allerdings schnell wieder gefangen weswegen ich wieder einen Schritt zurückging. Seine Faust schnellte vor, doch ich hatte schon damit gerechnet und wich aus. Sofort setzte ich wieder zum Schlag an und traf in mit dem hinteren Bein am Kopf. Zum Glück hatte er seinen einen Arm zur Deckung oben, ansonsten hätte dieser Schlag womöglich wehgetan. Das ging ein wenig so weiter. Allgemein war der Kampf ziemlich ausgeglichen. Wir trafen beide ein paar Mal und keiner war wirklich überlegen dem anderen gegenüber. Nach drei Minuten klingelte sein Handy und der Kampf war beendet. Wir berührten unsere Fäuste wieder kurz und zogen uns die Handschuhe aus. Er reichte mir eine Flasche Wasser und ich setzte mich auf den Boden. Ich war ein wenig aus der Puste, diese drei Minuten waren wirklich lang, auch wenn es sich vielleicht nicht so lang anhört. Alex bemerkte mein Schnaufern und setzte sich neben mich. „Du bist echt verdammt gut, wie du immer ausgewichen bist, ich dachte schon ich triff dich gar nicht mehr. Es ist wie als würdest du immer genau wissen wie man schlägt, das ist echt frustrierend." Wir lachten und ich wurde ein bisschen rot angesichts des Kompliments. „Ja der Kampf war echt spitze, du bist aber auch nicht gerade von schlechten Eltern." Lobte ich ihn meinerseits. „Danke, aber an deiner Kondition müssen wir noch arbeiten. Morgen in der Früh gehen wir laufen." Beschloss er und grinste mich dreckig an. „Ich weiß das meine Kondition zu wünschen übrig lässt, aber ich hasse laufen." Gab ich immer noch lächelnd zurück. „Gerade deswegen werden wir laufen gehen, du brauchst die Kondition hier, sie ist quasi deine Lebensversicherung." Er wurde ein bisschen ernster und ich verstand. Er hatte ja auch Recht. Dieses Leben ist jetzt kein Spaziergang mehr sondern harte Realität. Ich sah mich um. Wir waren allein. Wieso waren wir allein? „Wo sind denn die anderen hin?" fragte ich ihn. „Die sind duschen, gleich gibt es Abendessen. Aber ich würde sagen wir trainieren erst noch ein bisschen, sollst dir das Essen ja auch verdienen." Er lachte wieder. Eigentlich ist er ja schon ganz süß, wäre da halt nur nicht die Tatsache dass er ein Auftragskiller ist und wahrscheinlich schon mehr Menschen auf dem Gewissen hat als ich Finger habe. Er zeigte mir nun ein paar MMA Techniken wobei wir uns verdammt nahe kamen. Mittlerweile lag er am Boden und ich sollte mich auf seinen Bauch setzten. Dann zeigte er mir genau wie ich seinen Arm oder sein Bein festhalten sollte damit er bewegungsunfähig war. Er erzählte mir währenddessen wie ein Kumpel von ihm diesen Griff einmal angewendet hat und sich dabei dann den kleinen Finger gebrochen hat, was bei diesem Griff eigentlich völlig unmöglich ist, aber er hat sich anscheinend verdammt dumm angestellt damit er das zusammen gebracht hat. Wir lachten beide und auf einmal war sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Wir sahen uns in die Augen und die Zeit schien still zu stehen. Sein Blick wanderte zu meinen Lippen, dann wieder zu meinen Augen. Will er mich etwa küssen? Ich blieb wo ich war und sah ihm weiter in die Augen. Mein Herz schlug immer schneller, doch dann drehte er mich von sich runter und stand auf.
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Snow White ~ cold as ice
ActionZur falschen Zeit am falschen Ort und dein Leben wird innerhalb von Sekunden ein anderes. Du erfährst Dinge über deinen Vater die du dir nicht einmal im Traum hättest ausmalen können und landest von heute auf morgen gezwungener Maßen mit einem Auft...