Kapitel 20

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Als es Abend wurde und der Trubel sich im Krankenhaustrakt gelegt hatte, schloss Steve für einen Moment die Augen.
Das gleichmäßige, leise Zischen der Beatmungsmaschine war ihm so etwas wie ein beruhigendes Mantra in den letzten Stunden geworden.
Immer wieder ertappte er sich dabei auf das Holodisplay an Tonys Bett herüber zu blicken, um die Werte darauf abzulesen.
Seit seinem ersten Blick, eine Stunde nach seinem Erwachen, hatte sich nichts geändert.
Steve beschloss, dass dies zumindest kein schlechtes Zeichen sein konnte.
Sam hatte ihm ein paar Sachen besorgen lassen.
Kleidung, Waschzeug und einen Skizzenblock mit Kohlestift.
Jeder im Team wusste, dass Captain America zeichnete um Stress abzubauen.
Wenn er nicht gerade Runden um Runden joggte oder Sandsäcke ins stoffliche Nirvana beförderte.

Als sich seine Blase unüberhörbar meldete, beschloss der Soldat aufzustehen.
Ganz langsam schwang er erst ein Bein und dann das andere aus dem Bett.
Abwartend, bis er festen Stand hatte, erhob er sich und bereute es fast augenblicklich.
"Ok... Vielleicht hatte der Doc doch recht...", murmelnd hielt er sich am Bettrand fest und schätzte die Distanz von seinem Bett zum Badezimmer.
"Zehn Schritte... Komm schon…"

Verdammt konnten zehn Schritte anstrengend sein...

Als er auf dem Rückweg einen zufälligen Blick in den Spiegel erhaschte, erschrak er beinahe vor sich selbst.
Fahle Ringe unter seinen Augen zeugten deutlich von den ruhelosen Nächten der letzten Wochen.
Sein Bart kratzte fürchterlich und von seinen Haaren wollte er gar nicht erst anfangen.
Seine Wangenknochen waren etwas präsenter als er es in Erinnerung hatte und dann war da noch das leuchtend blaue Veilchen und der nur langsam abheilende Cut in seiner Lippe.
Normalerweise hätten seine Verletzungen in den letzten drei Tagen ohne Spuren verheilen sollen...
"Punkt Nummer 2 Doc...", seufzend wische er sich mit etwas Wasser durchs Gesicht, wusch sich notdürftig und schlurfte langsam zurück ins Krankenzimmer.

Selten war Steve Rogers froher gewesen wieder eine Matratze unter seinem Körper zu spüren.

Als nach ein paar Minuten der Schwindel sich gelegt hatte, drehte er seinen Kopf nach links.
Tonys Brustkorb hob und senkte sich mit jedem leisen Zischen der Maschine.
Die schwarzen Striemen der Vergiftung waren verschwunden und nur noch als blasse Narben zu erkennen.
Der Anblick, der sorgsam um Tonys Torso gelegten Decke, versetzte Steve einen schmerzhaften Stich.
Er wusste, dass man Tony den Arm amputieren musste, um ihn zu retten.
Doch es zu wissen und zu sehen, es tatsächlich zu realisieren... Das war etwas völlig anderes.
Zitternd einen Atemzug ausatmend, von dem er gar nicht bemerkt hatte, dass er ihn anhielt, richtete sich Steve erneut langsam auf.
All seine Kraft zusammennehmend stand er auf und zwang seine Beine ihm zu gehorchen.
Schritt für Schritt überwand er die Distanz zu dem anderen Bett, zog sich einen Stuhl neben Tonys gesunde Seite und ließ sich keuchend darauf sinken.
"Bin ich froh das Sam das nicht sieht", murmelte er an Tony gerichtet. "Das würde ich so schnell nicht mehr los..."
Nicht, dass Steve auch nur die geringste Illusion hatte, dass Tony ihn damit verschont hätte, er hatte einfach das Bedürfnis mit Tony zu reden.
"Warum musstest du das tun?" Eine Frage. die ihm so tief in der Seele brannte, dass er nur jetzt den Mut fand sie auszusprechen, aus Angst vor der Antwort.
Sein ganzer Körper bebte unter dem Bedürfnis Tonys Hand zu berühren.
Jede Unze Selbstbeherrschung musste er aufbringen um seinem Gegenüber nicht einfach über sein stoppeliges Gesicht zu streicheln, ihn zu halten...
Es war so unglaublich schwer, nicht die Bilder seiner Träume hochkommen zu lassen... Seine Sehnsucht von dieser Hand vor ihm einfach gehalten zu werden, war beinahe unerträglich.
"Tony..." Seine eigene Stimme kaum hörend, betrachtete er die sich langsam schließenden Wunden über seiner Stirn.
Seine Platzwunde an der Schläfe, die so sehr geblutet hatte, als er ihn hergebracht hatte, war nun mit einer Klammer verschlossen und würde bald nur noch eine der vielen Narben sein, die jeder von ihnen trug.
Es war unmöglich seine Tränen zu stoppen.
Tränen der Erleichterung... Tränen der Verzweiflung...
Mit einem Mal brach sich alles Bahn, was sich in den letzten Wochen in Steve Rogers angestaut.hatte.
Und hier... Mit der Hand des Mannes in seinen Händen, der ihm so viel mehr bedeutete als nur Liebe... Ließ Steve endlich los.


Stony.   My Shield  51 Kapitel LangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt