Kenneths Plan

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Kyle

Der Engelsjunge war ja ziemlich schnuckelig. Er machte sich solche Sorgen um seine Freundin, dass er sich unbedingt selbst opfern wollte. Wenn er denn meinte, dass das etwas bringen würde, sollte er ruhig.

Als ich auf der Wiese nahe diesem alten Schloss ihm gegenüber stand, sah er mich mit kalten, blauen Augen ernst an.

"Lass sie in Ruhe", sagte er. Wen er damit meinte, war ja klar. Aber das konnte er knicken. Vielleicht sollte ich ihn in dem Glauben lassen. Vielleicht war er dann nicht so widerspänstig.

"Okay...", murmelte ich gelassen. Der Junge musterte mich. Er bretachtete meine Hand und den Revolver darin. Ob er wusste, dass ich ihn anlog? Schwer zu sagen. Immerhin war er hier und ließ sich erschießen. Dann musste er das wohl glauben. Wie dumm.

"Hör' zu. Hodgson! Dir ist schon klar, dass das, was du da tust, überhaupt keinen Sinn macht?", stellte er viel zu ruhig fest. Okay, wo hatte er seine Machete?

"Doch. Nur... wie war das? Ach ja, du weißt nicht, welchen", entgegnete ich, um meine Vorsicht zu überspielen. Sollte er glauben, ich passe nicht auf. Dann machte er einen Fehler. Allerdings wusste ich nicht, wo er eine Waffe hätte verstecken können. Die Kleidung, die er trug, war viel zu dünn dazu.

"Nein, den weiß ich nicht", stimmte der Junge mir zu. "Aber ich weiß, dass du so einiges vergessen zu haben scheinst. Zum Beispiel, wer ich bin. Oder wer Helen ist."

"Helen...", der Name kam mir so endlos bekannt vor. Und jetzt, wo ich darüber nachdachte, erkannte ich auch den Jungen. Nur woher? "Sie hat mir nichts von euch erzählt."

"Sie...", wiederholte er langsam und seine Augen huschten suchen nach allen Seiten der Lichtung. Vielleicht um einen Fluchtweg zu planen. Nein, er hatte ganz bestimmt keine Waffe und schien es sich in diesem Augenblick wohl gerade anders zu überlegen mit dem Opfer. Feigling.

"Sie weiß alles über mich", entgegnete ich. Ich hatte den Entschluss gefasst, dass ich ihm zumindest diesen kleinen Triumph meinerseits darlegen konnte, bevor er starb. Denn ich hatte eine Freundin, die nicht zu dumm dazu war, mich zu lieben. "Sie hat mich gefunden. Sie ist ein Genie. Ich hatte mein Gedächtnis verloren. Aber sie hat mir gezeigt, wer ich bin. Und wozu ich erkoren wurde. Ich bin derjenige, der alle Überlebenden aus diesem verdammten Krieg zu ihr bringen muss. Ich bin derjenige, der aufräumt. Der sie wieder stark macht."

Der Junge wurde sichtlich ungedulig. Er verdrehte die Augen. "Kyle! Du bist am weitesten davon entfernt, zu wissen, wer du bist. Sie kann es dir ganz bestimmt nicht sagen, denn du hast dein ganzes Leben mit uns verbracht."

Warum der mich ständig Kyle nannte... Was laberte der da überhaupt für einen scheiß Mist? Wurde echt zeit, dass ich ihm endlich den Garaus machte.

"Lügner"; sagte ich gelassen. "Ich bin ihr Freund. Sie liebt mich. Sie ist die einzige auf dieser Welt, die das jemals getan hat. Meine Eltern haben mich ausgesetzt, als ich hilflos war und dann habt ihr beide sie getötet. Es gibt niemanden auf der Welt, dem ich vertrauen kann. Nur ihr."

Jetzt war es um die Selbstbeherrschung geschehen. Er ballte die Hand zur Faust und schüttelte sie beinahe. "Merkst du nicht, was für ein wirres Zeug du da redest? Du verstrickst dich in einen Widerspruch nach dem anderen. Sie ist nicht deine Freundin. Sie liebt dich nicht. Wir sind deine Freunde, wir wollen nichts anderes, als dass du wieder zurückkommst. Wir haben nach dir gesucht..."

Wenn es nicht so verdammt ernst gewesen wäre, hätte ich mich jetzt auf den Boden geschmissen. Der Elngelsjunge hatte echt nicht mehr alle Tassen in seinem Teeservice. "Alles Blödsinn. Woher weiß ich, dass ihr mich nicht genau so töten wollt, wie meine Eltern."

The Impossible Ones - Vergiss mich nicht [NICHT AKTUELLE VERSION)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt