Am Buffet lud ich meinen Teller mit Nudelsalat, Kräuterbaguette und Käsespießen auf, dann suchte ich mir einen Platz und fing an zu essen. Ich hatte keinen Hunger, wenn ich so darüber nachdachte hatte ich seit meinem Erwachen hier keinen Hunger gehabt, doch dass Essen schmeckte trotzdem genau so, wie es schmecken sollte. Vielleicht noch ein wenig besser. Es war ein willkommener Funke an Normalität, mit der Gabel im Nudelsalat herumzustochern und nebenbei das Brot in kleine Stücke zu reißen. Als ich mit dem Essen fertig war, brachte ich mein Geschirr weg und wollte gerade zur Tanzfläche gehen, als mich eine bekannte Stimme rief.
Ich drehte mich um. Wilma stand am Eingang und winkte mich zu sich. Ich schlängelte mich durch die Menge zu ihr und folgte ihr durch die Glastür auf den Gang. "Ich hab vorhin nochmal mit Martin gesprochen bezüglich deiner-"
Nach Worten ringend sah sie sich um. "Situation", beendete sie den Satz dann mit gesenkter Stimme.
Ich presste die Lippen aufeinander und nickte. "Ja?"
"Der Junge hat zugestimmt, sich heute Abend von dir fernzuhalten, das hat mir sein Betreuer versichert."
"Okay, gut", sagte ich erleichtert. Nach all dem, was ich gerade gesehen hatte, hatte ich den Typen schon fast vergessen. Dabei war er derjenige, der mich hier hergebracht hatte, nicht Navarro.
"Ich möchte, dass du das auch tust", sagte Wilma streng.
"Mach ich", versprach ich.
"Mit Fernhalten meine ich Fernhalten, Fräulein."
Ich nickte. Ich hatte es auch schon beim ersten Mal verstanden. Außerdem hatte ich nie vorgehabt, auch nur in seine Nähe zu kommen. Mit meinem Mörder Smalltalk an der Bar zu halten oder was auch immer Wilma gerade so durch den Kopf ging, war nicht das, was ich für diesen Abend geplant hatte. Doch Wilma schien noch immer nicht zufrieden zu sein.
"Ich bleibe mit den anderen Betreuern am Buffet, falls du mich brauchst."
"Danke", sagte ich und lächelte. Dann kam mir ein Gedanke.
"Hast du das Mädchen gesehen, das neben mir gesessen hat? Sie ist am Anfang der Rede mit einem Jungen rausgegangen."
"Das Mädchen ist zurück in ihre Abteilung gebracht worden. Keine Ahnung wie sie hier hergefunden hat. Da hat mal wieder einer nicht aufgepasst. Aber es ist nichts, worüber du dir noch Gedanken machen solltest. Wir haben uns schon darum gekümmert."
Ich nickte, wenn auch nicht ganz überzeugt.
"So, aber jetzt genieß den Abend", sagte Wilma und scheuchte mich zurück in den Saal. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie an mir vorbei zu den anderen Betreuern ging. Inzwischen war die Musik so weit aufgedreht, dass man eine Unterhaltung vergessen konnte. Das große Deckenlicht war ausgeschaltet worden und durch wild blinkende Scheinwerfer auf der Tanzfläche ersetzt worden.
Unsicher, wohin ich gehen sollte, blieb ich mitten in der Tür stehen. In meinem Leben war ich auf hunderten von Partys gewesen. Seit ich studierte so gut wie jede Nacht. Doch nie hatte ich mich so unwohl und allein gefühlt wie jetzt. Früher hatte ich meine zwei besten Freunde gehabt, die mir nie von der Seite wichen, Menschen, die ich seit fast einem Jahrzehnt kannte. Von den hundert Gästen im Saal kannte ich keinen und nach all dem, was ich über sie wusste, wollte ich es vermutlich auch gar nicht.
Langsam schob ich mich durch die Menge in Richtung Bar. Je länger ich die tanzenden Menschen um mich beobachtete, desto mehr hatte ich das Bedürfnis, einfach zurück in mein Zimmer zu gehen. Erst das Gespräch mit Erlo, dann das Mädchen, dann das hier-
„Du siehst angespannt aus. Willst du etwas trinken?", brüllte mir eine männliche Stimme ins Ohr. Ohne mich umzudrehen oder zu antworten ging ich weiter.
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Etenia
AdventureArin ist gerade einmal 19, als ihr Leben ein plötzliches Ende findet. Sie erwacht an einem wundersamen Ort, ohne Erinnerung an ihren Tod. Gemeinsam mit anderen kürzlich Verstorbenen soll sie nun ihren Tod verarbeiten und sich von ihrem Verlangen nac...