1 ~ Prolog

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Donnernd schlugen die dunklen Wassermassen gegen die zerklüfteten Felsen der Küste. Gischt spritze hoch in die Luft, ließ den kalten Wind nach Salz und Freiheit riechen. Hoch am Himmel türmte sich eine dicke Wolkendecke, die keinen Sonnenstrahl auf die felsigen Hügel herunter ließ.

Eine Böe fuhr kalt durch Cassandras seidiges Fell und sie kauerte sich noch mehr zusammen. Es war eine unwirtliche Gegend, in der sie in dieser Nacht gelandet war und das Gefühl, das Unheil auf sie zukam, schnürte ihr um ein Haar den Atem ab. Während sie auf die raue See blickte, wartete sie auf ihn und hatte doch Angst ihm zu begegnen. Sie wusste, dass er jeden Moment auftauchen würde.

„Miau", schnurrte es hinter ihr und ihr Nackenfell richtete sich auf. Hinter einem Felsen kam er hervor, genauso dunkel und geheimnisvoll wie die Nacht. Nur seine grünen Augen stachen aus dem schwarzen Fell hervor und die Intensität seines Blickes ließ Cassandra schauern. Aber sie verspürte keine Angst, denn schon seit Jahren traf sie sich mit ihm.

„Hallo", sagte sie und beobachtete, wie der Kater sich elegant neben sie setzte. Der Wind ließ seine Schwanzspitze zucken und zerrte an seinen Ohren. Ein beunruhigender Gedanke durchzuckte Cassandra: 'Hier stimmt etwas nicht.' Schon oft war er melancholisch zu ihr gekommen, manchmal sogar fast verstört oder nahe einer Depression. Doch dieses Mal tanzte eine Dunkelheit in seinen Augen, die ihr Herz schneller schlagen ließ.

Ein Seufzen entwich dem Kater und er sah auf das Meer hinaus. „Es tut mir leid", begann er und atmete abermals tief durch. „Ich wollte nicht, dass es diese Nacht so ein schrecklicher Ort ist."

Cassandra konnte nur nicken – die Regeln dieser Welt hatte sie ebenso wie er noch nicht ganz erfasst.

Ein leises Lachen löste sich aus seiner Kehle, das warm über Cassandras Fell strich. „Aber irgendwie passt es auch." Seine Worte klangen sarkastisch.

„Was ist los mit dir?", fragte sie und setzte sich ein Stück näher zu ihm. Sie kannten nicht ihre Namen, wussten nichts über die wache Persönlichkeit des anderen und doch fühlte sich Cassandra ihm näher als irgendjemand sonst.

Er sah sie an und Trauer lag in seinen Augen, deren genaue Farbe man nur aus nächster Nähe erkennen konnte: Erst dann erkannte man die braune Corona, die strahlenförmig in das Grün seiner Iris reichte.

„Ich kann nicht mehr herkommen."

Irritiert blinzelte Cassandra. „Was?"

„Ich kann dich nicht mehr besuchen kommen, nicht mehr mit dir träumen."

Es war, als würde eine eiserne Klaue nach Cassandras Herz greifen und es unerbittlich festhalten. „Warum?", hauchte sie und fühlte Panik in sich aufwallen. Er durfte nicht fortgehen, niemals.

„Es ist zu gefährlich geworden", murmelte er und erhob sich.

„Nein!", rief Cassandra. Mit schnellen Schritten war sie neben ihn getreten, streifte seine Flanke mit ihrer und versuchte ihn von den Klippen wegzudrücken. Etwas in ihr sagte ihr, dass er nie wieder kommen würde, wenn er über den Rand sprang.

Sie versuchte ihre Stimme entschlossen klingen zu lassen, als sie ihm sagte: „Bitte geh nicht. Sag mir, was für eine Gefahr das ist und ich helfe dir. Sag mir wer du bist und wir finden einen Weg."

Diese Worte hatten sie große Überwindung gekostet, denn sie fürchtete sich davor die wahre Identität des Katers herauszufinden.

'Und dass er weiß, wer ich bin', fügte sie still hinzu.

Eine endlose Zeit sah er ihr nur in die Augen, doch dann schüttelte er den Kopf und drängte sich an ihr vorbei. „Das Risiko ist zu groß." Starr vor Angst und Frustration sah Cassandra ihn an, als er am Rand der Felsen stand. Ein trauriges Lächeln blitze in seinen Augen, als er den entscheidenden Schritt tat und sprang.

Der heulende Wind trug seine letzten Worte für sie zu ihr hinauf: „Pass auf dich auf Kätzchen."

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