Dream With Me

26 ~ Wie gewonnen...

„Das kann ich dir nicht sagen."

Panik wallte in Joakim auf, spülte all seine Wut, Enttäuschung und Erregung beiseite. Vor fünf Minuten war die Welt so sehr in Ordnung gewesen, wie er es seit seiner Kindheit nicht mehr erlebt hatte. Alles hatte auf einmal einen Sinn ergeben, die ganzen Strapazen seiner harten Ausbildung, sein entbehrungsreiches Leben, all die Einsamkeit hatten sich plötzlich gelohnt. Genau in dem Augenblick, als sie ihn geküsst hatte.

'Aber es ist doch immer so: Wenn es am schönsten ist, ist der nächste Tiefpunkt nicht weit.' Bitter floss dieser Gedanke durch seinen Kopf und er kappte auch die letzten Verbindungsseile zu Cassandras wunderschönem, einladenden Geist. Würde sie wissen, mit was der Erpresser ihn in der Hand hatte, würde sie ihm ins Gesicht spucken. Alles könnte er ertragen, nur das nicht.

„Warum nicht?" Ihr helles Gesicht wurde von Gramesfalten durchzogen, ihre dunklen Augen umwölkten sich. „Ich dachte, du vertraust mir."

Hilflos griff er nach ihrer Hand, weil er wusste, dass sie ihm jede Sekunde entgleiten konnte. „Das tue ich, wirklich. Aber das... das kann ich dir nicht sagen."

Ihr Mund verzog sich zu einer dünnen, harten Linie und schockiert stellte Joakim fest, dass er diesen unerbittlichen Ausdruck von Magda kannte.

'Sie ist nicht wie sie!', wetterte sein Herz, doch sein Verstand sagte ihm etwas anderes. Niemand hatte es ihm erzählt, aber er wusste, dass Jendriks Emendi von Enttäuschungen und Verrat so hart gemacht worden war, wie sie heute war.

„Ich soll dir helfen, aber das willst du mir nicht verraten? Hast du Angst, ich könnte es selbst als Druckmittel gegen dich verwenden?" Energisch entzog sie ihm ihre Hand.

„Nein, das denke ich nicht." Verzweiflung drohte Joakims Verstand zu lähmen. Mit einem Mal kamen ihm die Geräusche um sie herum unnatürlich laut vor. „Cassandra, es ist nur so, dass ich es nicht sagen kann. Wenn das bekannt wird, wird es mich vernichten."

Für einige Herzschläge flackerte etwas in den Augen der Halbemendi, doch wie Joakim feststellen musste, war es keine Einsicht. Vielmehr tanzte Schmerz durch die dunkelblauen Tiefen, so schrecklich und schön zugleich, dass er den Blick nicht abwenden konnte. Mit grässlicher Kontrolle erhob sich Cassandra und trat von der Bank zurück.

„So funktioniert das nicht Joakim." Ihre Stimme war kalt wie Eis, ließ ihn frösteln. „Du kannst nichts vor mir verschweigen und dennoch verlangen, dass ich dir bedingungslos vertraue. Ich will dich ganz oder gar nicht."

Vielleicht hätte Joakim sich über ihren letzten Satz freuen können, ja sogar wie ein Narr durch die Festgemeinschaft tanzen, doch die Distanz in ihrem Blick vernichtete jegliche Romantik ihres Geständnisses.

Nicht in der Lage, etwas darauf zu erwidern, saß er lediglich da und sah sie an. Er flehte sie stumm um Verständnis an und wusste doch, dass sie es ihm nicht geben würde.

'So ist sie nicht gestrickt', dachte Joakim und wollte sie doch nicht anders haben.

Als Cassandra zitternd einatmete und sich auf die Lippe biss wusste er, dass er sie verloren hatte.

„Gute Nacht, Joakim", murmelte sie, die Stimme verräterisch brüchig, ehe sie sich energisch umdrehte und ging.

~

Lautlos eilte Cassandra durch die Nacht, doch ihre Magie war alles andere als leise. Nach der himmlischen Ausgeglichenheit, die sie in Joakims Nähe verspürt hatte, toste es in ihrem Inneren nun wie in einem heftigen Unwetter. Blumentöpfe, Fensterländen, Wasserfässer und Dachziegel säumten ihren Weg, alle samt zerbrochen und gesplittert.

Der unsägliche Schmerz seines Verrats fraß sich wie Säure in ihr Herz und ließ es zu einem wertlosen Klumpen verkommen. Vielleicht wäre sie nicht so angreifbar gewesen, wenn sie sich ihm zuvor nicht so weit geöffnet hätte. Wenn sie sich nicht eingestanden hätte, dass diese verrückte und doch so wundervolle Beziehung zwischen ihnen vorbestimmt gewesen war, hätte sie sich jetzt nicht so tief verletzt gefühlt.