| 8 | Ohje

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damen

Seit Stunden saß ich an meinen Schreibtisch und starrte auf den leeren Zettel. Frustriert fuhr ich mir über mein Gesicht. Warum fiel es mir so schwer, meine Gedanken auszusprechen?

Ich hatte Freya seit dem Vorfall vor einigen Tagen nicht gesehen. Aus Angst besuchte ich auch nicht das Tierheim, da ich befürchtete, dass sie nicht mit mir reden würde.

Ich wollte ihr sagen, dass es mir leidtat, weil ich so abwesend war, als es ihr nicht gut ging. Sie war sogar früh gegangen und blieb nicht über Nacht.

Unsicher wippte ich mit dem Bein. Ich wollte nicht, dass sie nicht mehr mit mir sprach. Es ließ mich unruhig fühlen.

Ich begann zu schreiben, doch dann strich ich immer alles durch und fand keinen Anfang. Leise ausatmend schaute ich auf den Stift in meiner Hand.

Ich würde nie mit jemandem befreundet sein können. Ich war nicht in der Lage, Freunde zu haben. Noch nie wollte jemand mich kennenlernen, bis auf ein gezwungenes Smalltalk.

Die Schüler an meiner alten Schule meinten immer, dass ich unantastbar und gefühllos war. Vielleicht war das der Grund, warum ich mir keine Mühe gab.

Wieso sollte ich Freunde haben, wenn sie nichts von mir bekamen? Ich war weder lustig noch nett. Motivation besaß ich nicht und Spaß hatte ich nicht, bei nichts.

Ich würde niemals wieder irgendjemandem meine Schwächen zeigen. Ich würde mir niemals wieder die Seele aus dem Leib sprechen.

Nicht mehr.

Mit leisen Schritten ging ich in mein Badezimmer und runzelte die Stirn. Der sechsjährige Damen wäre bestimmt enttäuscht von mir, wenn er mich sehen würde.

Ich drehte dem Spiegel den Rücken zu und hob mein Oberteil, um dann das Gesicht zu verziehen. An meinem Rücken war eine große, rötliche Narbe zu sehen, die bis zum Saum meiner Jogginghose ging.

Wann immer jemand mich plötzlich am Rücken berührte, wurde ich hysterisch. Mir war nicht bewusst, ob es an meinem Vater lag, der die Narbe verursacht hatte, oder an den Kindern in der Schule.

Kinder waren nicht nett. Alte Menschen auch nicht. Erwachsene schon gar nicht. Zu mir jedenfalls nicht. Warum mochten sie mich nicht?

Zwar war ich nicht so spannend, aber ich war nie unhöflich. Nie hatte ich jemanden beleidigt oder schlecht behandelt. Nie hatte ich jemandem mit spitzen Stiften und Scheren in den Rücken gepiekst.

Warum also wurde es mir angetan?

Das war nicht fair.

"Damen?" Abrupt schob ich das Oberteil wieder hinunter und ging in mein Zimmer, in dem Freya stand. Huh? Sie starrte die Zettel am Boden an, die ich eigentlich wegschmeißen wollte.

Ihre Augen wurden groß, als sie den Inhalt las. Ich presste die Lippen aufeinander und sammelte alle Papiere ein. "Tut mir leid, dass du so denkst.", sagte sie und ließ mich stoppen.

"Ich bin dir nicht böse.", fügte sie hinzu und hielt mir eine Tüte hin. Sollte sie nicht das Weite suchen? Verwirrt legte ich die Zettel beiseite und nahm die Tüte.

Before I Loved YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt