19~ Zahlen (Teil 2)

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PoV Rezo:

Okay, Rezo, beruhig dich einfach. Es ist nur eine Kamerastativ, das schief steht, nichts zur Sorge. Und die 13 Fingerabdrücke auf dem Bildschir-- Kein Grund, wie der letzte Depp auszurasten, redete meine innere Stimme mit mir, natürlich nicht laut, auch wenn ich in Ju's Küche stand, hätte er mich sicher hören können.
Exakte 1,75 Minuten stand ich hier bereits, bewaffnet mit einem perfekt bis zur Hälfte gefüllten Glas in meiner leicht zitternden Hand, die schmutzige Tasse von eben hatte ich bereits gespült und ordentlich in den Schrank zurückgestellt, wo sich das bunte Besteck nur so tummelte. Als ich dies gesehen hatte, hatte ich die hölzerne Schranktür schnell zugeworfen.

Nein, du ordnest nichts nach Farbe, nach Größe. Dies ist seine Ordnung. Du magst auch nicht, wenn jemand deine durcheinander bringt, also lass es gefälligst, hatte ich mir gut zugeredet, im Inneren wissend, dass es nicht bringen würde. Denn zwei Sekunden später hatte ich die Tür wieder aufgerissen, den Inhalt genauestens studiert- 7 Tassen in der vordersten Reihe, die jetzt einen perfekten Farbverlauf ergaben.

"Hey, wo warst du so lange? Ich hab dich ne Tür aufmachen hören, warst du noch auf Klo?", fragte mich Ju wenig später als ich den Raum betrat, glücklich über die rettende Vorlage, die er mir wie kurz vor dem Ertrinken zuwarf. Schnell ergriff ich sie, er sollte nichts von meiner misslichen Lage wissen. " Ähhh, ja", stotterte ich also schnell, wurde kurz rot und setzte mich auf die ebenfalls rote Couch, die sein Zimmer zierte. Mein Blick fiel auf sein weißes Klavier, worauf er so schön spielen konnte. Einmal hatte er sogar im Stream ein Lied für mich geschrieben und es anschließend auch gesungen. Es war einer der schönsten Momente meines Streaminglebens gewesen, als wir zusammen im Duett spielten, ich erinnerte mich gut an das warme Gefühl in meiner Magengegend, als seine Stimme erklungen war. Doch diese Zeiten waren nun vorbei, auch wenn ich gerne Klavier gespielt hatte, ich musste immer die Anzahl der Taste, welche ich gerade drückte, zählen. Meistens war es die 35ste von links. Und wenn man mit der Hand noch eine große Quarte nach oben sprang...

"Rezo? Haaaaalllo? bist du noch da?", wedelte Ju mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. Verwirrt blinzelte ich und konnte sein Gesicht irgendwo in einer Mischung aus grellen Farben ausmachen, die langsam einen Raum ergaben. "Ich hab dir jetzt schon zum 2ten mal gesagt, dass du rüberkommen sollst, lass uns anfangen!" "Äh, ja sorry.. war gerade mit den Gedanken weg." "Man merkts." Ein Klick auf seiner Maustaste startete die Aufnahme. Dann drehte er sich nochmal über die Schulter zu mir um, seine dunklen Augen blitzten. "Hoffentlich haste an keinen anderen als mich gedacht". Wieder das ungewohnte, warme Gefühl, wie das vom Stream. Aber es gefiel mir, gab mir meine nötige Sicherheit.

Nach der Aufnahme, die sich als echt lustig gestaltet hatte, beschlossen wir, uns etwas zu Essen zu bestellen, entschieden uns für Sushi, auf Wusch von Ju. Eine recht dumme Idee, wie sich nun später herausstellte, zumindest dumm für mich, er konnte schließlich nichts dafür. Schon seitdem das Essen auf dem Tisch stand, fixierte ich das Gemüse -schließlich war ich Veganer- in der weißen Rolle mit schwarzen Rand. Es sah so unordentlich aus, so viele Farben, die nicht zueinander passten. Außerdem waren die Zutaten nicht gleich verteilt, von dem Grünen gab es viel mehr als von dem Roten. Meine linke Hand fing nervös an zu zittern.

"Warum stehst'n da noch?", fragte Ju, bereits eifrig kauend, die braunen Stäbchen in der Hand haltend, "Alter, die sind sooo geil!" "Hoffentlich nicht so geil wie ich", gab ich zurück, tat gelassener, als ich es in Wirklichkeit war. Zu meiner Überraschung färbte sich sein Gesicht leicht rötlich, ehe er sich schnell ein weiteres Röllchen in den Mund stopfte. Was war denn mit ihm los? Aber eigentlich sah es doch ganz cute aus...Lass dir nichts anmerken. Setz dich einfach hin. Genau. Und jetzt nimmst du die 2 Stäbchen, 4 Sushiröllchen auf deinen Teller. 4:2=2, das passt also. So und jetzt... Warte, was!?

Als meine innere Stimme nun auch das Farbchaos auf meinem Teller entdeckte, schien sie sich zu übergeben, in Ohnmacht zu fallen. Auf jeden Fall war sie nicht mehr da, um mir weiterzuhelfen, ließ mich einfach alleine. Alleine mit den runden Leckereien, die auf keinen Fall zu einem perfekten Kreis geformt waren. Okay, versuchte ich mir selbst zu helfen, dann ist das die erste Maßnahme. Vorsichtig drückte ich mir einem Stäbchen an dem Sushi auf meinem Teller herum. So. Bei der SchönheitsOP fielen allerdings ein paar der Zutaten heraus, also beschloss ich, dass ich diese in der rechten oberen Ecke des Tellers platzieren konnte, bemerkte nicht, dass Ju mich wieder einmal interessiert bei einem Kampf mit meinen Zwängen beobachtete. Gespannt schob er sich Essen in den Mund, schaute mir noch bis zum zweiten Röllchen zu, als er verachtend den Kopf schüttelte und seine Stäbchen beiseite legte.

"Hey, Rezo, schau mich an", forderte er mich auf. Was wollte er denn jetzt? 8,9? Wo war ich nochmal gewesen? Ärgerlich darüber, dass ich unterbrochen worden war, blickte ich hoch, direkt in seine funkelnden braunen Augen. Eigentlich mochte ich braune Augen nicht besonders, es war so eine Standardfarbe, aber seine waren schon außergewöhnlich, so dunkel und geheimnisvoll. "So", riss er mich aus meinen Gedanken, "fertig sortiert?"

Ich war aufgeflogen, war das Erste, was mir durch den Kopf ging. So lange hatte ich es geheim halten können. Oder... wie lange wusste er es schon, ohne es mir gesagt zu haben? Ich kannte ihn, eher würde er sein Wissen verschweigen, als dass er mich in eine unangenehme Situation brachte. "Mach dir keinen Kopf, ich weiß es und es stört mich auch nicht. Naja, bis auf die Tatsache, dass du dein Sushi nicht wie jeder normale andere Mensch essen kannst!" Er überlegte kurz. "Und das werden wir jetzt ändern, wir fangen beim Sushi an, danach kommen die Tassen," verkündete er und zwinkerte mir bedeutungsvoll zu.





"...Es... es geht nicht", brachte ich hervor, ließ jetzt endgültig meine Essstäbchen sinken, hinein in den Matsch auf meinem Teller, der früher ehemalig mal Sushi gewesen war. "Ach komm, einmal musst du's schaffen! Konzentrier dich auf eine Sache, die dich ablenkt. So, jetzt vergiss das Zählen." Wieder fixierte ich das Glas auf dem Tisch, beobachtete seine perfekten Ecken, 47 hatte das Muster. Diese Zahl zu wissen beruhigte mich extrem, doch gerade als ich etwas von den wild zusammengemischten Zutaten probieren wollte, fiel mein Blick auf die Verpackung, die an der Kante des Tisches stand. Zu nah.

Schnell sprang ich auf und schob den Karton, der natürlich nicht in Gefahr gewesen war, zurück auf den sicheren Tisch. Und so ging es schon die ganze Zeit, egal was ich versuchte, irgendein Gegenstand schaffte es immer, mich aus der Ruhe zu bringen und selbst Ju, der geduldigste Mensch, den ich kannte, verlor langsam die Geduld. "Ich kann das nicht mit ansehen", murmelt er, schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Enttäuscht ließ ich den Kopf hängen, dachte, er würde mich alleine lassen, doch da spürte ich einen regelrechten Stromschlag in meiner rechten Hand. Bei Ju's Versuch, mir die Stäbchen zu klauen, hatte einer seiner Finger meine Haut gestreift. Eine heiße Stelle ließ seine Berührung zurück, sie kribbelte angenehm.

Geschickt nahm er das letzte noch vollständige, nicht zermatschte Röllchen zwischen die Stäbchen und führte sie zu meinem Mund, der viel zu verwirrt war, als dass ich ihn hätte öffnen können. "Was wird das?", fragte ich belustigt, ein wenig verunsichert von seiner plötzlichen Nähe. "Siehste doch. Ich füttere dich, weil du selbst nicht essen kannst. Also mach den Mund auf und guck mich an."

Das tat ich nur zu gerne, und tatsächlich, es funktionierte. Ungläubig kauend blickte ich zu Ju hinüber, der mich gespannt ansah. Dann aber rutschte sein Blick auf den Stuhl, den wir uns gerade teilten, bemerkte die Nähe. Seine Wangen nahmen eine rosa Färbung an, schon wollte er aufspringen, doch ich hielt ihn zurück. Ich wollte wieder dieses warme Gefühl. Wieder seine Haut an meiner spüren. Gerade noch so erwischte ich ihn an seinem Jackenärmel, zog ihn zu mir herunter. Auf seinen verwirrten Blick antwortete lächelte ich nur schüchtern, was auch sein Gesicht zum Strahlen brachte. Ich spürten, wie er sich mir langsam näherte, spürte seinen Atmen auf meiner Haut, auf meinen Lippen. Kurz zögerte Ju, doch dann küsste er mich. Zu gerne erwiderte ich diesen Kuss, erst vorsichtig, dann immer leidenschaftlicher, legte meine Hand an seine heiße Wange.

Und dieses Mal musste ich nicht die Schmetterlinge zählen, die in meinem Bauch herumflatterten. Es waren genau richtig viele.

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Hi :)

Hier isses @Toni1oder2so, hoffentlich gefällts dir! Btw.. stürmts bei euch auch so? Bei mir is gerade einfach komplette Eskalation...

Naja, egal, hoffentlich bis zum nächsten Mal und

Byyyyeee <3

{1442 Wörter}

Juzo ~ OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt