Kapitel 18

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Als ich die Augen öffnete, umgab mich weißes Licht. Eine Hand legte sich auf meine Schulter.

"Keine drei Tage und du bist wieder hier", sagte eine bekannte Stimme. Es war Erlo. Er schnalzte leise mit der Zunge. "Dabei hab selbst ich auf mehr gewettet." Sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen, als er sich enttäuscht über mich beugte. Ich blinzelte ein paar Mal. Langsam wurde meine Umgebung schärfer. Ich stöhnte.

"Was ist passiert?", fragte ich.

"Der liebe Arthur hat dir in den Kopf geschossen", antworte Erlo und tippte mir mit dem Zeigefinger seitlich an den Kopf.

"Aua", protestierte ich. Mein Kopf pochte schmerzhaft. Vorsichtig tastete ich die Stelle ab, auf die er gerade getippt hatte, doch meine Finger ertasteten nichts außer Haaren.

"Wie kann man auch so dämlich sein, direkt in einen Drogenstall zu rennen? Ihr seid noch nicht mal bis in die Stadt gekommen. Erst habt ihr euch verlaufen und dann auch noch das."

Erlo zog mich hoch, so dass ich auf der Liege vor ihm saß.

"Drogenstall?", fragte ich und stand auf. Ich musste seinen Arm greifen, damit ich nicht umkippte. Nach ein paar Sekunden wurde mein Stand sicherer, doch loslassen wollte ich trotzdem nicht. Vorsichtig ließ ich mich zur Tür führen.

"Womit glaubst du haben die all das Geld verdient?", fragte Erlo. "Mit gutem Service?"

Kopfschüttelnd öffnete er die Tür des Aufwachraumes und schob mich in den Gang. Dann bog er links ab und führte mich weiter. Ein paar mal stolperte ich und musste mich von ihm stützen lassen. Meine Füße wollten mir noch nicht ganz gehorchen.

"Die Aufgabe war, eine Unterkunft zu suchen, und nicht, James Blunt zu spielen.", sagte er, als wir den großen Saal passierten.

"Was? Wer?"

"Der Geheimagent."

"Bond."

"Was?"

"Egal."

Diese Diskussion war meinem Kopf gerade wirklich zu viel.

"Hat Lucas den Typen erschossen?" fragte ich.

Erlo nickte. "Beide. Aber lasst sie liegen. Ich kümmer mich drum."

"Wie das denn?", fragte ich perplex.

"Lass das mal meine Sorge sein. So. Bist du bereit? Lucas wartet schon auf dich."

Als er stehen blieb, bemerkte ich, dass er mich zum Tor gebracht hatte.

"Hey, warte. Soll ich nicht wenigstens mit Owena sprechen?"

"Wieso? Der Plan bleibt derselbe. Das Schwert ist noch immer an seiner Stelle und auch Navarro scheint nichts bemerkt zu haben. Also einfach weiter wie besprochen. Obwohl, wenn ihr eh schonmal da seid, nur als kleiner Tipp, das Geld fehlt für eine Weile bestimmt niemandem."

Ich nickte langsam und drehte mich zum Tor. Dann schloss ich die Augen und atmete tief ein. Hatte es das letzte Mal wehgetan? Ich konnte mich nicht daran erinnern.

"Warte", sagte Erlo. "Ich hab noch was für dich." Aus seiner Tasche zog er einen kleinen Zettel. "Von Owena. Merk es dir."

Ich nahm ihm das Papier und las. Es war eine Adresse. Ein Hotel.

"Ist das nicht das neue Sternehotel am Hafen?"

Erlo zuckte mit den Schultern. "Kann sein."

"Und da sollen wir hin? Ich dachte, wir suchen uns eine Jugendherberge oder so, irgendwas, wo keine Fragen gestellt werden."

"Ach, mit etwas Trinkgeld werden die schon keine Fragen mehr haben. So. Hast du? Owena hat mich gebeten, mich zu beeilen. Wir haben heute noch ein wenig vor."

Ich runzelte leicht die Stirn. Das klang nicht nach der Owena, die uns vor ein paar Tagen das Angebot gemacht hatte. Auch wenn wir uns mit falschen Namen eincheckten, Navarros Leute würden es doch sicherlich mitbekommen, wenn wir eines der teuersten Hotels der Stadt betraten. Aber was wusste ich schon davon?

Ich nickte also nur und prägte mir den Inhalt der Notiz ein. Als ich fertig war, reichte ich Erlo das Papier zurück. 

"Du?", fragte ich.

"Hmmm?"

"Was würde passieren, wenn du durch das Tor gehen würdest?"

Es dauerte ein paar Sekunden bis Erlo antwortete.

"Dasselbe wie bei Navarro denke ich. Ich bin schon lange genug hier, um an Substanz gewonnen zu haben. Aber einen Körper wie du werde ich nicht haben."

Ich biss mir auf die Unterlippe.

"Und warum gehst dann nicht du und erledigst das mit Navarro? Ich meine, wie du siehst sind Lucas und ich ja wenig erfolgreich dabei. Und wenn es noch ein paar andere gibt, die wie du sind, dann könntet ihr doch-"

"Wenn du wirklich darüber reden willst, dann geh doch zu Owena", unterbrach Erlo mich. "Ich bin da nicht der richtige Ansprechpartner für."

Doch genau das wollte ich nicht. Ich konnte nicht sagen was es war, aber irgendetwas an Owenas Reaktion zu den Geschehnissen gerade kam mir schräg vor. Es war nicht, dass sie zu nett war. Ich war froh über das Hotelupgrade. Keine zehn Pferde würden mich noch eine Nacht in diesem Kaff verbringen lassen. Aber wenn sie so viele Leute zur Auswahl hatte, die die Aufgabe viel schneller und besser erfüllen konnten als wir beide, warum hatte sie Lucas und mich gewählt? Weil wir eine Verbindung zu Navarro hatten? Weil wir ihn zu Lebzeiten schon einmal getroffen hatten?

Egal wie sehr ich auch nach einer Antwort suchte, ich konnte einfach keinen vernünftigen Grund dafür finden und ein Seitenblick zu Erlo sagte mir, dass er auch nicht mehr darüber reden würde.

Dieses Mal war es deutlich schwieriger, die Augen zu schließen. Meine Hände zitterten, egal wie stark ich sie auch zu Fäusten presste. Das letzte Mal hatte ich eine Hand gehabt, die ich halten konnte, eine Stimme, die mir sagen konnte, dass schon alles gut werden würde. Dieses Mal wusste ich, was auf mich wartete.

EteniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt