Kapitel 8

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Als ich an diesem Morgen verschlafen in Erlos Büro schlurfte, wippte dieser gerade gedankenverloren in seinem Stuhl hin und her, die Kappe seines Stiftes zwischen seinen Zähnen, die Füße übereinander geschlagen auf dem Schreibtisch.

Ich schloss geräuschvoll die Tür hinter mir, was ihn ein wenig zusammenzucken ließ. Er ließ die Stiftkappe in seine Hand fallen, nahm die Füße vom Tisch und richtete sich auf.

"Guten Morgen, Arin", begrüßte er mich.

"Hmmm", gab ich einen Laut zurück, den ich nur von ihm selber gelernt haben konnte.

"Setz dich."

Ich ließ mich ihm gegenüber auf den Stuhl fallen und seufzte. Ich hatte in der Nacht schon wieder nicht geschlafen und auch wenn ich körperlich nicht müde war, hatte ich bei weitem nicht genug Energie sammeln können, um noch einen weiteren Tag hier durchstehen zu können.

Erlo sah mich gut gelaunt an. "Ich habe gute Neuigkeiten", verkündete er.

Ich hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

"Dein Problem von gestern hat sich fürs erste geklärt. Du bist von der Gruppenrunde ausgeschlossen worden. Also ihr beide, du und der Junge-" er überlegte kurz. "Lucas, genau."

Ich atmete erleichtert auf. "Ich muss da nicht mehr hin?"

Erlo schüttelte den Kopf. "Nach dem, was gestern passiert ist, ist es für die anderen Teilnehmer nicht mehr tragbar. Wir suchen dir natürlich bald eine neue Gruppe, aber fürs erste streichen wir die Nachmittagsstunden einfach aus deinem Stundenplan. Okay?"

"Was ist gestern denn überhaupt passiert?", fragte ich.

"Du meinst die Erinnerung?"

Ich nickte.

"Dein Fall ist ein wenig speziell muss ich zugeben. Also nichts, was sich nicht lösen lässt, aber es erfordert eben ein wenig mehr Arbeit als der durchschnittliche Fall hier. Kannst du dich daran erinnern, wie du dich gefühlt hast, als du hier angekommen bist?"

"Ja?", sagte ich unsicher. Dabei konnte ich mich vor allem an eines erinnern. Die ersten Stunden hier hatte ich mich so gefühlt, als wäre ich auf Drogen gewesen. In meinem Kopf hatte so eine eigenartige Schwere gelegen, irgendetwas, das meine Gedanken und Gefühle geradezu gelähmt hatte. Wie sonst hätte ich das Gespräch mit Erlo durchstehen können, ohne einen kompletten Nervenzusammenbruch zu haben?

"Bei schweren Fällen wie dir und Lucas legen wir bei der Ankunft eine Blockade", erklärte Erlo. "Eine Gedankenblockade, wenn man so will oder eine Erinnerungsblockade. Die hält euch quasi davon ab, euch zu schnell zu erinnern und hier noch zusätzlich zu traumatisieren, denn dann dauert der Heilungsprozess umso länger. Deswegen auch der schwarze Punkt in deiner Akte."

Er sah mich nachdenklich an. "So etwas wie bei euch beiden habe ich aber noch nie erlebt. Weißt du, der Kontakt mit Lucas scheint bei euch die Blockade aufzubrechen, zumindest Bruckstücke davon. Dewegen kommen diese blockierten Erinnerungen auf einmal zurück und veranstalten dieses-"

Er malte mit seinem Finger kleine Kreise in die Luft. "-Chaos. Aber keine Sorge. Deswegen haben wir euch beide ja auch getrennt. So etwas passiert jetzt nicht mehr."

"Und was jetzt?", fragte ich.

"Jetzt machen wir beide mit der Einzelstunde weiter und heute Nachmittag hast du erstmal frei."

"Ich meine langfristig. Du hast nie gesagt, wie ich hier rauskommen kann, nur dass ich es kann."

"Wir bereiten dich vor, bis du am Ende weitergehst."

EteniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt