Helen
Drei Jahre sind vergangen seit Kyle gestorben ist. Michael hat ihn in die Ehrenhalle aufgenommen, wo er nun neben unserem Vater und Thomas Rushworth hängt. Er hat uns in die Gemeinde und damit in die Familie der Unmöglichen aufgenommen. Wir sind fast jedes Wochenende dort, immerhin haben wir einiges nachzuholen, was unsere Vorfahren angeht.
Kenneth und ich wohnen noch immer im Cottage. Es hat eine Weile gedauert, bis ich Kyles Zimmer wieder betreten konnte, aber ich habe auch das geschafft. Wir haben es so gelassen, wie es war, zu seinem Gedenken.
Kenneth hat sich an der Universität für Medizin in unserer Stadt eingeschrieben und wird bald in die Praxis gehen. Es scheint ihm wirklich Spaß zu machen. Ich habe erst einmal als Kindergärtnerin angefangen, aber ich glaube nicht, dass das schon das Ende ist.
Die Gemeinde hat weder einen Schild, noch einen Springer unter den Erwachsenen. Also haben Kenneth und ich uns Gideon angeschlossen, den Nachfolgern zu erzählen, worauf man achten muss. Und ich muss zugeben, dass es mir mehr Spaß macht, als ich gedacht habe, ihnen das beizubringen, was ich allein erarbeiten musste.
Michael sieht uns oft zu und lächelt dabei. Er spricht noch immer nicht viel von sich. Aber so langsam erfahre ich auch seine Geschichte. Als Ältester der Überlebenden hat er sich jahrelang Selbstvorwürfe gemacht, aber jetzt scheint er sogar froh darüber zu sein, uns zu sehen.
Kenneth hat mir letzte Woche einen Heiratsantrag gemacht und ich habe Ja gesagt. Lucy war sofort begeistert dabei unsere Hochzeit zu planen, als ich ihr gestern davon erzählt habe. Ich bin mir sicher, Kyle hätte sie gemocht. Sie ist so etwas wie meine beste Freundin, sie ist mir richtig ans Herz gewachsen.
Ich stehe in der Küche und räume auf. Das schmutzige Geschirr stapelt sich in der Spüle und wartet darauf, von meinen schon aufgeweichten Händen durch das Wasser gezogen zu werden. Kenneth sollte gleich von der Uni wieder kommen und dann werden wir uns daran machen, das nächste Beet umzugraben. Ich habe die Hälfe des Gartens schon in eine Kräuter- und Gemüsebeet verwandelt. Ich kann nur hoffen, dass meine Pflanzen den trockenen Sommer überleben.
Etwas im Garten klappert. Stirnrunzelnd blicke ich durch das Küchenfenster. Ich habe den LandRover gar nicht kommen hören. Ich kann niemanden sehen, also verlasse ich die Küche, laufe barfuß durch das Wohnzimmer in den Garten. Als ich um die Hausecke auf die Terrasse blicke, stockt mir der Atem. Denn dort steht jemand, den ich hier ganz sicher nicht erwartet habe.
Als ich mich aus meiner Starre lösen kann, laufe ich auf ihn zu und umarme ihn stürmisch. Ich kann es kaum fassen. Doch als mir sein Duft nach Strand und Meer in die Nase strömt, muss ich es glauben.
"Kyle?", frage ich ihn ungläubig. "Was tust du hier?"
Er sieht genau so aus, wie an dem Tag, als er gestorben ist. Nur sauberer. Er grinst und hält mich auf Armeslänge von sich.
"Du siehst gut aus, Schwester", sagt er. Er drückt mich erneut an sich und lässt mich dann los.
"Wo ist McBeschäftigt?", fragt er und sieht sich um. Ich freue mich so, ihn zu sehen, dass ich das erst überhöre. Doch dann lache ich und antworte: "McMedizinstudent."
Kyle verdreht die Augen und lacht dann. "Ich muss euch doch noch meinen Segen geben."
"Wie kommst du überhaupt hierher?"
Kyle sieht mich an und zuckt mit den Schultern. "Meine Gabe funktioniert offenbar auch anders herum. Ich hab zugegeben ein bisschen gebraucht, um das herauszufinden, aber weißt du, da drüben vergeht die Zeit irgendwie anders."
Ich nicke verstehend und das Grinsen in meinem Gesicht will nicht verschwinden. "Du bist wieder da?"
"Ja, nicht ganz", erwidert Kyle. "Aber ich komme öfter mal vorbei. Ich kann euch doch nicht ewig allein lassen."
"Ach, so allein sind wir gar nicht. Wir haben Michael und die anderen... Weißt du", meine ich lachend.
Kyle legt den Kopf schief und schmunzelt. "Ja, ich hab es gesehen. Ich soll dir von Mom und Dad ausrichten, dass sie stolz auf dich sind. Und auf Kenneth auch. Ihr habt es geschafft."
"Und ich bin auf dich stolz", meine ich. "Sag ihnen danke und drück sie von mir."
Kyle blickt in die Luft. Er verzieht das Gesicht. In diesem Moment höre ich den Motor unseres Autos. "Ich muss zurück."
Er wirft einen Blick auf mich hinunter und lächelt dann.
"Kommst du wieder?", frage ich und er nickt. Er streckt de Arme nach mir aus und schließt mich in eine Umarmung.
"Bald", verspricht er und springt.
Ich höre Schritte hinter mir und Kenneth fragt: "War das... war das Kyle?"
Ich recke mein Gesicht in die Höhe ihm entgegen und er küsst mich kurz zur Begrüßung.
"Er ist wieder da, Kenneth", sage ich freudestrahlend. "Er ist wieder hier."
An Kenneths Gesicht kann ich ablesen, dass er verwirrt ist. Doch es bildet sich ein verblüfftes Lächeln in seinem Gesicht, als er realisiert, was ich gerade gesagt habe. Sein bester Freund, mein Bruder ist wieder da. Wenn auch nur sprunghaft, er ist wieder da.
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The Impossible Ones - Vergiss mich nicht [NICHT AKTUELLE VERSION)
Paranormal"Wenn du jemanden verlierst, bei dem du nicht weißt, wie du ihn lieben sollst, weißt du nicht, ob es schlimmer ist, ihn nicht so zu kennen, wie du es glaubst. Aber eins steht fest, allein bist du nie. Denn es gibt immer den Einen, der dich trägt." ...