Kapitel 14

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Durch seine Lage am Äquator waren die Nächte in Wakanda dunkler, als Steve es aus Amerika gewohnt war.
Oft waren das Zirpen der Grillen und die Geräusche der nachtaktiven Tiere das Einzige, das an Steves Ohren drang, wenn er das Labor verließ, um etwas frische Luft zu bekommen.
Seinen Blick hebend, betrachtete er die Sterne am tief schwarzen Nachthimmel.
Es war schon seltsam...
Für einen Menschen der im Jahr 1918 geboren wurde, waren die Sterne eben genau das... Sterne.
Den Mond zu bewandern war damals nicht mehr als ein Traum für Verrückte gewesen.
Und nun... Außerirdische Mächte... Verbündete aus weit entfernten Galaxien...
Reisen zwischen den Sternen, so selbstverständlich wie ein Taxi in New York.
Ein Gedanke der Steve noch immer völlig unwirklich erschein.

Der Bau der Prym Plattform schritt gut voran.
Bruce Banner und Scott Lang, der sich selbst gern als Ant-Man bezeichnete, hatten dank der wakandischen Ressourcen und dem Datenspeicher der F.R.I.D.A.Y KI schnelle Fortschritte erreichen können.
Bruce rechnete damit, dass der Quantenbeschleuniger in gut drei Wochen fertig gestellt werden konnte.
Alles lief nach Plan.
Morgen würde Steve die letzten Blutspenden abgeben und in drei Tagen konnten die Wissenschaftler beginnen, Tonys Cryokammer langsam herunter zu fahren.

Sollte er sich deshalb nicht mehr freuen?

Letzte Nacht hatte Steves Traum ihn in völlig aufgelöst zurückgelassen.
Die Bilder waren so deutlich gewesen, dass er es kaum wagte, daran zurück zu denken.
Der ihn liebkosende Körper war stets nur eine Art nebliges Wabern gewesen... Nie etwas Greifbares, oder gar klar zu Erkennendes.
Nur Tonys Stimme hatte erahnen lassen können, dass er es war, den sein Unterbewusstsein ihm hatte zeigen wollen.
Letzte Nacht war das anders...

Nachdem Steve zurück in sein Zimmer neben dem Labor gegangen war, hatte er es gerade noch bis zum Bett geschafft, bevor seine Beine unter ihm nachgegeben hatten.
Sofort als er das weiche Kissen unter seinem Kopf gespürt hatte, waren seine Augen zu gefallen und sein Körper war in die Traumwelt geglitten.

Das erste Mal sah er Tony direkt vor sich stehen.
Einen unverletzten Tony, der ihm eines seiner ehrlich gemeinten Lächeln schenkte, die immer dafür sorgten, das er sich automatisch besser fühlte.
Ein Lächeln nur für ihn...
"Steve...", wisperte er leise und griff nach den Händen des Blonden.
Tonys Namen flüsternd, trat Steve näher, ließ sich in Tonys Arme ziehen und spürte sofort wieder diese unglaubliche Geborgenheit, die seinen ganzen Körper einhüllte.
Die braunen Augen schienen direkt in Steves Seele zu blicken, liebkosten den Soldaten mit Blicken, die einer Anbetung gleichkamen.
Die Hände, die Steves Körper nun entlang glitten, waren exakt dieselben, wie in den Träumen zuvor.
Die starken Hände eines Mechanikers...
In der Lage Metall mit bloßen Fingern zu formen und direkt danach einem kranken Kind zart die Wange zu streicheln.
Ein rauer, spöttischer ,arroganter Mistkerl mit einem Herz aus Gold, wenn er einem einmal sein Herz geschenkt hatte.

Das leichte Kratzen des Bartes um Tonys Lippen begleitete die feuchten Spuren seiner Zunge, mit der er über Steves Bauchmuskeln fuhr.
Pure, unbeschreibliche Lust erfasste den Soldaten, als er an sich herunter blickte... Die Lippen spürend, die sich um sein hocherigiertes Glied gelegt hatten.

Und wieder war Steve von dem unangenehmen Gefühl von trocknendem Ejakulat in seinen Shorts geweckt worden...

Es war dieses Bild, das Steve nun seit Stunden nicht aus dem Kopf bekam.
Wie sollte er damit umgehen?
Wie sollte er mit solchen Gefühlen umgehen?
Mit dem Wissen, dass er Tony bald wieder in die Augen sehen musste... Mit diesen Bildern in seinem Herzen.

Er hatte sich nie über seine sexuelle Identität Gedanken gemacht.

Zu seiner Zeit galten Gedanken, wie die in seinen Träumen, als abartig.
Es stand sogar die Todesstrafe auf Sodomie, wie Homosexualität damals noch bezeichnet wurde.
Etwas, das in den modernen Zeiten, wie Bucky die Neuzeit immer bezeichnete, endlich einen Wandel erfahren hatte.

Steve hatte sich im Grunde noch nie über Sexualität im generellen Gedanken gemacht.
Als er im Alter von 6 Jahren seine Mutter an Tuberkulose verloren hatte, hatte Bucky … Sergant James Barnes... sich um ihn gekümmert.
Die beiden wurden zu Brüdern aus verschiedenen Familien.
Buckys Vorbild war es gewesen, das Steve mit allen Mitteln versuchte in die Arme zu kommen... Der unbändige Wunsch nützlich zu sein, trotz seiner schwächlichen und kränklichen Gestalt.
Er hatte sogar Ausweise gefälscht und war zu jeden Meldebüro der Stadt gewandert... Vergeblich.

Als man ihn dann für das Supersoldatenprogramm auswählte, tobte der zweite Weltkrieg.
Keine geeignete Zeit für Liebesbeziehungen.
Ein schüchterner Mann, der sein Leben nur dem Kampf gegen die Nazis widmete...
Nicht einmal in der Lage mehr als fünf Worte mit einer Frau zu wechseln...
Bis zu jenem Abend, an dem er Peggy Carter getroffen hatte...
Einen Tag später, mit 27 Jahren... Wurde er im ewigen Eis konserviert.

Natürlich hatte sich in den letzten Jahren viel verändert.
Er war selbstsicherer geworden, nicht zuletzt durch die Hilfe seiner Freunde.
Er hatte sogar ein paar Mal versucht Frauen kennenzulernen.
Sehr zum Amüsement von Natascha Romanoff, die ihn immer wieder freundschaftlich damit aufgezogen hatte.
Doch nie hatte sich daraus mehr als ein netter Abend ergeben.
Es hatte sich nie auch nur irgendetwas ergeben...

Woher kamen dann gerade jetzt solche Träume?
Warum gerade Tony?

Eine Frage, die er sich nun seit Stunden immer wieder stellte.
Wie im Kreis, war die Frage und die Antwort im Grunde identisch.

Immer wenn er an den Multimilliardär dachte, spürte er dieselben Gefühle.
Kameradschaft, Loyalität... Und dieses *Etwas*, das er nicht greifen konnte.
Dieses *Etwas*, das ihn damals nach Sibirien dazu gebracht hatte, Natascha Romanoff den genauen Gesundheitszustand von Tony herausfinden zu lassen.
Ein Gefallen, den sie spätestens dann bereut hatte, als er sie mit gefühlten halbstündigen Statusabfragen schier zur Weißglut gebracht hatte.
Dieses *Etwas*, das es Steve beinahe körperlich geschmerzt hatte, als ihm bewusst geworden war, dass er Tony tief verletzt haben musste.
Nicht nur körperlich...
Dieses *Etwas*, das ihn dazu gebracht hatte, Sam Wilson dazu zu nötigen, ihm ein nicht nachvollziehbares Mobiltelefon zu besorgen...
Dieses *Etwas*, das ihm körperliche Schmerzen bereitet hatte, als er Tonys geschwächte Gestalt in einem Rollstuhl gesehen hatte, nach dem verlorenen Kampf gegen Thanos.
*Wir hätten dich gebraucht...*
Dieser Blick, der ihm deutlich sagte **ICH** hätte dich gebraucht*

Dieses *Etwas*, das Steve weder erklären noch wirklich fassen konnte war es, das ihn zittern ließ, als er wieder zurück zu den Laboren ging und vor Tonys Cryokapsel stehen blieb.
Das dafür sorgte das seine Hände bebten, als er das Kondenswasser auf der Scheibe vor Tonys Gesicht weg wischte, nur um das scheinbar schlafende Antlitz zu betrachten, das ihm so vertraut war wie sein Eigenes.
Das *Etwas*, das gerade stärker wurde, als er mit seinen Fingerspitzen die Konturen der unverwundeten Gesichtshälfte entlangfuhr und an den Lippen hängen blieb.
Dieses *Etwas*, das seine Magengrube in ein krampfendes Kribbeln verwandelte, als Steve sich vorbeugte um die kühle Scheibe vor sich zu küssen.
Dieses *Etwas*, das seine Beine nachgeben ließ.
Das seine Stirn gegen das Glas presste und seine Wangen mit Tränen der erkennenden Reue tränkte...


Stony.   My Shield  51 Kapitel LangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt