16 ~ Hab dich lieb.

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Für Toni. Ich vermisse dich.

PoV Rezo (Triggerwarnung):
Schwarz, schwarz, alles war schwarz. Kleidung, der Anzug, der unangenehm in meine Beine kniff, Krawatte, Wolken, Gebäude, Himmel, Welt, Stimmung, meine Gedanken. An den Fenstern perlte der Regen ab, hinterließ feuchte Streifen, kaum Leute waren unterwegs, und wenn, dann zogen sie ein unzufriedenes, unglückliches Gesicht, ärgerten sich über das Wetter, den Winter, der nicht enden wollte.
Doch ich hatte andere Gründe.

Als die ersten Anzeichen kamen, hatte ich sie ignoriert, verharmlost, wie man es von mir gewohnt war. Wird nichts schiefgehen, dachte ich, überspielte es perfekt, er wird es überstehen, so wie wir den Rest auch gemeistert hatten, schließlich war bis jetzt immer alles gut gegangen. Ich hatte den Glauben verloren, dass irgendwas noch passieren könnte. Morgen wirst du ihn wieder in deinen Armen halten können, seinem Atem lauschen und seine Haare während eines Kusses durchwuscheln. Und das wichtigste, sein Lächeln. Oh ja, sein Lächeln, es war das Wichtigste auf der Welt für mich, wusste nicht, wie ich ohne es überleben würde, wenn er fort ginge.

Trauerschleier des Regens hingen über der Stadt, bedeckten jeden, der keinen Regenschirm trug, mit seiner Nässe. Die Nässe, die keiner wollte, ebenso wie die Situation, in der ich mich befand. Ich wollte sie nicht, verabscheute sie wie sonst nichts. Keiner würde sie je wollen. Doch irgendwann war es so weit, keiner konnte sich drücken.
Und obwohl ich beides hatte, ein Dach über dem Kopf und einen Regenschirm, traf mich diese Wolke der Dunkelheit mit am meisten, ließ mich herabfallen in dieses dunkle Loch. Dieses, wo ich dachte, dass wir es gemeinsam erleben durften. Doch er hatte sein Versprechen, was er mit hatte geben wollen, an unserem Tag, von dem ich schon so lange nachts heimlich träumte, gebrochen. Hatte es ignoriert, nicht beachtet, mich alleine gelassen, alleine in diesem schwarzen Meer aus Gedanken, das der Pfütze glich, durch die ich gerade voller Wut fuhr, viel zu schnell.
Schlamm spritzte bis nach oben an meine Fensterscheiben, schmutzige Regentropfen verdeckten meine Sicht durch die Frontglasscheibe, ließ sie milchig aussehen, doch es war mir egal. Wenn ich einen Unfall bauen würde, entkäme ich wenigstens diesem Elend. Diesem Elend, als welches ich mich vollständig identifizierte, seit diesem Tag.

Mal wieder ein Besuch dort?
Langsam häufte sich die Anzahl der Einlieferung in dem weißen, sterilen Gebäude, dass mich immer als Kind eingeschüchtert hatte. Angst hatte ich gehabt, dort wie im Gefängnis verweilen zu müssen, falls etwas mal mit mir nicht stimmte, doch dazu kam es nur bei anderen, andere, die ich leiden sah, alles in diesen vier Wänden. Entweder man kam hierhin, weil man sich um sich selbst sorgte oder um andere. Erfreuliche Gründe hatten Besuche hier eigentlich nie. Genau wie die, die ich nun täglich bei ihm durchführte. Doch mich beunruhigte nichts, meine Welt war heil, fröhlich. Und übersah seine.

Deutlich über dem Tempolimit raste ich die Landstraße entlang, ließ die Wut raus. Die Wut auf mich, ich hätte es bemerken, seine Probleme erkennen und nicht immer verharmlosen sollen. Hätte sie vielleicht mit etwas Mühe und Unterstützung der Ärzte lösen können. Hätte meine Zeit mit ihm mehr genießen sollen. Hätte ihn öfter küssen, umarmen, lieben sollen. Jetzt ging es nicht mehr. Ich hatte versagt. Und trotzdem verspürte ich eine ungemeine Wut auf ihn. Er war einfach gegangen, ohne Abschied. Hatte mich alleine in meiner Wohnung zurückgelassen, in der mich alles an ihn erinnerte.

Die Couch, wo so manche Filmabende außer Kontrolle geraten waren. Meine Küche, wenn wir beide versucht hatten, zu kochen. Die Ergebnisse waren immer schlechter als miserabel gewesen, aber wir hatten viel Spaß gehabt, zusammen gelacht. Am Schlimmsten war jedoch mein Bett, das, wo wir jeden Abend eng aneinander, Arm in Arm gekuschelt, gelegen hatten. Oft hatte er mir die Haare gekrault, und ich es in vollen Zügen genossen. Wie wir eingeschlafen waren, Abend für Abend, lächelnd, dem Atem des anderen lauschend. Doch als er sein Bett in die Klinik wechselte, sein Lächeln und seine Wärme mitnahm, war ich alleine gewesen, nur sein Duft auf meinen Kissen war geblieben, die ich dann jeden Abend statt ihn umarmte und hoffte, dieser würde für ewig bleiben. Aber wenigstens hatte ich gewusst, dass ich ihn noch hatte sehen können. Und jetzt war beides verschwunden.

Juzo ~ OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt